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SPD-Gesundheitsexpertin: Zuerst sollen Kassen Rücklagen auffüllen

Gesundheitsminister Bahrs Vorschlag, aktuelle Krankenkassenüberschüsse an die Versicherten auszuzahlen, bezeichnet die SPD-Gesundheitsexpertin Bärbel Bas als "wahlkampftaktische Maßnahme". Die meisten Kassen könnten dieses auch gar nicht.

Bärbel Bas im Gespräch mit Gerd Breker | 14.02.2012
    Gerd Breker: Angesichts hoher Überschüsse im Gesundheitsfonds wird in der Regierung der schwarz-gelben Koalition offenbar eine Kürzung des Zuschusses von 14 Milliarden Euro erwogen. Wie die "Süddeutsche Zeitung" heute berichtet, denken die Experten im Finanzministerium zumindest über eine einmalige Kürzung um zwei Milliarden Euro nach. Für eine allgemeine Senkung der Krankenkassenbeiträge will die Bundesregierung die Milliardenreserve nicht verwenden, das hatte schon Gesundheitsminister Daniel Bahr klar gemacht. Bahr will, dass die Krankenkassen auf dem Wege der Rückerstattung die Beitragszahler beglücken.
    Am Telefon sind wir nun verbunden mit Bärbel Bas, Gesundheitsexpertin der SPD. Guten Tag, Frau Bas.

    Bärbel Bas: Guten Tag.

    Breker: Der Gesundheitsfonds produziert also Überschüsse. Was sagt uns das? Ist damit der Einheitsbetrag von 15,5 Prozent zu hoch?

    Bas: Das würde ich so nicht sagen, weil ich davon ausgehe, dass jetzt erst mal die Kassen die Rücklagen wieder auffüllen und das in diesem Jahr erst mal können aufgrund der guten Konjunkturlage, und dann jetzt sofort schon daran zu denken, den Beitragssatz zu senken, wäre, glaube ich, zu früh.

    Breker: Die Überschüsse, Frau Bas, sie sind da und die Begehrlichkeiten, wir haben es gehört, sie wachsen. Der Finanzminister will sein Geld zurück, von zwei Milliarden ist die Rede. Hat er recht?

    Bas: Er hat recht, weil es ist natürlich eine ganz gefährliche Diskussion, die wir jetzt gerade führen und die der Gesundheitsminister Bahr losgetreten hat. Denn was heißt das denn, wenn er seinen Steuerzuschuss zurücknimmt aus der Kasse? Dass letztendlich die Beitragszahler Steuersenkungen mitfinanzieren, und das halte ich nicht für richtig.

    Breker: Sie haben es angesprochen, Frau Bas. Der Gesundheitsminister will offenbar etwas für die Popularität seiner Partei, der FDP, tun, er will die Beitragszahler beglücken per Prämien. Ist das nicht sinnvoll?

    Bas: Ich finde, er zieht sich da aus seiner eigenen Verantwortung, die er hat. Wenn er das denn wollte, dass er sowohl für die Arbeitgeber und auch für die Arbeitnehmer den Beitrag senkt, dann müsste er den allgemeinen Beitragssatz senken, wenn er denn glaubt, dass so viel Geld im System ist.

    Breker: Aber wenn er sagt, das ist nicht dauerhaft, sondern diesmal wegen der guten Konjunktur ist es so, dann kann es ja auch über Prämien passieren.

    Bas: Ja, das machen ja auch Kassen, die das können. Aber die allermeisten - das Geld ist ja nicht gleichmäßig verteilt -, die allermeisten Kassen können das nicht, die sind froh, dass sie jetzt erst mal ihren Zusatzbeitrag, den sie vielleicht im letzten Jahr noch genommen haben, dieses Jahr nicht mehr nehmen müssen. Und jetzt direkt davon zu reden, vielleicht einen Spielraum zu haben, einmal im Jahr dann einmalig 25 Euro auszahlen zu können, damit aber zu riskieren, im nächsten Jahr dann wieder einen Zusatzbeitrag zu nehmen, ich glaube, das würde die Versicherten nur verunsichern und überhaupt das ganze System nicht mehr durchschaubar machen.

