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Spanier im Glück

Die Spanienrundfahrt ist kein WM-Vorbereitungsrennen mehr. Vielmehr versucht sie, mit abwechslungsreichem Profil selbst mehr Spannung zu erzeugen. Sie nähert sich damit den anderen beiden Rundfahrten an und verliert ihren gewohnten Charakter. Das kann man freilich auch als Weiterentwicklung werten.

Von Tom Mustroph | 05.09.2011
    Verkehrte Welt bei der Vuelta a Espana. Statt eines WM-Aufgalopps wie üblich zum Saisonende bietet die Spanienrundfahrt vor allem Kletterspezialisten, denen das Jahr bislang missraten war, Gelegenheit zur Kompensation. Sprinter, die beim WM-Kurs in Kopenhagen favorisiert sind, hatten nur wenig Möglichkeiten.
    Einen von zwei Massenspurts entschied Deutschlands neue Sprinthoffnung Marcel Kittel. Kapitän in Kopenhagen wird aber weder er sein noch John Degenkolb. Der Thüringer erreichte einen zweiten Platz bei der zweiten Spurtentscheidung und blickt voll Zuversicht den Tagesabschnitten vom Dienstag und Sonntag entgegen. Er wolle es noch einmal krachen lassen, versprach der Thüringer. Bei der WM werden er und Kittel jedoch brav für André Greipel arbeiten. So legte sich Degenkolb fest.

    Während die deutschen Sekundanten gut gerüstet sind, musste Hauptrivale Mark Cavendish vorzeitig die Segel streichen. Bereits auf der vierten Etappe verließen ihn zwischen zwei Gipfeln von mehr als 2000 Metern Höhe Kraft und Zuversicht.

    Tony Martin indes hat sich mit einem Power-Zeitfahren in Salamanca selbst zum Favoriten Nr. 1 gekürt. Man solle den dort geschlagen Schweizer Cancellara zwar niemals unterschätzen, warnte Jan Schaffrath, der Martin sowohl bei HTC als auch beim BDR betreut. Aber Martin sei doch der Topfavorit in dieser Disziplin.

    Die Spanier interessierte dieser WM-Aspekt nur wenig. Sie konnten sich über ein bislang sehr abwechslungsreiches Rennen freuen. Mit Bergetappen gleich in der ersten Woche folgt die Vuelta dem Beispiel der anderen beiden großen Rundfahrten.

    Ausgerechnet auf den beiden Königsetappen am Wochenende brach auch einer der Ihren in die ausländische Phalanx ein. Juan Jose Cobo wurde am Samstag Zweiter und holte am Sonntag auf dem gefürchteten Angliru Etappensieg und Gesamtführung.

    Dem Nordspanier gelang dabei Besonderes. Er litt in diesem Jahr an Depressionen und wollte seinen Beruf schon aufgeben. Die glückliche Wendung sei ihm gegönnt.

    Nicht vergessen sollte man, dass Cobo einst das dritte Element des Trio Infernale von Saunier Duval, dem Vorvorgängerrennstall seines aktuellen Teams Geox, war. Gemeinsam mit Riccardo Ricco, der noch in diesem Jahr laut Staatsanwaltschaft durch eine Bluttransfusion auffiel, und Leonardo Piepoli, spielte er mit der Konkurrenz Katz und Maus in den Bergen. Ricco und Piepoli wurden mit dem Epo-Präparat CERA erwischt. Bei dem auf gleichem Niveau fahrenden Cobo wurde nichts gefunden. Aber vielleicht ist jetzt im Radsport ja tatsächlich alles anders und die Vuelta so sauber, wie es die zu 100 Prozent negativen Kontrollen versprechen.