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Spanische Identitäten
Auf den Spuren einer Nation

Die Spanier haben ein gespaltenes Verhältnis zu ihrer Nation. Der Verlust der einstigen Größe, der blutige Bürgerkrieg und die Diktatur unter Franco tragen ihren Teil dazu bei. Hinzu kommt, dass die Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien, im Baskenland und in Galizien die Nation infrage stellen.

Von Hans-Günter Kellner | 24.11.2018
    Zwei junge Frauen, in die spanische Nationalflagge (r) sowie die katalanische Flagge "Estelada" gehüllt, halten sich am in Barcelona an der Hand.
    Und wie definiert sich "spanisch", wo doch Katalanen und Basken eigene Träume träumen? (dpa-Bildfunk / AP / Emilio Morenatti)
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    Die "Gesichter Europas" begeben sich auf Spurensuche und treffen einen Historiker, einen Franco-Anhänger, einen linken Vordenker, eine Flamenco-Sängerin und einen Schriftsteller.
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    Die Erinnerung an die einstige Größe, an Bürgerkrieg und Diktatur lasten auf dem kollektiven spanischen Gedächtnis. Auch der katalanische Separatismus stellt die Nation infrage. Eine schwierige Lage für Nationalismusforscher José Álvarez Junco.
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    Mit dem Tod Francos 1975 wurde das Ende der Diktatur in Spanien eingeläutet. Besiegelt wurde es durch die Verfassung. Er bekenne sich zu dieser Verfassung, sagt Juan Chicharro. Trotzdem will der General a.D. das Erbe Francos bewahren.
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    Die spanische Linke hat sich seit der Diktatur nie um die Frage nach der nationalen Identität gekümmert, kritisiert Iñigo Errejón von Podemos. Spanien brauche aber dringend ein nationales Projekt.
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    Der spanische Schriftsteller Antonio Muñoz Molina
    "Spanien ist mein Land, seit wir eine Demokratie haben"
    Der spanische Schriftsteller Antonio Muñoz Molina bezeichnet sich selbst als Linken, will sich aber nicht an der Franco-Diktatur abarbeiten, sondern nach vorne blicken. Eine Art Verfassungspatriotismus könnte die Spanier einen, glaubt er.