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SPD-Außenpolitiker fordert klare Position gegenüber Putin

Wer für die SPD spricht, sollte eine klare menschenrechtsfreundliche Haltung gegenüber Russland einnehmen, findet der SPD-Politiker Gert Weisskirchen. Er kritisiert, seine Partei wähle häufig eine Sprache, die "nicht auf den Punkt genau orientiert" sei.

Gert Weisskirchen im Gespräch mit Christine Heuer | 27.03.2013
    Christine Heuer: Russland ein Polizeistaat, so sieht es Irina Sherbakova von der Menschenrechtsorganisation Memorial. Wir wollen die russischen Durchsuchungen in Büros auch deutscher politischer Stiftungen in Moskau und anderswo in Russland jetzt besprechen mit Gert Weisskirchen, dem langjährigen SPD-Außenpolitiker. Guten Tag, Herr Weisskirchen.

    Gert Weisskirchen: Guten Tag, Frau Heuer.

    Heuer: Sie haben es gerade gehört. Sie haben mitgehört das Gespräch, das ich mit Frau Sherbakova geführt habe. Sie fordert einen ganz offenen Protest Deutschlands gegen die Vorkommnisse in Russland und sie sagt, die Zeit der stillen Diplomatie sei vorbei. Wie sollte Deutschland auf die Durchsuchungen in Russland reagieren?

    Weisskirchen: So wie wir früher eigentlich auch immer reagiert haben, wenn unsere Partner, in diesem Fall Memorial – und von mir aus möchte ich gerne meine Solidarität gegenüber Irina aussprechen -, angegriffen werden. Dann gibt es bei uns nur eines: Dann gibt es bei uns nur eine klare Haltung dem gegenüber, und das ist zwingend nötig.

    Heuer: Der Kanzlerkandidat der SPD, Peer Steinbrück, ist ja auch immer für klare Haltungen. Jetzt empfiehlt er aber Verständnis und Zurückhaltung. Ist das ein guter Umgang mit dem Thema?

    Weisskirchen: Ich meine, dass man natürlich sich anschauen muss, wie die unterschiedlichen Stiftungen auch unterschiedlich jetzt gegenwärtig behandelt werden. Da kann man, wenn ich das richtig deute, erkennen, dass die Ebert-Stiftung etwas zurückhaltender von den staatlichen Behörden angegangen wird. Aber sie wird auch angegangen.

    Heuer: Wie kommt das?

    Weisskirchen: Das kann ich mir im Moment nicht erklären. Sie wissen aber vielleicht, dass die Ebert-Stiftung bereits seit 1989 in Russland arbeiten darf. Und dieses "darf" heißt natürlich auch, dass man sich den rechtlichen Regeln, den gesetzlichen Vorschriften, die in diesem Lande gelten, dem gegenüber sich zu verhalten hat. Allerdings meine ich, dass dabei Grenzen nicht überschritten werden dürfen. Und wenn ich das richtig sehe, dann hat der putinsche Apparat aufgrund dessen, was Putin selber ja gegenüber den Generälen angesprochen hat, das jetzt zum Anlass genommen, gegenüber unterschiedlichen Nicht-Regierungsorganisationen mit voller Härte des Gesetzes zu agieren. Das kann nicht hingenommen werden.

    Heuer: Also die Schraube wird fester gezogen. Ich komme noch mal zurück auf Peer Steinbrück. Der hat gesagt, Menschenrechtsverletzungen dürften nicht auf dem Marktplatz erörtert werden. Man müsse die russischen Interessen berücksichtigen und westliche Maßstäbe pluraler Demokratie, die seien eben nun mal nicht unmittelbar auf Russland anwendbar. Was sagen Sie dazu, Herr Weisskirchen? Das ist Ihr Kanzlerkandidat.

    Weisskirchen: Nun, das ist auch eine Frage, die man an die Frau Kanzlerin richten muss, die gegenwärtig dazu, soweit mir bekannt ist, nichts gesagt hat.

    Heuer: Stimmt. Aber jetzt bleiben wir trotzdem noch mal bei Herrn Steinbrück.

    Weisskirchen: Unabhängig davon meine ich, dass man gegenüber dieser Form des staatlichen Auftritts gegenüber Nicht-Regierungsorganisationen eine klare Position beziehen muss und nicht weich spülen darf. Natürlich hat Deutschland Interessen gegenüber Russland, aber diese Interessen müssen so gewahrt werden, dass die Entwicklung zur Demokratie in Russland gefördert werden soll. Dafür sind die Stiftungen schließlich da.

    Heuer: Soll Peer Steinbrück zurücknehmen, was er gesagt hat?

    Weisskirchen: Also das ist eine Frage, die Sie Herrn Steinbrück selber stellen sollten. Ich würde mir wünschen, dass unabhängig davon, wer als Kanzlerkandidat der CDU oder der SPD agiert, dieser in Menschenrechtsfragen eine klare und überzeugende Haltung einnimmt.

    Heuer: Kleiner Nachtrag: Immerhin hat die Bundesregierung reagiert und den Gesandten Russlands einbestellt. Das hat der Bundesaußenminister getan.

    Weisskirchen: Das hat er getan und das ist auch zu begrüßen. Aber die Kanzlerin noch nicht. Das kann sie ja nachholen, wenn Herr Putin in Hannover sein wird.

    Heuer: Genau, am 7. April ist es so weit. Herr Weisskirchen, ich habe noch ein paar mehr Zitate für Sie aus der SPD. Erhard Eppler, der alte Haudegen sozusagen der SPD, hat gesagt, Russlands Umgang mit den deutschen Stiftungen könnte ja auch eine Reaktion auf deutsche Überheblichkeit sein. Oder das bekannte Zitat von Gerhard Schröder, Putin sei ein lupenreiner Demokrat. Wieso tut sich gerade die SPD so schwer damit, Menschenrechte in Russland einzufordern?

    Weisskirchen: Die SPD tut sich meiner Meinung nach gar nicht schwer, sondern sie wählt manchmal eine Sprache, die nicht besonders auf den Punkt genau orientiert ist, und das würde ich mir wünschen. Erhard Eppler war immer jemand, der für Menschenrechte eingetreten ist. Und deswegen würde ich mir wünschen, dass jeder, der für die SPD spricht, an diesem Punkte eine klare menschenrechtsfreundliche Haltung einnimmt. Denn das ist genau das, worum es in Europa geht, und darum geht es auch jetzt in Russland: Demokratie zu fördern und Menschenrechte zu schützen, unabhängig davon, in welchem Land das geschieht.

    Heuer: Also diese Angelegenheit muss auf dem Marktplatz verhandelt werden?

    Weisskirchen: Auf welchem Marktplatz?

    Heuer: Auf dem Marktplatz, nicht in stiller Diplomatie.

    Weisskirchen: Auch in stiller Diplomatie und man kann die Methoden wählen, die am sichersten zum Ziele führen. Aber in diesem Falle meine ich, dass man gegenüber Wladimir Putin eine klare Position beziehen muss.

    Heuer: Gert Weisskirchen, SPD-Außenpolitiker. Ich danke Ihnen sehr für das Gespräch, Herr Weisskirchen.

    Weisskirchen: Ich habe zu danken.


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