Freitag, 19. April 2024

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Spanische Barockmusik
Música Ficta und Forma Antiqva

Kurze weltliche und geistliche Lieder von Juan de Navas hat das kolumbianische Ensemble Música Ficta für seine neue CD ausgegraben - Entdeckungen aus spanischen Archiven. Mit "Concerto Zapico" haben die drei Brüder Zapico ein weiteres Programm mit mitreißender barocker Tanzmusik herausgebracht.

Am Mikrofon: Christiane Lehnigk | 20.05.2018
    In dieser Sendung steht spanische Barockmusik im Mittelpunkt. Beim Label Et'cetera erschienen "Kunstlieder" von Juan de Navas mit dem kolumbianischen Ensemble Música Ficta unter dem Titel: "Alado cisne de nieve", "Der geflügelte Schwan aus Schnee". Und bei Winter & Winter veröffentlichte das spanische Instrumentalensemble Forma Antiqva die zweite Folge des "Concerto Zapico" mit Tanzmusik unter anderem von Sanz, Coll, Corbetta, Murcia und Kapsberger.
    Musik: Jean Baptiste Lully, La chacona, Música Ficta
    Das Ensemble Música Ficta spielte hier zu Beginn eine Chaconne von Jean Baptiste Lully, die aus der Oper "Armide" stammt und sich in der Manuskript-Sammlung "Flores de música" von Martín y Coll befindet. Das zeigt schon, dass Ende des 17., Anfang des 18. Jahrhunderts das Interesse der spanischen Komponisten und Musiker nicht nur an den Werken ihrer italienischen, sondern auch ihrer französischen Kollegen groß war. Den spanischen Komponisten und Harfenisten Juan de Navas hat das Ensemble Musica Ficta in den Mittelpunkt ihrer neuesten CD gestellt und in seiner Musik sind auch diese Einflüsse erkennbar.
    Juan de Navas ist eine Neuentdeckung
    Es ist einmal mehr ein Beweis dafür, dass es auch im Barock noch viele Schätze zu heben gilt und es auch glücklicherweise Ensembles und Plattenlabel gibt, die nach vergessenem und unbekanntem Repertoire forschen.
    Et'Cetera ist ein solch kleines, klassisches und unabhängiges Label, das Anfang der 1980er Jahre gegründet wurde und in Belgien ansässig ist. Sein stetig wachsender Katalog zeugt von einem Engagement für ein Nischen-Repertoire, bei der der vielbeschworene Begriff der "Authentizität" im Fokus steht. Das belegt auch die Besetzung jeweils mit Original-Instrumenten.
    Kolumbianisches Ensemble mit Faible für vergessene Werke
    Música Ficta wiederum gehört zu den renommiertesten Alte Musik Ensembles Lateinamerikas und widmet sich vor allem dem hispanischen Repertoire. Es wurde 1994 von dem Tenor und Perkussionisten Carlos Serrano in Kolumbien gegründet und ist weiterhin auf der Suche nach alten Handschriften und frühen Notendrucken.
    Es ist verwunderlich, dass die Werke von Juan de Navas bis jetzt noch nicht wieder bekannt geworden sind, war er doch als Schüler des legendären Juan Hidalgo einer der bekanntesten spanischen Komponisten in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts. Er schrieb unter anderem eine ganze Reihe von Zarzuelas, komödiantischen höfischen Singspielen und Tonos humanos und Tonos divinos, das sind kurze Kunstlieder für die Besetzung von ein oder zwei Singstimmen mit Instrumentalbegleitung.
    Geistliche und weltliche Kunstlieder mit Tanzrhythmen
    Typische Stilmittel waren hierbei stark synkopierte Rhythmen mit wechselnden Taktarten und die Verwendung von Texten der bekanntesten Dichter des Spanischen Goldenen Zeitalters, wie Calderón de la Barca und Lope de Vega zum Beispiel.
    Musik: Juan de Navas, Ay, Amor (Tono divinio), Música Ficta
    "In den Gärten der Morgendämmerung", so hieß dieses Stück "zum Heiligen Sakrament" von Juan de Navas, eines der Tonos divinos, der geistlichen Lieder, die das kolumbianische Ensemble Música Ficta Stücken aus Zarzuelas gegenüber gestellt hat. Zarzuelas entwickelten sich in Spanien aus höfischen Festspielen, für die zu Beginn vor allem Pedro de Caldéron de la Barca die Texte schrieb und bei der die Versdialoge mit musikalischen Nummern versetzt waren. Daraus entwickelte sich eine eigene Bühnengattung, mit tragischen, komischen, volkstümlichen und auch heroischen Sujets. Diese quirlige Theaterform verschwand um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurde aber in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts wiederbelebt.
