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Spaniens Regierungschef Rajoy
Katalonien soll neu wählen

Der spanische Regierungschef Rajoy will Artikel 155 der Verfassung in Kraft setzen: Es soll Neuwahlen in Katalonien geben, außerdem sollen der Chef der katalanischen Regionalregierung, Puigdemont, und sein Stellvertreter des Amtes enthoben werden. Darüber muss noch der Senat abstimmen.

21.10.2017
    Spaniens Ministerpräsident spricht vor dem Parlament in Madrid.
    Spaniens Ministerpräsident Rajoy (imago /Agencia EFE)
    Mariano Rajoy hat sich nach mehrstündigen Beratungen mit seinen Ministern dazu entschieden, konkrete Maßnahmen gegen die katalanische Regionalregierung einzuleiten. Er will Artikel 155 der spanischen Verfassung in Kraft setzen - zum ersten Mal in der Geschichte des Landes. "Keine Regierung eines demokratischen Staates kann es sich erlauben, dass das Recht missachtet wird, nur um die eigene Meinung durchzusetzen", sagte Rajoy im Anschluss an die Beratungen im Ministerrat. Die spanische Zentralregierung müsse Artikel 155 nun anwenden, ohne das zu wollen - dies sei ein Artikel für Ausnahmesituationen.
    Rajoy macht Puigdemont schwere Vorwürfe
    Der spanische Ministerpräsident sprach von einem rechtswidrigen Prozess, der in Katalonien vonstatten gegangen sei. Dem Chef der Regionalregierung, Carles Puigdemont, warf Rajoy undemokratisches Verhalten im Zusammenhang mit dem Unabhängigkeitsreferendum vor. Beispielsweise habe Puigdemont die Opposition im katalanischen Regionalparlament gar nicht zu Wort kommen lassen, als es Anfang September um die Entscheidung pro oder contra Referendum ging. Damit habe Puigdemont die Verfassung außer Kraft gesetzt; all dies habe das spanische Verfassungsgericht verboten. "Doch auch das wurde ignoriert", begründete Rajoy sein weiteres Vorgehen.
    "Dialog ist zu einem Zauberwort geworden"
    Carles Puigdemont habe den "Dialog" mit der spanischen Zentralregierung gefordert, anstatt auf die Frage zu antworten, ob er nun nach dem Referendum die Unabhängigkeit der Region Katalonien ausgerufen habe oder nicht. Rajoy sagte, er sei der Ansicht, Puigdemont habe oft genug die Möglichkeit zum Dialog gehabt und habe diese Möglichkeiten alle verstreichen lassen. Puigdemont habe eine parallele Rechtsordnung erfunden.
    Regionalregierung soll abgesetzt werden
    Als direkte Konsequenz daraus soll Puigdemont seines Amtes enthoben werden - ebenso sein Stellvertreter. Es solle so schnell wie möglich Neuwahlen in Katalonien geben, kündigte Rajoy an. So lange sollen die Ministerien die Aufgaben der Regionalregierung verantworten. Er wolle nicht die Selbstverwaltung und die Selbstbestimmung der Menschen in Katalonien aufheben, sondern diejenigen absetzen, die rechtswidrig handelten, so Rajoy weiter.
    Madrid verfolgt vier Ziele
    Der spanische Regierungschef betonte, er wolle konkret vier Ziele erreichen: die Legalität solle wieder hergestellt werden und das normale Zusammenleben in Katalonien wieder möglich sein. Es sei wichtig, dass die Menschen wieder geregelt zur Arbeit gingen und einen normalen Alltag leben könnten. Außerdem habe er die Wirtschaft im Blick, die durch die Vorgänge der vergangenen Wochen bereits starke Einbrüche verzeichne. Viele hundert Unternehmen hätten ihren Hauptsitz aus Katalonien in andere Regionen Spaniens verlegt. Und schlussendlich sollte nach schnellstmöglichen Neuwahlen eine funktionierende Regionalregierung in Katalonien die Selbstverwaltung wieder demokratisch weiterführen.
    Europäische Union bietet Spanien Rückhalt
    Am Rande des EU-Gipfels in Brüssel hatte Ministerpräsident Rajoy bereits gestern erwähnt, dass auch die spanische Opposition zum großen Teil hinter ihm stehe: Er habe diese Maßnahmen mit zwei der drei stärksten Oppositions-Parteien abgesprochen. Auch das spanische Königshaus und die EU unterstützen mögliche Zwangsmaßnahmen. Am kommenden Freitag soll der Senat über die Maßnahmen gegen Katalonien abstimmen.
    (tep/ren)