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SPD-Vorstandsklausur
Antworten im Windschatten

Die Sozialdemokraten haben sich an das Leben im Umfragetief gewöhnt und suchen nun auf ihrer Klausur in Nauen/Brandenburg nach Antworten auf die Flüchtlingskrise - und nach Abgrenzung vom Koalitionspartner. Parteichef Gabriel brachte zudem Erkenntnisse von seinem Treffen mit dem algerischen Regierungschef mit.

Von Stephan Detjen | 17.01.2016
    Man sieht ein rotes Backsteingebäude und ein Schild, auf dem steht: "SPD. Akkreditierung Presse."
    Der SPD-Vorstand tagt in Nauen in Brandenburg - hier die Akkreditierungsstelle für die Presse. (picture-alliance / dpa / Ralf Hirschberger)
    Die SPD ist schwierigere Stimmungslagen gewohnt. Zumindest was das innerparteiliche Klima angeht. "Das Grauen von Nauen", frotzelten Beobachter, als sich die Führungsspitze vor einem Jahr nach immer neuen Reibereien mit dem Vorsitzenden und geeint hauptsächlich im Schrecken über dauerhaft niedrige Umfragewerte im brandenburgischen Havelland traf.
    An das Leben im Umfragetief hat sich die Partei mittlerweile gewöhnt, und ihre Rechnungen mit dem Chef hat die SPD schon Ende letzten Jahres beim Parteitag in Berlin beglichen. Die Führungsklausur am Anfang des neuen Jahres liegt für die Sozialdemokraten auf politisch angenehme Weise im Windschatten der innerparteilichen Auseinandersetzungen, die die Union dieser Tage austrägt. Das Thema Flüchtlingspolitik indes dominiert auch das zweitägige Spitzentreffen der SPD
    "Für die SPD ist klar: wir brauchen eine Verringerung der Zuwanderungszahlen, weil wir im nächsten Jahr nicht noch einmal 1 Mio. Menschen gut integrieren können."
    Sagt Sigmar Gabriel – doch welche Antworten hat die SPD auf die Frage, die die Unionsparteien inzwischen offen spaltet?
    Der Merkel'sche Dreiklang
    "Erstens: Investitionen in die Herkunftsländer im Libanon, Jordanien und in der Türkei um die Lebensbedingungen zu verbessern. Zweitens müssen wir die Außengrenzen der EU schützen. Und drittens: wir wollen übergehen zur Übernahme großer Kontingente."
    Das ist der Merkel'sche Dreiklang. Von einer Schließung der Grenzen und der massenhaften Zurückweisung von Asylsuchenden ist bei der SPD keine Rede. Doch auch Gabriel mahnt:
    "Wir werden auf Dauer offene Grenzen in Europa nur erhalten können, wenn die Außengrenze geschützt wird."
    Der Zweifel an der Bereitschaft und Fähigkeit Europas sich auf gemeinsame Maßnahmen in der Migrationskrise zu verständigen, ist auch in der SPD Spitze unüberhörbar. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig klagt:
    "Es kann auf Dauer nicht gehen, dass Europa hier so versagt. Frankreich nimmt weniger Flüchtlinge auf, als Schleswig-Holstein. Das ist ein Treppenwitz und das ist in Europa nicht länger erträglich."
    "Wir reden im Augenblick fast nur über Strafrecht"
    Für Geschlossenheit sorgen in der SPD vor allem die Forderungen aus der Union nach weiteren Verschärfungen im Strafrecht und rigiden Abschiebemaßnahmen.
    "Wir reden im Augenblick fast nur über Strafrecht, über Abschiebung von Kriminellen. Die müssen sie abschieben, aber das hat mit dem Problem nichts zu tun. Das Problem: Im Letzten Jahr sind mehr als eine Million Menschen gekommen, und die allermeisten von ihnen mit Ansprüchen. Wenn die Zahlen so hochgerechnet werden, werden wir weit, weit mehr in diesem Jahr haben und die allerwenigsten von denen sind kriminell. Da sollten wir uns vielleicht mal den realen Problemen zu wenden und nicht nur über die wenigen reden, die kriminell sind."
    Sagt der schleswig-holsteinische Ministerpräsident. Katarina Barley, die sich als Bundestagsabgeordnete einen Ruf als kompetente Rechts- und Europapolitikerin erarbeitet hatte, gehört in Nauen erstmals als frisch gewählte Generalsekretärin der SPD Spitze an. Zum neuen Job gehören zugespitze Attacken auf den politischen Gegner, auch wenn er in der Regierung Partner ist:
    "Ehrlich gesagt: ich bin entsetzt. Und zwar sowohl als Politikerin, als auch als Juristin", sagt Barley zur Forderung der CSU, Ausländer, die wegen möglicher Straftaten beschuldigt werden, auch ohne gerichtliche Verurteilung abzuschieben.
    "Die schmeißen ihren Pass weg"
    Was die Durchsetzung vermehrter Abschiebungen angeht, trägt Parteichef Gabriel auch frische Eindrücke aus einer Begegnung mit dem algerischen Regierungschef bei:
    "Es war relativ schwierig, ihm gegenüber durchzusetzen, dass ein Land wie Algerien abgelehnte Asylbewerber – jetzt mal ganz völlig egal, ob sie straffällig sind oder nicht – dann zurücknimmt, wenn ihr Asylantrag hier abgelehnt ist. Die schmeißen ihren Pass weg, und Länder wie Algerien und Marokko sagen dann, das sind nicht ihre Bürger."
    Es gibt keine einfachen und auch keine schnellen Lösungen in der Migrationskrise, will Gabriel damit sagen. Seitenhiebe und Querschüsse auf die Kanzlerin hat er in den letzten Tagen seinem Vor-Vorgänger Gerhard Schröder und dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Weil überlassen.
    Zwei Monate vor dem Wahlsonntag in Deutschland muss ihr Profil schließlich auch gegen die Union schärfen. Die Regierungsbeteiligung in Baden-Württemberg und das Amt der SPD Ministerpräsidentin Dreyer in Rheinland Pfalz sind akut bedroht. Innerparteilichen Streit jedenfalls können sich die Sozialdemokraten in diesem Jahr kaum mehr leisten.