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Sparkassen- und Giroverband: EZB mit Bankenaufsicht nicht überfordern

Bis zum Ende des Jahres sollen die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine europäische Bankenaufsicht festgelegt sein. Georg Fahrenschon, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, erwartet, dass sie sich nur mit den großen, international tätigen Geldinstituten befassen wird.

Georg Fahrenschon im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 20.10.2012
    Jürgen Zurheide: Der europäische Gipfel hat lange über die Bankenaufsicht diskutiert, und diese Diskussion hat einen erheblichen Vorlauf. Es gibt ja unterschiedliche Aspekte dabei: Erstens, die Aufsicht über welche Banken in Europa, sind es alle oder sind es nur die sogenannten systemrelevanten Banken, und zweitens, wer bezahlt denn, wenn irgendetwas aus dem Ruder läuft?

    Das alles wurde heftig diskutiert, und vor allen Dingen in Deutschland haben viele mit Argusaugen darauf geschaut, auf diese Debatte, denn zum Beispiel die Sparkassen und Volksbanken wollen nicht, dass ihre prall gefüllten Sicherungstöpfe demnächst irgendwo in Südeuropa ausgegeben werden.

    Jetzt soll die Bankenaufsicht kommen, der Rechtsrahmen soll rasch und schnell dastehen, aber wann die Arbeit beginnt, das weiß man nicht, das ist ein typischer Brüsseler Kompromiss. Darüber wollen wir reden, und ich begrüße am Telefon Georg Fahrenschon, den Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. Guten Morgen, Herr Fahrenschon!

    Georg Fahrenschon: Guten Morgen, Herr Zurheide!

    Zurheide: Herr Fahrenschon, zunächst einmal, wissen Sie, wann wir denn diese Bankenaufsicht jetzt bekommen, ist das bei Ihnen schon angelandet?

    Fahrenschon: Sie sagen ja zu Recht, es ist klassische Vorgehensweise, dass man jetzt erst einmal sagt, wir stellen bis Ende des Jahres den rechtlichen Rahmen dar und sehen dann weiter, wie wir ihn ausfüllen, insoweit sind noch nicht alle Fragen geklärt. Ich glaube allerdings, es war erst mal ein gutes Signal, dass man diese beiden Ebenen voneinander getrennt hat, denn am Ende geht an dieser Stelle es nicht nur um Qualität vor Schnelligkeit, sondern es geht schon auch um Vertrauen.

    Das Signal, dass man in weniger als zweieinhalb Monaten, in weniger als 90 Tagen eine Behörde aus dem Boden stampft, die dann tatsächlich in der Lage ist, die Risiken großer internationaler Institute auch wirklich zu überwachen und dort einzugreifen, das hätte doch niemand gedacht.

    Zurheide: Wenn allerdings der rechtliche Rahmen jetzt in diesen 90 Tagen klar sein muss, dann muss man ja wissen, ja, wen soll man überprüfen – alle Banken, die systemrelevanten oder eben auch die berühmte Sparkasse in Hückeswagen oder wo auch immer bei Ihnen in Bayern?

    Fahrenschon: Ja, wir würden deshalb ganz klar dafür plädieren, dass die Europäische Zentralbank sich auf die Aufgabe konzentrieren muss und auch konzentrieren kann, die zur Abwendung von Gefahren aus dem Finanzsystem notwendig ist, und das heißt, sie muss sich um die großen international tätigen Instituten kümmern, sie muss sich um die kümmern, alles andere würde sie ablenken. Wenn sich die Europäische Zentralbank am Ende um alle Banken und Sparkassen in der Eurozone oder sogar darüber hinaus kümmern muss, wissen Sie was, ich glaube, dann sieht sie den Wald vor lauter Bäumen nicht.

    Zurheide: Ist es denn überhaupt richtig angesiedelt – da wird ja auch die ein oder andere kritische Frage gestellt – bei der Europäischen Zentralbank? Die ist in allererster Linie für die Geldstabilität zuständig. Und wir haben im Übrigen ja schon eine Kontrollinstanz auf der europäischen Ebene.

    Fahrenschon: Ja, Sie haben völlig recht. Man muss sich natürlich schon die Frage stellen, macht man jetzt nur noch eine zusätzliche Aufsicht dazu. Wir erleben mittlerweile schon, dass bei den kleineren Sparkassen, auch bei den kleinen Volks- und Raiffeisenbanken, im Übrigen auch bei den kleinen privaten Geldhäusern mehr Aufseher am Tisch sitzen als noch Verantwortliche in den Kreditprozessen eigentlich zu finden sind, insoweit stehen wir schon kurz vor so einer Art Overkill.