    Breker: Sie, Frau Bas, Sie unterstützen also die Krankenkassen, die hingehen und sagen, lasst uns lieber das Geld nehmen und Rücklagen für schlechtere Zeiten aufbauen?

    Bas: Ja, ich halte das für richtig, denn auch der Minister Bahr müsste wissen, welche Gesetze er im letzten Jahr beschlossen hat. Da ist das Versorgungsstrukturgesetz und da ist überhaupt noch nicht klar, wie die Kosten sich entwickeln werden. Er hat Prämien für Landärzte in diesem Gesetz ausgesprochen, von denen wir noch nicht wissen, wie sie im nächsten Jahr wirken, es geht um Apothekenrabatte und Arzneimittelrabatte, die möglicherweise im nächsten Jahr gesenkt werden sollen, sodass die Kassen weniger Geld haben. Das sind alles Beschlüsse, die er ja im letzten Jahr selbst per Gesetz eingebracht hat, auch dass wir eine Bedarfsplanung noch vor uns haben, wo es vielleicht auch dazu kommt, dass für bestimmte Arztgruppen, die uns fehlen in der Fläche, da auch noch investiert werden muss. Also jetzt davon zu sprechen, wir können Geld auszahlen, halte ich wirklich für eine wahlkampftaktische Maßnahme.

    Breker: Als der Gesundheitsfonds 2005 eingeführt wurde, Frau Bas, da war viel die Rede, wir hätten zu viele Krankenkassen hier in diesem Land. Wie hat sich das verändert bis heute? Haben wir immer noch zu viele?

    Bas: Wenn man sich die Entwicklung wirklich mal anguckt - wir waren ja mal, wenn man ganz weit zurückguckt, vor 20, 25 Jahren bei über 1000 Krankenkassen; heute sind es knapp 140. Und wenn man überlegt, ob das jetzt der Grund war, dass das ganze System günstiger geworden ist, oder je kleiner die Zahl wird, umso besser, das kann ich so nicht nachvollziehen. Letztendlich kommt es darauf an, dass die Versicherten Ansprechpartner vor Ort haben, dass wir auch einen Wettbewerb um Qualität und Versorgungsverträge noch haben. Also je weniger Kassen, umso größer ist auf der einen Seite ja auch die Marktmacht gegenüber Ärzten. Da muss man schon genau hingucken, ob das so sinnvoll ist.

    Breker: Wir haben es dieser Tage, Frau Bas, mit einer Forderung der Jungen Gruppe in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu tun. Diese sieht vor, dass Kinderlose künftig einen zusätzlichen Beitrag für die Stabilisierung der Pflege- und der Krankenversicherung aufbringen sollen. Eltern von einem Kind sollen dann nur die Hälfte zahlen, Eltern von zwei Kindern dann gar nichts mehr. Aber die, die keine Kinder haben, die sollen zahlen. Was halten Sie denn davon? Ist das Generationengerechtigkeit?

    Bas: Das halte ich nicht für generationengerecht, denn die Frage ist ja immer, warum jemand auch keine Kinder vielleicht auch bekommen kann. Es ist ja nicht nur so, dass viele Menschen sich auch gegen Kinder entscheiden, sondern viele können ja auch keine Kinder bekommen. Und das auch noch mal zusätzlich mit Beiträgen abzustrafen, halte ich für völlig irrsinnig. Wichtig ist eigentlich, dass wir unsere Sozialversicherungssysteme wirklich breit aufstellen, mit einer gesellschaftlich breiten Akzeptanz, und das eher in Richtung Bürgerversicherung, so wie wir es auch fordern, dass eben alle nach ihrer Möglichkeit, Einkommensmöglichkeit auch einzahlen, und dass wir Kapitalerträge mit hinzuziehen für die Verbeitragung. Das ist, glaube ich, gerechter, als jetzt Kinderlose zu bestrafen.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das die Gesundheitsexpertin der SPD, Bärbel Bas. Danke Ihnen für dieses Gespräch.

    Bas: Bitte!

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