Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


SPD-Landeschef Berlin: Wowereit wird Misstrauensantrag überstehen

SPD und CDU werden geschlossen den Misstrauensantrag gegen Klaus Wowereit ablehnen, ist sich der SPD-Politiker Jan Stöß sicher. Er unterstütze Wowereits Entscheidung, dass er Regierender Bürgermeister bleibe und seine Verantwortung wahrnehme.

Jan Stöß im Gespräch mit Christiane Kaess | 10.01.2013
    Christiane Kaess: Der Skandal um den Großflughafen Berlin-Brandenburg zieht weitere Kreise. Die Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus will heute einen Misstrauensantrag gegen den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit von der SPD einbringen. Nach 48 Stunden könnten die Parlamentarier dann Wowereit das Vertrauen entziehen. Das gilt zwar als unwahrscheinlich, denn die Koalition aus SPD und CDU stellt die Mehrheit im Abgeordnetenhaus und will Wowereit weiter unterstützen. Dennoch bleibt Klaus Wowereit mit dem Flughafen-Desaster angeschlagen. Am Telefon ist jetzt Jan Stöß, SPD-Landeschef in Berlin. Guten Morgen!

    Jan Stöß: Guten Morgen!

    Kaess: Herr Stöß, es geht um einen Skandal, bei dem Millionen von Steuergeldern zum Fenster rausgeschmissen werden. Müssen da nicht politische Konsequenzen gezogen werden, so wie die Opposition das fordert?

    Stöß: Wir haben uns auch nicht daran beteiligt, jetzt das Problem, das es da ja ohne Zweifel gibt, kleinzureden. Natürlich ist das eine ganz große Herausforderung, vor der die Flughafengesellschaft und auch die gesamte Berliner Politik und auch Brandenburg und der Bund steht. Wir stehen aber zu diesem Vorhaben und müssen nun eben gemeinsam auch die Kräfte bündeln, um es am Ende dann eben doch zum Erfolg zu führen.

    Kaess: Aber politische Verantwortung spielt hier offensichtlich keine Rolle?

    Stöß: Na ja, im Gegenteil. Klaus Wowereit hat sich ja nun entschieden, was ich sehr unterstütze, dass er die Verantwortung wahrnimmt, weiter als Regierender Bürgermeister, und ich finde auch die Entscheidung richtig, zu sagen, die politischen Entscheidungsträger gehen auch nicht aus dem Aufsichtsgremium heraus. Es ist ja so: Wir haben ja jetzt gerade in Berlin überall die Diskussion darum, dass wir sagen, wir wollen eine öffentliche Daseinsvorsorge, wir wollen eine öffentliche Verantwortung; dann müssen natürlich auch die Vertreter der Öffentlichkeit und der Politik in diesen Aufsichtsgremien sein. Trotzdem haben wir uns darauf verständigt, dass der Aufsichtsrat hier auch verstärkt werden soll jetzt um zusätzliche Experten. Also es ist ja nicht so, dass die Botschaft ist, es gibt ein "Weiter so", sondern wir werden uns ja jetzt in der Geschäftsführung und im Aufsichtsrat auch neu aufstellen.

    Kaess: Darauf können wir gleich noch ein bisschen näher eingehen. Die Opposition sieht das natürlich ganz anders. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, Ramona Pop, sagt, Wowereit ist nicht mehr tragbar, und der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses zum Flughafen, Martin Delius, sagt, er glaube Wowereit nicht mehr. Glaubwürdigkeit also verspielt?

    Stöß: Das sehe ich nicht so. Es ist ja vorhin schon angeklungen, dass die Opposition jetzt natürlich in so einer Situation ihre Rolle spielt. Das war vorherzusehen. Wir werden heute im Parlament auch eine klare Aussprache haben. Für mich ist wichtig, die SPD hat sich im geschäftsführenden Landesvorstand und in der Fraktion ganz klar dazu bekannt, Klaus Wowereit da den Rücken zu stärken, und übrigens auch unser Koalitionspartner.

    Kaess: Also Sie sind sich sicher, er wird die Abstimmung überstehen?

    Stöß: Da bin ich mir sehr sicher, bin ich sehr zuversichtlich, dass die Koalition da geschlossen stehen wird.

    Kaess: Aber Wowereit hatte den Großflughafen ja als Glanzstück seiner Regierungszeit dargestellt. Damit ist er doch gescheitert?

    Stöß: Na ja, vom Glanzstück wird natürlich jetzt in dieser Situation sicherlich niemand reden.

    Kaess: Aber in der Vergangenheit!

    Stöß: Wir haben ein gemeinsames großes Problem, das Vorhaben nun fertigzubekommen, die vielen Schwierigkeiten, die sich da jetzt weiterhin zeigen, zu bewältigen, und die Herausforderung, die sich jetzt stellt, zunächst einmal auch die Geschäftsführung neu aufzustellen, denn auch da ist ja die Entscheidung getroffen worden zu sagen, hier wird es auch einen Wechsel geben, insbesondere an der Spitze der Geschäftsführung.

    Kaess: Herr Stöß, hat Wowereit seiner Partei jemals den Rücktritt angeboten?

    Stöß: Nein. Klaus Wowereit hat zu keinem Zeitpunkt seinen Rücktritt angeboten und musste deswegen auch von niemandem davon abgehalten werden, sondern er hat entschieden, in der Verantwortung zu bleiben, und er hat dafür auch die geschlossene Rückendeckung.