    Ich stelle aber einfach mal fest, die Entscheidung, dass man sich hier auch des Sachverstands der europäischen Notenbanker bedient und deshalb die Europäische Zentralbank mit an den Start bringt, die Entscheidung scheint gefallen, und da macht es jetzt keinen Sinn mehr nachzukarten.

    Zurheide: Aber noch mal die Frage auch: Kann die EZB das, denn Geldwertstabilität ist ihr Hauptthema, und diese Art von Kontrolle ist ja dann doch ein Stück politischer, als es möglicherweise bei der Geldwertstabilität diskutiert wird. Haben Sie da Sorgen oder Besorgnisse?

    Fahrenschon: Also natürlich beschäftigt uns alle, ob die Europäische Zentralbank nicht langsam, aber sicher einfach überfordert wird, und ihr Hauptziel, sich nämlich um die Geldwertstabilität, also um den Kampf gegen Inflation und Entwertung sich zu kümmern, ein wenig aus dem Zentrum herausgedrängt wird.

    mso wichtiger ist es, dass wir deshalb sagen, in der Klärung des rechtlichen Rahmens muss auch klipp und klar deutlich sein, die europäische Ebene muss sich auf die schweren Risiken, auf die komplexen, großen Institute konzentrieren. Wenn wir die Europäische Zentralbank am Ende in eine Situation manövrieren, wo sie in der Aufsicht auch Fehler machen kann, dann laufen wir natürlich Gefahr, dass wir auch eine Institution, die ein hohes Ansehen hat, die dieses Ansehen auch braucht, um auf den Märkten auch operieren zu können, dass sie dieses Ansehen am Ende verliert.

    Zurheide: Jetzt haben wir über die Aufsicht gesprochen, ich hab vorhin das zweite Thema schon adressiert: Wer bezahlt eigentlich, wenn irgendetwas schiefgeht? Und da gibt es ja in Ihrem Lager, aber auch bei den Freunden der Volksbank die Besorgnis, das die eher gut gefüllten Sicherungskassen dann irgendwann ja für südeuropäische Banken genutzt werden. Das wollen Sie nicht. Ist das klar, dass das nicht passiert, oder ist das noch nicht klar?

    Fahrenschon: Also das ist noch nicht klar, dieser gesamte Aspekt ist nicht diskutiert worden. Für uns steht eigentlich gemeinsam fest, und zwar bezogen auf die deutschen Volks- und Raiffeisenbanken, auf die deutschen Sparkassen, aber auch auf alle deutschen privaten Banken: Wir haben in unseren drei Systemen drei sichere und auch stabile und wirksame arbeitsfähige Einlagensicherungssysteme, an denen kann man sich orientieren – das würde uns sehr freuen, wenn andere europäische Mitgliedsstaaten ähnliche System entwickeln würden –, aber in keinem Fall darf mit der Entscheidung über eine gemeinsame Aufsicht die Tür in Richtung einer Vergemeinschaftung von Einlagensicherungsfonds aufgestoßen werden.

    Diese Debatte hat nicht stattgefunden, aber für uns ist diese Position sehr klar, und ich kann an der Stelle auch sagen, die deutsche Politik, angefangen von der Bundesregierung, aber auch alle im Bundestag vertretenen Parteien haben sich dieser Position einhellig angeschlossen.

    Zurheide: Wenn Sie das hier so sagen und ich mir gerade die Frage stelle, das alles soll in 90 Tagen geklärt werden, ist das denn überhaupt vorstellbar oder kann man sagen, na ja, das kann man dann auch später noch machen?

    Fahrenschon: Also zumindest wenn man jetzt den Weg geht und sagt, wir klären das rechtlich, dann muss die Diskussion geführt sein. Die Lösung ist aus unserer Sicht natürlich einfach: In dem Moment, in dem man entscheidet, die neue Aufsicht kümmert sich allein um die großen international tätigen Banken, und wir machen auch eine klare Aufgabenzuweisung, dass Einlagensicherungsfragen nationale Fragen sind, dann ist man natürlich schnell fertig.

    Zurheide: Haben Sie Hoffnung, dass es so kommen wird?

    Fahrenschon: Wir argumentieren sehr stark dafür, und ich glaube auch, dass es auch um ein Grundprinzip in Europa geht. Natürlich müssen wir uns großen neuen Herausforderungen gemeinsam stellen, wir sollten aber immer gut beraten sein, uns auch deutlich zu machen, dass die Stärke Europas in der Vielfalt liegt, dass alleine zentrale Lösungen uns in der Vergangenheit eigentlich eher in Schwierigkeiten gebracht haben.

