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SPD-Politikerin mahnt Zurückhaltung der EU im Fall Ponta an

Es sei vermessen, im Fall Rumänien von einem Staatsstreich zu sprechen, sagt die Vorsitzende der deutsch-rumänischen Parlamentariergruppe, Susanne Kastner. Premier Ponta habe Änderungen von Staatspräsident Basescu an der Verfassung rückgängig gemacht - die EU sollte Sanktionen zurückstellen.

12.07.2012
    Martin Zagatta: In Rumänien läuft ein Amtsenthebungsverfahren gegen den konservativen Präsidenten Basescu – ein Verfahren, in dem viele einen Staatsstreich des höchst umstrittenen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Victor Ponta sehen. Ponta wird sich wohl heftige Kritik anhören müssen, wohl auch Drohungen mit Sanktionen, wenn er am Nachmittag bei seinem Besuch in Brüssel jetzt auch noch EU-Ratspräsident van Rompuy und Kommissionspräsident Barroso trifft, denn die Empörung ist groß.
    Verbunden sind wir jetzt mit Susanne Kastner, SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der Deutsch-Rumänischen Parlamentariergruppe. Guten Tag, Frau Kastner.

    Susanne Kastner: Guten Tag.

    Zagatta: Frau Kastner, Sie kennen sich ja sehr gut aus in Rumänien. Was ist mit diesem Victor Ponta? Ist das ein lupenreiner Demokrat?

    Kastner: Also die Verfassungsmäßigkeit von Victor Ponta hat er ja insofern unter Beweis gestellt, dass er gesagt hat, er wird alle Vorgaben, die das Verfassungsgericht macht im Hinblick auf die Amtsenthebung von Basescu, einhalten.

    Zagatta: Dann könnte er seine Politik aber völlig rückgängig machen?

    Kastner: Nein! – Nein! – Warum?

    Zagatta: ... , weil er laut Justizkommissarin Reding Druck auf die Justiz ausübt, er hat die Befugnisse des Verfassungsgerichts eingeschränkt, er hat eilig veränderte Gesetze gemacht, um den Sturz des Präsidenten zu erleichtern. Wenn er das alles rückgängig machen will, dann wäre das eine 180-Grad-Wende?

    Kastner: Also Notverordnungen, Eilverordnungen sind in Rumänien seit Jahren an der Tagesordnung. Das war auch unter Boc so, das war also auch quasi unter Basescu so, das Parlament wurde damals entmündigt. Obwohl es eine in der Verfassung verankerte repräsentative Parteiendemokratie gibt, hat der Präsident damals eigentlich diese Verfassung geändert im Hinblick auf eine direkte Demokratie per Volksentscheid, und dann hat er noch gesagt, bei den Referenten soll so lange abgestimmt werden können, bis das gewünschte Ergebnis erzielt wird. Jetzt wird dieses rückgängig gemacht von Ponta, dann heißt es, Ponta ist nicht rechtsstaatlich. Also ich verstehe die Welt nicht ganz, sie ist ein bisschen verdreht, die Welt. Und ich denke, die Christdemokraten im Europaparlament tun gut daran, jetzt eine grundsolide Untersuchung in Rumänien voranzutreiben, und ich hoffe und glaube kaum, dass Ponta und die Sozialdemokraten und die Liberalen sich dagegen sperren.

    Zagatta: Dann müsste er jetzt aber seinen Kurs oder diese Zusagen einhalten, die er relativ verbindlich freundlich in Brüssel gemacht hat. Was sagen Sie denn zu der Kritik, dass der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, der Ponta gestern empfangen hat, für seinen Freund – das hat er ausdrücklich betont – für seine Verhältnisse nicht sonderlich deutliche Worte gefunden hat, dass er von offenen Worten mit einem Freund gesprochen hat? Wie erklären Sie sich denn diese Zurückhaltung von Schulz? Ist das nicht auch irgendwie peinlich?

    Kastner: Nein, das finde ich nicht peinlich. Ich finde, die Europäische Union sollte, bevor sie Drohungen ausstößt, auch die EU-Kommissarin, die Justizkommissarin, die sollten jetzt die Untersuchung in Rumänien einleiten, sie sollten schauen, wo der Rechtsstaat verletzt worden ist. Ich glaube, da bleiben nicht sehr viele Punkte übrig von der Kritik. Und von einem Staatsstreich zu sprechen, halte ich schon für sehr vermessen.

    Zagatta: Und Bürgerrechtler, die genau das sagen in Rumänien, die sich da jetzt bitter beklagen über diesen Präsidenten, die sind dann nicht ernst zu nehmen?

    Kastner: Die beklagen sich nicht über den Präsidenten, die beklagen sich über Ponta.

    Zagatta: Natürlich! – Entschuldigung, über den Regierungschef, über Ponta natürlich.

    Kastner: Nur der Form halber. – Man muss sich natürlich angucken, wo diese Bürgerrechtler stehen und welche Vergangenheit sie auch haben. Es gibt ja andere Bürgerrechtler, die anders sprechen von Rumänien. Ich habe zum Beispiel Politologen, die sich in Deutschland sehr intensiv mit Rumänien befasst haben, die mir dezidiert erzählt haben, wo Basescu die Verfassung geändert hat, und da hat sich damals niemand aufgeregt.

