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Spanische Volkspartei
Casado übernimmt das Erbe Rajoys

Generationswechsel bei den Konservativen in Spanien: Der 37 Jahre alte Pablo Casado soll als neuer Parteichef die gebeutelte Formation wieder aufrichten und fit machen für die kommenden Wahlen. Programmatisch will er die Partei nach rechts rücken.

Von Hans-Günter Kellner | 23.07.2018
    Pablo Casado beim Parteitag der konservativen Volkspartei in Madrid
    Pablo Casado beim Parteitag der konservativen Volkspartei in Madrid (imago)
    Einheit, Einheit, riefen die 3.000 Delegierten der spanischen Volkspartei. Sie befürchteten eine Spaltung, denn zum ersten Mal in der Geschichte der 1989 gegründeten Formation sollten sie sich bei der Wahl zum Parteivorsitz zwischen zwei Kandidaten entscheiden.
    Dabei vermied en Soraya Sáenz de Santamaría, bislang Vizeregierungschefin im Kabinett Rajoy und der bisherige Kommunikationschef der Partei, Pablo Casado, die offene Konfrontation. Über ihre programmatische Ausrichtung sagte die 47-Jährige Sáenz de Santamaría:
    "Wir sind die große Mitte-Rechts-Partei Europas. Erbin des christlichen Humanismus und des Liberalismus. Wir stellen den Menschen ins Zentrum unserer Politik. Wir verteidigen die Freiheit, die Gleichheit und die Rechte und Pflichten einer offenen Gesellschaft."
    Suche nach Schuldigen
    Aber keiner der Kandidaten suchte nach Gründen, warum die konservative Regierung am 1. Juni ihre Parlamentsmehrheit verloren hatte, nachdem ein Gericht tiefe Verstrickungen der Partei in ein Korruptionsnetzwerk für erwiesen hielt. Stattdessen sprachen sie dem Misstrauensvotum, mit dem das Parlament die Regierung Rajoy abgewählt hatte, die Legitimität ab - so als sei der Partei die Macht auf undemokratische Weise entrissen worden. Und sie appellierten an den Stolz der Mitglieder. So sagte Pablo Casado zum Thema Korruption, die Volkspartei sei eine ehrliche Formation. Doch:
    "Ich werde dafür sorgen, dass die Volkspartei wieder respektiert wird. Es muss Schluss sein mit den medialen Vorverurteilungen, mit dem öffentlichen Pranger, an den Parteifreunde gestellt werden, während die Gerichte sie hinterher freisprechen. Wir müssen die Ehre dieser Leute schützen."
    Solche Worte waren Balsam für die Seele der Mitglieder. Casado begeisterte sie mit seinen Appellen an die rechtskonservative Identität der Partei, der Forderung nach einer Abschaffung der Erbschafts- und Vermögenssteuer, nach Steuersenkungen für Einkommen und Unternehmen, nach einem stärkeren Schutz der Familie. Es gab stürmischen Applaus für seine Ablehnung des Abtreibungsrechts, dessen Verschärfung seine Gegnerin Soraya Sáenz de Santamaria als Vizeregierungschefin noch verhindert hatte, oder für seine Absage an eine Föderalismusreform zur Lösung der Katalonienkrise.
    "Wir müssen die Verfassung stärken, statt sie zu zerfetzen, das Strafrecht verschärfen, um jedwede separatistische Herausforderung zu verhindern. Wir müssen uns mit den Leuten verbünden, die ihre Spanien-Fahne an den Balkonen befestigt haben und die Verteidigung der nationalen Einheit anführen."
    Partei rückt nach rechts
    Damit hatte der 37-jährige Politiker und Jurist das Auditorium auf seiner Seite. Fast 60 Prozent der Delegierten gaben ihm am Ende seine Stimme. Er werde niemanden fragen, für wen er bei diesem Kongress gestimmt habe, versprach der neue Parteichef. Tatsächlich eine sein ausgesprochen konservativer Diskurs die Basis, meinten spanische Journalisten am Rande des Parteitags. Íñigo Domínguez, der den Kongress für die Tageszeitung El País beobachtet hat, befürchtet aber auch:
    "Die Partei driftet mit Casado nach rechts. Und das ist schlecht für die Volkspartei und gut für die anderen Parteien. Man hat den Eindruck, dass sie das Zentrum aufgibt, um ihre Identität zu stärken. Die neue Partei Ciudadanos wird diesen freien Platz dankend einnehmen, was sie ja schon tut. Ich denke auch nicht, dass Spanien eine solche Polarisierung, wie sie Casado betreibt, gegenwärtig gebrauchen kann."
    Ob sich der Kurs des neuen Parteichefs vielleicht doch auszahlt, wird sich bald zeigen. Bereits im Herbst soll es in Andalusien vorgezogene Neuwahlen geben, im Mai nächsten Jahres werden die Spanier zur Kommunal-, Regional und Europawahl an die Urnen gerufen.