Dienstag, 23. April 2024

Archiv


SPD-Chef Beck zuversichtlich über Einigung bei geplanter Gesundheitsreform

Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck hat sich optimistisch über eine Einigung bei der geplanten Gesundheitsreform geäußert. Die Koalitionsspitzen hätten positive Vorschläge zur Kostendämpfung vorgelegt. Beck plädierte für einen verbesserten Wettbewerb zwischen den gesetzlichen und den privaten Krankenkassen. Ferner sprach sich der rheinland-pfälzische Ministerpräsident dafür aus, teure therapeutische Verfahren genauer auf ihre Effizienz zu überprüfen.

Moderation: Silvia Engels | 19.06.2006
    Silvia Engels: Gestern tagte bis tief in die Nacht der Koalitionsausschuss von SPD und Union in Berlin. Auf der Agenda stand neben dem Thema Föderalismus die Gesundheitsreform. Gerade bei diesen strittigen Aspekten haben sich die Koalitionäre ja vorgenommen, vor der Sommerpause Eckpunkte zu vereinbaren. Doch Ergebnisse sind bislang nicht bekannt.

    Mit dabei in der gestrigen Runde war der SPD-Vorsitzende und rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck und er ist nun am Telefon. Guten Morgen Herr Beck!

    Kurt Beck: Schönen guten Morgen!

    Engels: Gibt es denn irgendetwas, was in der Gesundheitsreform nun bereits festgezurrt ist?

    Beck: Nein und das war auch nicht die Absicht. Wir sind auf dem Weg und wir sind auf einem guten Weg. Das ist mein Eindruck. Es gibt natürlich einige sehr unterschiedliche Beurteilungen und die gilt es aufzuarbeiten. Es wird jetzt von der Facharbeitsgruppe weiter untersucht, welche Wege man gehen kann. Die unterschiedlichen Positionen für die Finanzierung sind auf dem Tisch und wir haben vorher schon ganz gute Vorschläge zur Kostendämpfung und zur Eindämmung auch der Kostensteigerungen der Zukunft.

    Engels: Wie soll denn diese Kostendämpfung aussehen, denn da muss man ja eigentlich schon recht konkret bei dem Bestehenden angreifen können?

    Beck: Das ist richtig, wobei man immer die Zeitschienen betrachten muss, denn wir haben es ja zu tun mit einem System, das auf der einen Seite durch neue medizinische Errungenschaften, durch neue pharmazeutische Errungenschaften immer wieder Neues bringt und damit auch Kostenschübe. Auf der anderen Seite muss man gucken, wo kann man Effizienz erreichen. Ich glaube, dass es insbesondere hilfreich sein wird, dass wir durch beispielsweise ein Vier-Augen-Prinzip bei sehr teueren Verschreibungen in Zukunft dies sehr zielgenau machen können. Es geht darum, dass zwischen der ambulanten Versorgung und der stationären Versorgung bessere Abstimmungen stattfinden. Also es sind eine Vielzahl von Maßnahmen und ich bin sicher sie werden auch greifen und sie werden einen Beitrag leisten.

    Engels: Vier-Augen-Prinzip heißt, dass Doppeluntersuchungen vermieden werden sollen, oder heißt das, dass jetzt ein schnellerer Austausch direkt zwischen Ärzten und Krankenkassen stattfinden soll?

    Beck: Das heißt zunächst mal an dieser Stelle, dass bei sehr teueren, sehr aufwendigen fachärztlichen Verfahren die Eignung des Verfahrens genauer festgestellt werden soll. Wir haben es dort mit Kosten pro Therapie zu tun, die wirklich oft gigantische Größenordnungen im Einzelfall haben und häufig eingesetzt werden, ohne dass sie dem Patienten helfen, sondern manchmal eher problematisch sein können. Also solche sehr pragmatischen, auf der anderen Seite aber sehr wirksamen Hilfen, die die Leistungen für die Patienten nicht einschränken. Die sind in einem breiten Maße untersucht worden und werden wohl auch in Kraft gesetzt werden.
    Dazu kommt, dass wir mehr Elemente auch des Wettbewerbs einbringen wollen, beispielsweise zwischen den Kassen, um auf Effizienz zu achten, aber auch dem Patienten so viele Wahlmöglichkeiten wie möglich geben, damit er die Chance hat, eben seinerseits an diesem Geschehen teilzuhaben und er sich das günstigste Angebot heraussuchen kann. Dann geht es um solche Fragen wie die Quantitäten der verschriebenen Medikamente bis hin zur Idee, dass wenn jemand eine ganz kurze, aber schwere Erkrankung hat, beispielsweise eine Grippe oder Ähnliches, dann die Medikamente auch bis zur Einzeltablette vergeben werden können, dass man stärker auf Wirkstoffe achtet und Ähnliches mehr.

    Engels: Sie haben unter anderem angesprochen den Wettbewerb zwischen den Kassen. Das gilt ja nun zum Teil zumindest für die gesetzlichen. Sollen auch die privaten Krankenkassen stärker miteinander in Wettbewerb treten?

