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Spanien stemmt sich gegen europäisches Rettungspaket

Die Milliardenverluste von Bankia bringen Spanien immer stärker in die Schieflage. Aus Angst vor Prestigeverlust wehrt sich Ministerpräsident Rajoy gegen Hilfen aus dem europäischen Rettungsschirm. Experten bezweifeln allerdings, dass Spanien seine Aufgabe noch selbst lösen kann.

Von Hans-Günter Kellner | 29.05.2012
    Außergewöhnliche Anlässe rechtfertigen außergewöhnliche Maßnahmen wird sich Mariano Rajoy gestern gedacht haben. Nach immer neuen Meldungen über einen noch höheren Finanzbedarf spanischer Banken hat Spaniens Ministerpräsident eine seiner äußerst seltenen Pressekonferenzen angesetzt. Dabei hat er klargestellt: Spaniens Banken bräuchten kein europäisches Rettungspaket:

    Doch schon oft musste Rajoy Ankündigungen revidieren. Im Parlament versprach Rajoy erst vorletzte Woche, die Banken würden keine öffentlichen Gelder erhalten. Jetzt sind Zeitungen zufolge 50 Milliarden Euro für die Finanzinstitute notwendig. Fernando Pampillón, Volkswirt der angesehenen Uned-Universität in Madrid meint:

    "Wenn man sich die Äußerungen der Politiker anhört, gewinnt man den Eindruck, dass sie überhaupt keine Kontrolle mehr über die Situation haben. Rajoy improvisiert, genau wie davor Zapatero. Da spricht die Regierung von einem Finanzbedarf für Bankia von höchstens 15 Milliarden Euro, dann sind es 19 Milliarden, und jetzt sind es 24 Milliarden Euro. Dann sagen sie, dass nur ein Darlehen gewährt werde, worauf der Vorstandschef von Bankia widerspricht, dass gar nichts zurückgezahlt werden müsse. Wenn die Regierung jetzt sagt, dass eine Flucht unter den Rettungsschirm nicht infrage kommt, ist das erst mal nicht viel wert."

    Zumal Madrid mit der Formel, mit der man Bankia jetzt retten will, längst eingesteht, das Dilemma nicht mehr alleine lösen zu können. Die spanische Regierung will dem Finanzinstitut gegen Aktien Staatsanleihen geben, die Bankia bei der Europäischen Zentralbank als Sicherheiten für neue Darlehen vorlegen soll. Geld gibt es damit erst von der EZB. Ehrlicher wäre, sich direkt an den europäischen Rettungsschirm zu wenden, meint Pampillon. Doch dies möchte Rajoy um jeden Preis vermeiden. Denn das würde ihn viel persönliches Prestige kosten:
    "Der Kampf um das Vertrauen ist verloren, seit wir sechs Prozent Zinsen zahlen. Das ist der Beweis für das verlorene Prestige. Hier wurde von Beginn an falsch auf die Krise reagiert. Wir hatten hier jetzt vier Finanzreformen. Wir brauchen eine richtige Reform, bei der alles auf den Tisch kommt. Nur so gewinnt man das Vertrauen der Märkte zurück. Und wenn wir dafür auf den EU-Rettungsschirm zugreifen müssen, dann machen wir das eben. Statt hier zu versuchen, nur den Eindruck von guter Arbeit zu erwecken, während wir in Wirklichkeit das Grundproblem nicht lösen."

    Dieses Grundproblem der spanischen Banken ist bekannt. Sie haben neben faulen Krediten auch überbewerte Immobilien in den Büchern stehen, von denen niemand weiß, was sie wirklich wert sind. Das wurde auch Bankia zum Verhängnis. Doch Pampillón erkennt auch an: Bei Bankia werde erstmals seit der Finanzkrise nichts unter den Teppich gekehrt.

    "Das neue Management von Bankia geht jetzt einfach von der schlimmsten aller Annahmen aus. Sie bewerten alle Beteiligungen und Immobilien sehr schlecht und kalkulieren mit hohen Verlusten. Damit melden sie jetzt einen hohen Kapitalbedarf an, zur Sicherheit, sollten neue Probleme auftreten. Im Grunde sollten das alle Banken machen. Das kostet erst mal öffentliches Geld. Das ist aber immer noch besser als die bisherigen vier Finanzreformen, die uns das Vertrauen der Märkte gekostet haben."

    Durch die flexible Buchhaltung hat Bankia nach der Rechnung des alten Vorstands im letzten Jahr noch einen Gewinn von 300 Millionen Euro gemacht - nach den Zahlen des neuen Managements jedoch einen Verlust von drei Milliarden Euro. Ein Nachspiel vor Gerichten oder wenigstens im Parlament hat das nicht, weder für die Manager noch für die Banken- und Börsenaufsicht. Entsprechende Forderungen aus der Opposition lehnt die Regierung ab.

    Damit wächst der Eindruck in der Bevölkerung, dass die eigentlich Verantwortlichen für die Krise nicht belangt werden, während die Menschen auf der Straße mit Massenarbeitslosigkeit dafür bezahlen. Die Protestbewegung der sogenannten Empörten hat sich darum entschlossen, ein sogenanntes Bürgertribunal zu veranstalten, erklärt Manuela Giménez von der Arbeitsgruppe Wirtschaft.

    "Wir wollen die Verantwortlichen anklagen. Wir wollen das Beweismaterial der Geschädigten sammeln, um diese Betrügereien aufzudecken. Am Ende werden wir der Justiz die Beweise übergeben, damit sie ihre Arbeit macht. Die, die wir für diese Betrügereien verantwortlich halten, sind Multimillionäre. Sie haben das Geld, das den Banken jetzt fehlt und das wir mit dem Geld von uns allen ersetzen müssen."