    Zagatta: Frau Kastner, liegt Ihr Handy vielleicht noch nah am Telefon? Wir haben da so ein bisschen Störgeräusche im Hintergrund.

    Kastner: Mich hat gerade ein Rumäne angerufen, das stimmt.

    Zagatta: Aus Rumänien wurden Sie angerufen?

    Kastner: Ja.

    Zagatta: Da wollte man Ihnen wahrscheinlich Beifall spenden für diese Äußerungen?

    Kastner: Gut.

    Zagatta: Sagen Sie, misst da Ihre Partei, wenn man das Vorgehen jetzt mit Ungarn vergleicht, misst man da nicht derartig mit zweierlei Maß? Ich erinnere mich da noch an höchst kritische Töne gegenüber Ungarn, auch in dieser Vorphase eigentlich, bevor dort die richtigen Prüfungen angefangen haben.

    Kastner: Ja, aber in Ungarn war doch, wenn ich mich recht erinnere, die Situation, dass Orban das Pressegesetz auch geändert hat, und die Pressefreiheit ist ein hohes Gut und diese Pressefreiheit haben die Sozialdemokraten verteidigt und deshalb kam diese harsche Kritik zustande.

    Zagatta: Pressefreiheit ist aber auch ein Thema? Das wird ja jetzt Ponta auch vorgeworfen, dass er auch dort die Presse einschüchtert.

    Kastner: Inwiefern? Mich hat jetzt die rumänische Presse angerufen; ich habe nicht den Eindruck, dass die rumänische Presse eingeschüchtert wird. Ich weiß nicht, wer diese Behauptung auf die Tagesordnung gebracht hat.

    Zagatta: Das frage ich Sie, weil Sie sich dort ja besonders gut auskennen. Ich habe hier nur gelesen, das ist einer der Vorwürfe. Ich habe gelesen, als ich mich da jetzt ein bisschen vorbereitet habe oder mich schlau machen wollte über Rumänien, dass Ponta mit Hilfe geschmierter parlamentarischer Überläufer an die Macht gekommen ist, dass er sich seinen Doktortitel erschlichen haben soll. Ich meine, das gibt es hier in Deutschland auch, aber es klingt ja nicht besonders vertrauenswürdig, was man da so liest über ihn.

    Kastner: Ja, das ist richtig, dass er eine Plagiatsaffäre hat, Plaga im Übrigen jetzt angeblich auch – ich weiß nicht, wie das jetzt zustande kommt. Das muss aufgeklärt werden, das ist keine Frage. Geschmierte Überläufer? – Ich weiß nicht, ob Frunzaverde, der ja ein anerkannter Kreisratspräsident und Parlamentarier ist, ob der ein geschmierter Überläufer ist. Er hat gesagt, ich kann es in der PDL nicht mehr aushalten, und ist zur PNL rübergegangen, also zu den Liberalen. Ich weiß nicht, ob er Geld dafür erhalten hat und mit ihm 25. Ich weiß gar nicht, wie Ponta das alles bezahlen soll. Wenn so viele Leute von der PDL, also von den Christdemokraten, rübergehen in andere Parteien, dann hat das sicher auch noch andere Gründe und ist nicht allein mit Geld zu erreichen.

    Zagatta: Frau Kastner, wie sollte die EU jetzt vorgehen? Die EU-Kommission, so hört man, will ja am Nachmittag auch mit Sanktionen jetzt gegen Rumänien drohen. Ist das der richtige Weg? Sie klingen da ja eher zurückhaltender.

    Kastner: Ich würde sagen, sie sollten die Sanktionen erst einmal zurückstellen und sollten eine Untersuchung machen, wo ist die Verfassung gebrochen worden, wo ist sie wieder auf den alten Stand zurückgesetzt worden, vor Basescu, denn das ist ja auch ein Punkt, der nirgendwo untersucht worden ist; und wo ist die Pressefreiheit eingeschränkt worden, und wenn sie da ordentliche Ergebnisse haben, dann kann man noch über Sanktionen nachdenken. Aber ich glaube, da werden nicht sehr viele ordentliche Ergebnisse ans Tageslicht kommen.

    Zagatta: Ist da die Justizkommissarin Reding vorschnell, wenn die jetzt schon klare Aussagen trifft und sagt, sie sieht da Druck auf die Justiz, auf das Verfassungsgericht, und diese eilig veränderten Gesetze bemängelt, die laut ihr dort auf den Sturz des Präsidenten hinzielen?

    Kastner: Also ich glaube, dass die Regierung Ponta einen gravierenden Fehler begangen hat, und das ist der Fehler der Kommunikation. Sie haben eine ganz, ganz schlechte Kommunikation gehabt und dadurch kam es auch zum Eklat unter den Christdemokraten. Ich will der Justizkommissarin nicht nachsagen, dass sie das vorschnell gemacht hat, aber ich denke, mit Drohungen sollte man sich so lange zurückhalten, solange man kein fundamentales Ergebnis hat.

    Zagatta: Susanne Kastner, SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der deutsch-rumänischen Parlamentariergruppe im Bundestag. Frau Kastner, ganz herzlichen Dank für das Gespräch.

    Kastner: Ja bitte schön!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.