    Und deshalb sauber abstufen, die örtlichen Aufgaben auf der örtlichen Ebene lassen, die nationalen Institutionen nicht quasi wegzunehmen, sondern zu stärken. Und die besonders schwierigen, die hochkomplexen Fragen, damit hat die Sparkasse, damit hat die Volks- und Raiffeisenbank um die Ecke eigentlich weniger zu tun, die müssen wir dann an einer Stelle in Europa für die wirklich schwierigen Elemente und Institutionen auch gemeinsam stemmen.

    Zurheide: Haben Sie die Sorge, dass die Brüsseler Ebene, die europäische Ebene das möglicherweise auch nutzt, einen weiteren Angriff auf das deutsche System zu starten, was eben neben den Privatbanken noch die Sparkassen und die Volks- und Raiffeisenbanken sieht, diese dreigliedrige System, wo ja viele sagen, das hat uns gut durch die Krise gebracht? Also in Brüssel hat man mindestens Zweifel, ob man das immer so verstanden hat, oder?

    Fahrenschon: Also wir geben uns viel Mühe, auch in Brüssel und gerade in Brüssel die Stärke unseres unterschiedlichen Ansatzes auch herauszuarbeiten. Im Kern muss man sagen, ja, die drei unterschiedlichen Herangehensweisen in der Kreditversorgung für die Privatpersonen und für die Unternehmen in Deutschland, das ist eine der zentralen Stärken der deutschen Volkswirtschaft.

    Wenn heute alle fragen, wie hat Deutschland das gemacht, dann ist die Dezentralität unserer Wirtschaft, die Familienbetriebe, aber eben auch die dezentrale Kreditwirtschaft ein echter Pluspunkt gewesen. Noch hat das nicht jeder in Europa verstanden, noch will nicht ganz Europa das kopieren, wir sind da aber guter Dinge. Und eins ist klar: Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, damit mit der Entscheidung und dem weiteren Fortschreiten dieser Diskussion eben gerade nicht der Weg eingeschlagen wird in die Vergemeinschaftung von Einlagensicherungseinrichtungen und -mitteln.

    Wissen Sie, auch eine verpflichtende Kreditvergabe, die da momentan debattiert wird, wenn ich verpflichtend einen Kredit geben muss an eine Institution oder an eine Bank, deren Lebensfähigkeit nicht gesichert ist, dann hat es dasselbe Ergebnis: Das Geld ist weg. Und das gilt es zu verhindern.

    Zurheide: Bleibt die Bundeskanzlerin da hart, denn dann am Ende könnte es ja heißen, wir schaffen es eben doch nicht in den 90 Tagen, wenn diese Differenzen nicht ausgeräumt werden? Sie muss ja hart bleiben, sonst ist ihre Position weg.

    Fahrenschon: Also die Bundeskanzlerin hatte in der Vergangenheit immer sehr klar und deutlich gemacht, dass sie nicht bereit ist, diesen Weg mitzugehen. Sie hat es jetzt am Donnerstag, glaube ich, zu Recht geschafft, dass man endlich auch mal wirklich Realität in diesen Prozess eingebracht hat. Deshalb ist es zu begrüßen, dass bis Ende des Jahres die rechtlichen Rahmenbedingungen gelegt sind. In 90 Tagen eine Mammutbehörde ins Werk zu setzen, wissen Sie, das ist ja eine Frage, wo die Fachlichkeiten geklärt sein müssen, die Organisation muss geklärt sein – wie will man denn die Mitarbeiter bis hin zur Arbeitsweise das alles in weniger als drei Monaten organisieren.

    An der Stelle ist sie zu beglückwünschen, und wenn sie diesen Kurs so weitersetzt und wenn sie es auch schafft, an dieser Stelle wirklich weiter sich mit den Problemen zu beschäftigen und nicht übergesetzte und überlaufende und falsche Riesenkonzeptionen zu entwickeln, dann bin ich auch guter Dinge, dass sie auch an der Stelle es schafft, dass wir eine Aufsicht erhalten, die sich wirklich um die Probleme, um die großen international tätigen Institute kümmert, die die Risiken auf sich ziehen, die wirklich Gefahr laufen, ganze Volkswirtschaften mit in den Abgrund zu reißen, und die die kleinen Regionalbanken, die örtlich verankert sind, die einfach nur ihrer Aufgabe nachkommen, die eine dienende Funktion angenommen haben, dass wir die außen vor lassen.

    Zurheide: Es gibt noch viel Arbeit bei der Bankenaufsicht, und das alles muss in 90 Tagen geschafft werden. Dass das schwierig wird, hat uns gerade Georg Fahrenschon geschildert. Herr Fahrenschon, ich bedanke mich für das Gespräch!

    Fahrenschon: Gerne, ein schönes Wochenende!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.