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SPD-Politiker: Umschuldung Griechenlands unabdingbar

Einen Tag vor dem Sondergipfel der Euroländer zur Schuldenkrise fordert der SPD-Politiker Axel Schäfer eine Umschuldung Griechenlands, die "natürlich auch Konsequenzen für die Banken" habe. Eine Beteiligung der Sparkassen lehnt Schäfer ab, weil dies die Bürger "in ihrer Mehrheit belasten" würde.

Axel Schäfer im Gespräch mit Jasper Barenberg | 20.07.2011
    Jasper Barenberg: Die Dinge treiben zu lassen, nichts anderes werfen die sogenannten Wirtschaftsweisen der Bundesregierung im Umgang mit der griechischen Misere vor. Zum ersten Mal bezieht dieses wichtige Beratungsgremium gemeinsam Stellung. Der zentrale Vorwurf: Die Erwartung, Griechenland und die anderen wankenden Staaten im Euro-Verbund könnten ihre Schulden auf absehbare Zeit zurückzahlen, ist blauäugig. Dringend nötig sei ein Plan B. Am Telefon begrüße ich den europapolitischen Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag. Schönen guten Tag, Axel Schäfer.

    Axel Schäfer: Schönen guten Tag.

    Barenberg: Herr Schäfer, wie schätzen Sie die Haltung der Bundesregierung ein, einen Tag vor dem Gipfel?

    Schäfer: Das ist ja unser Problem. Wir haben Schwierigkeiten, die Haltung der Bundesregierung einzuschätzen, weil die Bundesregierung entweder keine Haltung bezieht, oder sich widerspricht. Und da wir das jetzt schon seit 15 Monaten erleben, ist die SPD in besonderer Sorge, dass die Bundesregierung nicht für Klarheit sorgt.

    Barenberg: Aber hat Angela Merkel, hat die Bundeskanzlerin nicht recht mit ihrer Warnung vor der Hoffnung sozusagen auf einen einzigen Befreiungsschnitt, auf einen einzigen Befreiungsschlag, und hat sie nicht auch recht mit ihrer Aussage, dass es nicht um spektakuläre Entscheidungen gehen kann, sondern um ein ganzes Maßnahmenbündel, das sich jetzt abzeichnet?

    Schäfer: Frau Merkel hat seit April 2010 mit fast nichts von dem, was sie gesagt hat, recht behalten. Deshalb verstehen Sie, dass die SPD jetzt sehr zurückhaltend ist im Hinblick auf das, was die Kanzlerin sagt. Aber um es noch mal deutlich zu machen: Wir haben jetzt 14 Monate die Erfahrung, dass im Deutschen Bundestag die SPD gefordert hat, dass wir um eine Umschuldung nicht herumkommen, das ist weitestgehend von Schwarz-Gelb ignoriert worden, und wir haben jetzt die Situation, dass wir auf keinen Fall mehr 14 Monate, auch nicht mehr 14 Wochen, wahrscheinlich nicht mal mehr 14 Tage Zeit haben für klare Entscheidungen. Und klare Entscheidungen beinhalten immer zweierlei, nämlich das Was und das Wie. Das Was wird sein eine Mischung, das ist richtig, aus einerseits Umschuldung aus einer limitierten Gemeinschaftshaftung, also Euro-Bonds, und natürlich auch einer Finanztransaktionssteuer. Das Wie ist, dass die 17 Staats- und Regierungschefs oder am besten alle 27 sich eben hinstellen müssen und sagen, wir sind der größte Wirtschaftsraum der Welt, wir haben eine stabile Währung seit elf Jahren, die sogar stabiler ist als die D-Mark, wir sind entschlossen, gemeinsam zu handeln, wir lassen uns nicht auseinanderdividieren, wir lassen niemanden fallen und wir werden uns auch von Spekulanten oder auch von Ratingagenturen nicht beeindrucken lassen. Dieses klare überzeugende Signal fehlt, und solange es dieses klare und überzeugende Signal nicht gibt, denken sich in Anführungsstrichen die Märkte, man könne entweder spekulieren, oder ein Land gegen das andere ausspielen.

    Barenberg: Aber haben das die verantwortlichen Politiker, hat das nicht auch die Bundeskanzlerin ein ums andere Mal wiederholt öffentlich gesagt, dass man alles tun wird, um Griechenland aus den Problemen zu helfen, und dass man alles tun wird, um den Euro als Gemeinschaftswährung zu schützen? Dieses klare Signal ist doch ein ums andere Mal gekommen.