    Beck: Dass die Sozialdemokratie dies für notwendig hält, will ich unterstreichen, aber da sind die Koalitionspartner noch dabei, einen Weg zu suchen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es möglich sein wird, das eine System völlig außen vor zu lassen. Ich glaube, dass man dort eine entsprechende Regelung suchen muss.

    Engels: Das heißt die Privaten werden in irgendeiner Form mit in diesen Gesundheitsfonds oder wie immer es aussieht einzahlen?

    Beck: Sehen Sie, zwischen den gesetzlichen Kassen ist es selbstverständlich, dass es einen Ausgleich für besondere Risiken, insbesondere für das Morbiditätsrisiko, also für die Gefährdung, krank zu werden, gibt und mit einer zunehmend alternden Gesellschaft wird das immer bedeutender werden. Ich glaube, dass die teilweise besseren Risiken, die bei den privaten Kassen sind, eben von einer solchen fairen Ausgleichssituation nicht ausgenommen werden können, ohne dass - das wird ja immer so absolut gesetzt - irgendjemand daran denkt, die privaten Kassen zu zerschlagen oder ihnen die wirtschaftliche Grundlage zu nehmen.

    Engels: Das ist eine Forderung der SPD. Sie haben es angesprochen. Auf der anderen Seite fordert ja die CDU und auch die CSU, dass möglicherweise künftig nicht mehr ganz paritätisch finanziert wird. Das heißt die Unternehmen zahlen künftig nicht mehr so viel ein wie der Arbeitnehmer. Da könnte es sein, dass der Arbeitnehmerbeitrag sogar künftig kräftig ansteigt. Wird die SPD in dem Punkt nachgeben müssen?

    Beck: Nein. Ich glaube, dass wir insgesamt über die Finanzierung natürlich nachzudenken haben, aber dass es gut ist, wenn beide Seiten, die ja auch die Selbstverwaltung tragen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, auch ein Interesse in Zukunft behalten, dass Kostensteigerungen in ihrer Krankenkasse, für die sie verantwortlich zeichnen als Selbstverwalter, eben nicht hingenommen werden. Es müssen deshalb schon beide Seiten ein Interesse haben an gedämpften Kosten, aber man kann da Wege finden, die paritätisch, so weit wir jetzt noch paritätisch sind - die Arbeitnehmer zahlen ja eh schon 0,9 Prozent mehr...

    Engels: Und möglicherweise künftig 1,4 Prozent, wenn man Zeitungsmeldungen glaubt?

    Beck: Zeitungsmeldungen gibt es viele und das kann ich ausdrücklich nicht bestätigen. Insoweit werden wir das in der Balance halten und versuchen, das tendenziell auch im Rahmen zu halten, wobei es unterschiedliche Zeitschienen gibt, die man dabei bedenken muss. Es gibt ganz aktuelle Probleme und es gibt die, die einer langfristigen Strukturveränderung dann bedürfen.

    Engels: Herr Beck, ein zweites Thema gestern Abend war ja die Föderalismusreform und da meldet die "Süddeutsche Zeitung" heute, man habe sich bei einem wichtigen Streitpunkt geeinigt. Das ursprünglich geplante Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern soll bei der Wissenschaftsförderung nicht gelten. Das heißt Bund und Länder können im Hochschulbereich weiterhin gemeinsame Projekte fördern und finanzieren. Stimmt das, Herr Beck?

    Beck: Das ist eine Überlegung, die angestellt wird, die ich auch für gut und ganz wichtig halte. Wir konnten uns deshalb aber nicht einigen, weil gestern nicht eine formale Koalitionsrunde zusammensaß, sondern eine Arbeitsgruppe, die zwar spitzenbesetzt war, aber eine Arbeitsgruppe, die ausgelotet hat, was denn bewegbar ist im Sinne eines Austarierens der Interessen der Bundesseite und der Länderseite. Auch dort muss ich sagen sind interessante Vorschläge auf dem Tisch, die jetzt von Fachleuten noch mal - Verfassungen ändert man ja nicht durch Zuruf - auf textliche Probleme und so weiter abgeklopft werden. Aber wir kommen dort gut voran und ich bin zuversichtlicher geworden, dass man bei den berechtigten Interessen auf Seiten des Bundestages und den berechtigten Länderinteressen doch so viele Schnittmengen findet, dass die Reform gelingen wird.

    Engels: Das heißt die Einigung könnte so ähnlich aussehen, wie ich sie gerade skizziert habe?

    Beck: An dieser Stelle könnte das so sein und ich hoffe auch, dass es so kommen wird, aber es gibt noch kein Verhandlungsergebnis. Das muss man deutlich sagen. Ich hoffe, dass wir zum Zeitpunkt der gemeinsamen Beratungen der Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung am 22., also am Donnerstag, schon einen großen Schritt weiter sind.

    Engels: Der SPD-Vorsitzende und rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck. Ich bedanke mich für das Gespräch!

    Beck: Danke Ihnen!