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Sparkassenpleite in Spanien: Keiner will's gewesen sein

Arbeitsmarktreform, Schuldenbremse, Kürzungen - die neue konservative Regierung Spaniens hat eigentlich alles umgesetzt, was Brüssel verlangte. Dennoch steckt Spanien steckt tief in der Krise, auch wegen einer Pleiteserie seiner Sparkassen. Eigentlich sollte sie vor einen Untersuchungsausschuss, so wie der Fall der Lehmann-Brothers vor den US-Kongress kam.

Von Hans-Günter Kellner | 27.07.2012
    Das forderten alle Fraktionen im Parlament - mit Ausnahme der größten, der Volkspartei. Sie hat die absolute Mehrheit und stimmte dagegen. Lange Zeit sah es so aus, als sollte es dabei bleiben. Nachdem jedoch auch der Nationale Gerichtshof Strafanzeigen wegen der Pleiten mehrerer Sparkassen zugelassen hat, konnte sich die Volkspartei nicht mehr verweigern. Sie ließ zu, dass wenigstens einige Politiker und Bankenchefs vor dem Wirtschaftsausschuss des Parlaments aussagen. Gestern war es soweit und die Aufmerksamkeit enorm, sagte doch auch der ehemalige Wirtschaftsminister Rodrigo Rato aus.

    Die Erwartungen waren groß vor der Sitzung des Wirtschaftsausschusses des spanischen Parlaments. Die ehemaligen Chefs der drei wichtigsten Sparkassen sollten erklären, warum ihre Institute aus Kapitalmangel verstaatlicht werden mussten. Doch über ihre eigene Verantwortung wollten die Manager nicht reden. So sagte der Präsident der galicischen Sparkasse Novacaixagalicia Julio Fernández Gayoso gleich zu Beginn seiner Stellungnahme:

    "Ich habe keine einzige persönliche Entscheidung getroffen. Ich war vom Aufsichtsrat für eigene Entscheidungen gar nicht autorisiert. Ein institutioneller Präsident hat solche Kompetenzen gar nicht."

    Besonders groß war jedoch die Aufmerksamkeit beim Auftritt von Rodrigo Rato. Er galt lange Zeit als der Architekt des wirtschaftlichen Erfolgs Spaniens nach dem Wahlsieg von José Maria Aznar von 1996, war in zwei Legislaturperioden Wirtschaftsminister und später auch Chef des Internationalen Währungsfonds. 2010 wurde er Chef der Sparkasse Caja Madrid, die später mit sechs anderen Kassen zu Bankia fusionierte. Im Mai trat er zurück, seine Nachfolger gaben einen Finanzierungsbedarf von insgesamt 24 Milliarden Euro bekannt. Rato versuchte zu erklären:

    "Am 2. Juni 2010 bestellte mich der Chef der Bankenaufsicht in sein Büro. Er kannte die Situation in den Sparkassen sehr gut. Er bat uns, dass Bancaja zur Fusion dazugehören solle, und forderte uns auf, sofort darüber zu verhandeln. Das bedeutete, dass wir nach der Fusion deutlich größer wären, wir wurden damit zu einer der größten spanischen Banken."

    Caja Madrid war damals schon in Verhandlungen für eine Fusion mit fünf weiteren kleineren Sparkassen. Bancaja war hingegen die große Sparkasse in der Region Valencia und hatte ähnlich wie Caja Madrid besonders viele riskante Immobilienkredite in den Büchern. Damit wurde die aus dieser Fusion hervorgegangene neue Bank besonders krisenanfällig. Zumal die Regierung die Anforderungen an Kapital und Rückstellungen immer weiter nach oben schraubte. Damit wollte sie die Banken eigentlich gegen Verluste durch Kreditausfälle absichern:

    "Diese Reformen von 2011 und 2012 bedeuteten für unsere Bank insgesamt 10,5 Milliarden Euro. Warum so harte Anforderungen? Weil sich die wirtschaftliche Lage weiterhin verschlechtert hat. Das hatte auch Auswirkungen auf die Bilanzen der Institute. Das hat nichts mit unserem Management der letzten beiden Jahre zu tun."

    Zumal Wertberichtigungen von Aktienvermögen, das also mit deutlich niedrigeren Beträgen in den Büchern geführt werden musste als zuvor, die Bilanz immer weiter verschlechterten. Er meinte aber auch, dass es nicht so weit hätte kommen müssen. Sein Rettungsplan habe eine Finanzspritze von sechs Milliarden Euro am Jahresende vorgesehen, vier Mal weniger als der aktuelle Rettungsplan. Doch die Regierung traute dem alten Parteifreund nicht mehr.

    "Ich habe ein ruhiges Gewissen, ich habe gut gearbeitet, in einer wirklich komplizierten Situation. Sie werden sich vielleicht fragen, warum ich dann zurückgetreten bin. Als ich unseren Sanierungsplan vorgelegt habe, habe ich gesehen, dass die Autoritäten mit meinen Plänen nicht einverstanden sind, wie das Institut weiter mit Kapital versorgt werden kann. Darum bin ich zurückgetreten."

    Die Regierung habe Rato fallen lassen, schreibt darum die spanische Presse. Seit den dreißiger Jahren habe Spanien keine fünf Jahre lange Rezession mehr erlebt, wies Rato immer wieder auf eine schwierige und unvorhersehbare konjunkturelle Situation Spaniens hin. Kein Wort verlor er hingegen über Fehler im Management, etwa über die massive Vergabe von Hypothekenkrediten vor der Krise, also noch vor seiner Amtszeit im Vorstand.

    Das irritierte nicht nur manchen Abgeordneten im Parlament. Auf dem zentralen Madrider Platz Puerta del Sol diskutierte die letzten beiden Tage auch die Protestbewegung der Empörten über die Banken. Zum Auftritt der Sparkassen-Chefs im Parlament sagte dieser junge Mann:

    "Natürlich musste man mit dieser Krise rechnen. Wir sind in eine Spirale geraten, in der die Zerstörung sozialer Standards zu weniger Staatseinnahmen führt, worauf die sozialen Rechte noch mehr ausgehöhlt werden, während gleichzeitig die Schulden immer weiter steigen. Wer behauptet, damit habe man nicht rechnen können zeigt nur, dass er ein echter Nichtsnutz ist. Es gab Ökonomen, die uns vor 2007 davor gewarnt haben, dass wir vor dem Absturz stehen. Und sie hatten recht."