    Schäfer: Dieses Signal ist jetzt zum Teil in den letzten Wochen gekommen. Wenn Sie mal vergleichen, was im April, Mai 2010 von der Bundeskanzlerin gesagt worden ist, dass man Griechenland überhaupt nicht helfen soll, dass es nur kurzfristig und nicht langfristig, dass es erst begrenzt und dann dauerhaft gehen soll, das war ein ständiges Verändern von eigenen Positionen, und das hat natürlich auch zur Verunsicherung geführt. Und wir brauchen tatsächlich jetzt etwas anderes als das, was Frau Merkel ja gestern noch gesagt hat, es wird keine schnelle Lösung geben, sondern wir brauchen tatsächlich den Willen, dass man zur gemeinschaftlichen Entscheidung schnell kommt, und es geht tatsächlich auch nur, wenn jetzt schnell entschieden wird.

    Barenberg: Heute Abend werden Angela Merkel und Nikolas Sarkozy Vorbereitungen treffen für den Gipfel morgen. Wie entscheidend ist dieses Treffen für den Erfolg oder Misserfolg des Gipfels?

    Schäfer: Es ist sicherlich vorentscheidend. Es gibt keine zentralen Fragen in Europa, die gegen oder ohne Deutschland und Frankreich gelöst werden. Aber das deutsch-französische Verhältnis in der Regierung - nicht zwischen den Ländern, in der Regierung - ist leider Teil eines Problems. Wir hatten zuletzt bei Chirac und Schröder, davor bei Mitterrand und Kohl, oder noch weiter zurück Giscard und Schmidt bis Pompidou und Brandt oder de Gaulle und Adenauer immer die Situation, dass sich die Verantwortlichen an der Spitze der Regierung oder des Staates in beiden Ländern auch schnell verständigen konnten, auch in der Lage waren, mutige Vorschläge für Europa gemeinsam zu machen. Das können die beiden nicht und das Fatale an der Situation, es ist halt eben nicht nur eine Krise in der europäischen Führung, es ist eine Krise der europäischen Christdemokraten und Konservativen, die fast alle Regierungen, nämlich 24, dieses Kontinents stellen, aber nicht in der Lage sind, sich politisch zu einigen.

    Barenberg: Sehen Sie denn Anzeichen dafür, Indizien, dass Paris und Berlin, dass Frankreich und Deutschland an einem Strang ziehen werden?

    Schäfer: Ich glaube, nach dem Angebot der SPD in dieser Woche, zu sagen, wir kommen gemeinsam voran, wir unterstützen die Regierung, wenn sie diese Schritte, die ich eben benannt habe, auch geht, oder wenn wir zu Kompromissen finden, und dem, was heute die fünf Weisen gesagt haben und was ja fast deckungsgleich mit den SPD-Vorschlägen ist, dass das natürlich die Regierung schon in eine Situation bringt, wo sie sagen kann, sowohl viele Fachleute als auch die wichtigste Oppositionspartei würden gemeinsame Lösungen unterstützen, was natürlich auch den Vorteil hat, man kann in der Öffentlichkeit Probleme, auch unangenehme Entscheidungen eben besser vermitteln, als wenn das nur konfrontativ ginge.

    Barenberg: Die Beteiligung der privaten Banken und Versicherungen ist eine Sache, die, man hört es jedenfalls so, in Paris und in Berlin gleichermaßen gefordert wird. Sind Sie da an der Seite der beiden?

    Schäfer: Also das Entscheidende ist heute, dass die Umschuldung kommt, die natürlich auch Konsequenzen für die Banken hat. Aber wir müssen auf der anderen Seite auch die Refinanzierungsfähigkeit gerade der griechischen Banken damit sicherstellen. Ich bin nicht dafür, auf diese Weise, wie die Bundesregierung das vorschlägt, Banken zu beteiligen. Das heißt nämlich, wir müssen es erstens gegen die Banken machen, und zweitens, wir würden Sparkassen und andere einbeziehen, und das würde eben die Bürgerinnen und Bürger in ihrer Mehrheit belasten.

    Barenberg: Der Fraktionsvize der SPD im Bundestag, Axel Schäfer. Er ist auch der europapolitische Sprecher seiner Fraktion. Herr Schäfer, danke für das Gespräch.

    Schäfer: Ich danke Ihnen nach Köln.

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