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Sparen für die Märkte

Die spanische Regierung kündigte an, noch mal zehn Milliarden bei Gesundheit und Bildung einsparen zu wollen. Doch auch diese Maßnahme beendet die Spekulationen mit Spaniens Staatsanleihen nicht. Die Regierung von Mariano Rajoy erweckt den Anschein, als improvisiere sie Reformen je nach der Stimmung auf den Finanzmärkten.

Von Hans-Günter Kellner | 11.04.2012
    Solange sie auch manchmal auf Untersuchungs- oder Behandlungstermine warten müssen - auf ihr Gesundheitssystem sind die meisten Spanier stolz. Seit die Regierung nun eine Reform des staatlichen und steuerfinanzierten Systems angekündigt hat, ist die Angst deshalb groß. Der spanische Finanzminister Cristobal Montoro weiß das und bemüht sich deshalb um Sachlichkeit:

    "Die Reformen sollen auf keinen Fall ungerecht sein und die Menschen benachteiligen, die am wenigsten haben. Wir wissen über die Finanzämter ja, was die Leute verdienen. Wir könnten sie also je nach ihrem Einkommen an den Kosten für Arzneimittel beteiligen. Im Augenblick muss jeder Beschäftigte 40 Prozent der Kosten eines Medikaments selbst tragen. Das kann man sicher besser regeln."

    Zehn Milliarden Euro will die Regierung im Gesundheitssystem und an den Hochschulen einsparen. Die Finanzmärkte belohnen diese Pläne allerdings nicht. Die Zinsen für spanische Staatsanleihen bleiben hoch. Wirtschaftsprofessor José Ramón Pin von der IESE Business-School in Madrid rät dennoch zur Gelassenheit:

    " Es geht bei diesen Marktbewegungen ja um die Kosten für spanische Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt. Da wird mit bereits ausgegebenen Papieren gehandelt. Für Spanien könnten die steigenden Zinsen erst dann zum Problem werden, wenn der Staat wieder Anleihen ausgibt. Aber was derzeit auf den Märkten passiert, verursacht dem Staat keine Kosten. "

    Spanien könne in Ruhe abwarten, bis sich die Märkte wieder beruhigt hätten, erklärt auch Wirtschaftsminister De Guindos. Der Staat habe sich die Hälfte des für dieses Jahr benötigten Geldes bereits auf den Märkten besorgt. Volkswirt Pin glaubt schon deshalb nicht, dass Spanien die Hilfe des europäischen Rettungsschirms benötigen wird. Davon abgesehen hält er die angekündigten Reformen aber längst für überfällig.

    " Würden wir nur den Missbrauch bei den teuren Diagnosemethoden reduzieren und alle staatlichen Krankenhäuser dazu bringen, ihre Medikamente über ein zentrales Einkaufssystem zu beziehen, dann könnten wir sechs Milliarden Euro sparen. Auch bei den Universitäten muss man sparen. Wir haben Hochschulseminare mit drei Studenten pro Professor. Solche Umstellungen sind aber nicht von heute auf morgen zu machen."

    Deutlich schneller ließe sich die Öffentlichkeitsarbeit der spanischen Regierung verbessern. Gestern floh Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy regelrecht vor rund 30 im Senat auf ihn wartenden Journalisten. Sie hatten nach der Entwicklung auf den Finanzmärkten gefragt. Seit seiner Wahl im Dezember hat sich Rajoy keiner Pressekonferenz gestellt. José Ramón Pin kennt andere Zeiten. Auch er war während der Demokratisierung Spaniens Ende der 70er- und Anfang der 80er-Jahre in der Politik. In einer Zeit, als sich die spanischen Parteien über ihre Parteigrenzen hinweg verständigen konnten. Diesen Geist vermisst der Ökonom heute. Die Parteien sind zerstritten und die Regierung erweckt den Anschein, als improvisiere sie Reformen je nach der Stimmung auf den Finanzmärkten.

    "Das ist ein altes Problem der Volkspartei. Die Sozialisten waren in der politischen Kommunikation immer viel geschickter. Dabei bräuchten wir regelrechte pädagogische Anstrengungen, um über die tatsächliche Situation des Landes zu informieren."

    Trotz allem ist José Ramón Pin zuversichtlich. Es sei ein altes ökonomisches Gesetz, dass auf jede noch so tiefe Rezession irgendwann bessere wirtschaftliche Zeiten folgten. So sei die Zahl der Unternehmensgründungen im ersten Quartal wieder gestiegen. Mitte nächsten Jahres werde es aufwärtsgehen, hofft er. Doch bis dahin, so die Einschätzung des Volkswirts, werden die Spanier noch mit großen Problemen kämpfen.