    Kaess: Wowereit wirkt ja bei seinen Auftritten nach dem Desaster ganz entspannt, immer mit einem verschmitzten Lächeln. Nimmt er das Ganze nicht ernst?

    Stöß: Wir werden heute ja auch im Abgeordnetenhaus sehen, dass er diese Angelegenheit sehr ernst nimmt. Das ist überhaupt nicht mein Eindruck, dass er sich diesem Problem nicht auch jetzt wirklich mit voller Verve stellen würde.

    Kaess: Aber, Herr Stöß, nach mehrmaliger Verschiebung, hätte Wowereit denn das Ganze nicht längst zur Chefsache machen müssen?

    Stöß: Ich glaube, man kann dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit nicht vorwerfen, dass er das nicht als Chefsache betreiben würde. Das ist ja nun auch der Grund, …

    Kaess: Aber dann ist er doch umso mehr gescheitert!

    Stöß: …, warum dieses Projekt mit dieser Intensität mit ihm verbunden wird und das Problem auch etwas medial bei ihm abgeladen wird. Es ist ja nun auch nicht nur er, der da in der Verantwortung steht, aber er hat eben die Verantwortung da ganz besonders übernommen.

    Kaess: Sie sprechen von anderen. Der Bund hat ja schon lange die Ablösung des Chefs der Flughafengesellschaft, Rainer Schwarz, gefordert. Warum ist Wowereit denn darauf nicht früher eingegangen?

    Stöß: Es gab jetzt ja die gemeinsame Entscheidung, die auch von Berlin mitgetragen wurde, den Geschäftsführer Rainer Schwarz abzulösen.

    Kaess: Aber warum ist das nicht früher passiert, wenn der Bund sich das schon früher gewünscht hat?

    Stöß: Man kann auch jetzt nicht aufs erste Zurufen sagen, der Geschäftsführer muss ausgewechselt werden. Jetzt war die Situation, wo man wirklich sagen musste, es ist insbesondere ein kommunikatives Problem gewesen offensichtlich zwischen der Geschäftsführung und dem Aufsichtsrat, und ich glaube, jetzt war diese Entscheidung richtig und sie wird ja auch weit getragen.

    Kaess: Aber jetzt entsteht der Eindruck, dass Rainer Schwarz das Bauernopfer ist.

    Stöß: Der Geschäftsführer ist natürlich in der ersten Verpflichtung auch in der operativen Umsetzung, und da haben wir schon immer wieder darauf hingewiesen. Es ist eben so, dass es auch eine klare Aufgabenverteilung zwischen der Geschäftsführung und dem Aufsichtsrat gibt.

    Kaess: Und warum hat Wowereit dann verhindert, dass er früher entlassen wurde?

    Stöß: Es gab eine Diskussion darum, der Bund wollte sich schneller von Schwarz trennen. Man muss allerdings auch sagen, dass natürlich jetzt diese jüngsten Schwierigkeiten nicht unmittelbar auf Schwarz zurückgegangen sind. Ich glaube, jetzt ist die Stunde, dass man sagen muss, die Situation ist so einschneidend, dass man nun noch einmal den Eröffnungstermin verschieben müsste, dass es jetzt richtig ist, die Geschäftsführung neu aufzustellen.

    Kaess: Jetzt soll ja Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck neuer Aufsichtsratschef werden. Das haben Sie gerade schon angesprochen. Es gibt Widerstand gegen Platzeck in dieser Position. Ich zitiere mal eine Stimme aus dem Haushaltsausschuss des Bundestages, die stammt vom Vizeausschussvorsitzenden Frankenhauser von der CSU. Der sagt, dass eine Pfeife durch eine stellvertretende Pfeife im Aufsichtsrat ersetzt werden soll, erscheint in Anbetracht der prekären Lage wenig sinnvoll.

    Stöß: Ja ob das ein guter Stil ist und ein guter Ton ist, darüber kann man sicherlich unterschiedlicher Meinung sein. Es gibt eine breite Unterstützung dafür, dass Matthias Platzeck diese Aufgabe übernimmt, jedenfalls in Berlin, und ich sage es noch mal: Ich glaube, man macht sich was vor, wenn man sagt, die Politiker sind alles Pfeifen und sollen aus den Aufsichtsräten und aus den Verwaltungsräten raus. Das wird nicht funktionieren. Am Ende trägt die Politik ja die Verantwortung. Es ist richtig, dass man das auch mit Experten verstärkt, die da ein Fachwissen insbesondere in planerischer und in bautechnischer Hinsicht mitbringen, aber am Ende müssen diejenigen, die in der öffentlichen Verantwortung stehen, in den öffentlichen Unternehmen auch kontrollieren.

    Kaess: Herr Stöß, wie groß ist das Risiko, dass Wowereits schlechtes Image auf Bundesebene abstrahlt, wo die SPD ja mit ihrem Kanzlerkandidaten Steinbrück schon genügend Schadensbegrenzung leisten muss?

    Stöß: Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich schon die Unterstellung in der Frage nicht ganz teile. Ich glaube, dass das ein Problem ist, das wir jetzt hier in Berlin und Brandenburg und mit dem Bund gemeinsam lösen müssen, dass da jetzt einige strukturelle Entscheidungen anstehen und wir uns dann ansonsten im Bundestagswahlkampf auf die Themen konzentrieren müssen, die unser Kernanliegen sein müssen, nämlich die Fragen sozialer Gerechtigkeit.

    Kaess: …, sagt Jan Stöß, SPD-Landeschef in Berlin. Danke für das Gespräch!

    Stöß: Danke Ihnen.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.