    Zarzuela - das spanische Pendent zur Opera buffa
    Der nächste Ausschnitt stammt aus der wohl letzten Zarzuela "Apolo y Dafne" von Juan de Navas, neben dem Ensembleleiter Jairo Serrano singt hier auch noch Andrés Silva. Diese Art des zurückhaltenden Tenorgesangs orientiert sich eher am Volkslied und hat weniger mit dem zu tun, was wir allgemein mit Tenor-Arien verbinden.
    Musik: Juan de Navas, Con que esa es tu pena/ Ay, zagales/ Quién ha de temer un ciego, Musica Ficta
    Das war ein Ausschnitt aus der Zarzuela "Apolo y Dafne" von Juan de Navas, eines der wieder entdeckten Stücke, die das Ensemble Música Ficta auf ihrer neuesten CD präsentiert. Die gesamte Einspielung ist absolut entspannt und angenehm im Klang. Bei den Instrumenten dominieren die großen vielchörigen Theorben, hinzukommen Barockgitarre, Blockflöten und verschiedene lateinamerikanische Schlaginstrumente. Es ist eine eigene Welt, in die man hier eintauchen kann, auch wenn man die spanischen Texte nicht versteht, sie kann man im informativen Booklet mit- oder nachlesen. Vielleicht täte dem einen oder anderen Titel ein wenig mehr Temperament noch gut, aber solche Ohrwürmer, wie das instrumentalisierte Liebeslied eines spanischen anonymen Komponisten aus der französischen Oper "Le Louvre" von André Campra entschädigen dann auch wieder.
    Musik: Anonym (Spanien), Amable, Música Ficta
    Die drei Brüder Zapico haben sich als Kammerensemble neu erfunden
    Ein bisschen mehr Temperament als ihre kolumbianischen Kollegen des Ensembles "Música Ficta" bringen die drei Brüder Aarón, Daniel und Pablo Zapico auf ihrer neuesten CD ein. Hier präsentieren sie mit einem "Concerto Zapico" Volume 2 nach acht Jahren eine weitere Folge mit verschiedenen Tanzformen und stilisierten Tänzen, diesmal ausschließlich aus dem spanischen Barock. Darunter sind unter anderem Canarios, Xácaras, Cumbees, Faborita, Pavanen, Toccaten und Fandangos, einige davon sind inzwischen schon bekannte Hits, andere wiederum interessante Neuentdeckungen. Darüber und auch über die einzelnen Besetzungen oder die Instrumente erfährt man allerdings nichts, weil das Label Winter & Winter diesmal leider am Booklet gespart hat.
    Musik: Gaspar Sanz, Canarios, Forma Antiqua
    Das spanische Ensemble Forma Antiqva, das hier mit "Canarios" von Gaspar Sanz zu hören war, besteht seit 1998 und spielt in ganz unterschiedlichen Besetzungen. Als die drei Brüder Zapico sich entschieden hatten, etwas gemeinsam auf die Beine zu stellen, mussten sie sich mit dem Umstand beschäftigen, dass sie ja alle bis dahin überwiegend mit Cembalo oder Orgel und Lauten eher Basso Continuo spielten und kein Melodie-Instrument zur Verfügung hatten. Wie sollte man damit vollwertige Kammermusik spielen? Sie machten aus der Not eine Tugend, transkribierten unzählige spanische und italienische Tanzmusik aus dem 17. und 18. Jahrhundert und erarbeiteten sich damit eine ganz eigene Klangsprache, die sie mit viel Spielfreude, Virtuosität, Humor, aber ohne Effekthascherei präsentieren, inzwischen weltweit.
    Tanzmusik aus dem spanischen Barock mit viel Spielfreude
    Hier bei dem Programm mit rein spanischer Barockmusik werden sie noch von dem Perkussionisten David Mayoral unterstützt. Der Sound ist sehr direkt und eher an populärer Musik (unplugged) orientiert, so dass sich sicherlich auch Zuhörerinnen und Zuhörer mitreißen lassen können, die vielleicht ansonsten nicht so mit der Alte Musik Szene vertraut sind. Der Suchtfaktor ist jedenfalls gegeben.
    Musik: Antonio Martín y Coll, Xácara aus: Flores de Música, Forma Antiqua
    Juan de Navas
    "Alado cisne de nieve"
    Werke von: Jean-Baptiste Lully, Juan de Navas, Anonymus, Gaspar Sanz, Pierre Bucquet
    Ensemble Musica Ficta
    Label: Et'cetera Records, Vertrieb QUINTESSENCE
    LC-14750 // KTC1609/8711801016092
    Concerto Zapico Vol.2 - Spanish Baroque Dance Music
    Werke von Sanz, Coll, Corbetta, Murcia, Tejada, Kapsberger u.a.
    Ensemble Forma Antiqva
    Label: Winter & Winter
    LC- 02829// 025091024827