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SPD-Wahlkampf in Rheinland-Pfalz
Zu wenig Wupps

Vier Wochen vor der Landtagswahl startet die SPD in Rheinland-Pfalz in die heiße Phase des Wahlkampfs. Sie will nicht nur an der Regierung bleiben, sondern auch einen Einzug der AfD in den Landtag verhindern. An der Haustür wirbt die Partei für ihre Politik - doch selbst in SPD-Hochburgen gestaltet sich der Wahlkampf schwierig.

Von Anke Petermann | 18.02.2016
    Giorgina Kazungu-Haß und Ralf Stegner, beide SPD, beim Wahlkampf in Rheinland-Pfalz.
    Giorgina Kazungu-Haß und Ralf Stegner, beide SPD, beim Wahlkampf in Rheinland-Pfalz. (Maike Rocker/SPD)
    Mit der Präsidiumssitzung Anfang der Woche in Mainz läutete die SPD die heiße Phase des rheinland-pfälzischen Landtagswahlkampfs ein. Es geht um alles, der Verlust der seit einem Vierteljahrhundert gehaltenen roten Machtbastion droht. Rot-Grün hat in den Umfragen die Mehrheit verloren, die beliebte Ministerpräsidentin Malu Dreyer muss sich bei ihrer ersten Landtagswahl auf eine Niederlage für sich und ihre rot-grüne Koalition gefasst machen. Im Häuser-Wahlkampf stemmen sich Genossen dagegen. Unter anderem im pfälzischen Weidenthal - eine rote Hochburg mit braunen Sprenkeln.
    Wald- und Fabrikarbeiter hatten die Sozialdemokraten in Weidenthal einst stark gemacht. Schon zum zweiten Mal tritt Giorgina Kazungu-Haß hier zum Haustürwahlkampf an. Diesmal hat die SPD-Direktkandidatin im Wahlkreis Neustadt an der Weinstraße einen Prominenten im Schlepptau: Bundesvize Ralf Stegner, SPD-Landeschef in Schleswig-Holstein und gebürtiger Pfälzer. Soeben erst haben sich die beiden Genossen kennengelernt. Die Landtagskandidatin in einer weiß gepunkteten Kapuzenjacke überm Jeansrock klingelt an der Tür eines Altbaus. Eine schmale, dunkelhaarige Frau öffnet. Doch als Kazungu-Haß ansetzt, fährt im Hintergrund ein Laster vorbei.
    Kazungu-Haß: "Ich red' n bisschen lauter: Ja, ich wollte mich einfach nur mal vorstellen."
    Stegner: "Und das ist ne richtig gute Kandidatin, die kann ich nur empfehlen."
    Kammerer: "Ja, die Plakate habe ich schon gesehen."
    Die taubenblauen Wahlplakate mit großem Foto der Direktkandidatin und Mini-SPD-Logo sind gemeint, die derzeit überall im Wahlkreis Neustadt an der Weinstraße hängen. Dass das SPD-Signet so winzig ausgefallen ist - keine Absicht, beteuert die Deutsch-Lehrerin Kazungu-Haß. Die 38-Jährige mit deutsch-kenianischen Wurzeln überreicht den Flyer, in dem sie und die rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer mit "sozialer Gerechtigkeit" als Markenzeichen werben.
    Kazungu-Haß: "Malu und ich haben hier auch noch mal geschrieben, was uns wichtig ist. Ich möchte gern, dass sie Ministerpräsidentin bleibt."
    Kammerer: "Ja, ist mir auch lieber als die Blondine."
    "Die SPD hat an Kontur verloren"
    Lieber Dreyer von der SPD als die Herausforderin Julia Klöckner von der CDU, meint Marie Kammerer. Gute Antwort, findet Giorgina Kazungu-Haß und strahlt. Die Mutter von vier Kindern und Gesamtschul-Konrektorin mit reduzierter Stelle wirkt gut gelaunt. Klinkenputzen - für sie mehr Spaß als Wahlkampf-Stress. Der sprödere norddeutsche Genosse Stegner wendet sich noch mal an die Wählerin.
    Stegner: "Vielleicht auch denen, die Sie kennen, sagen, wählen zu gehen. Wenn man nämlich nicht wählen geht, kommen die Rechten rein."
    Kammerer: "Ja – und wir haben da ja so eine schöne Sippe."
    Mit der "schönen Sippe" meint Marie Kammerer die rechtsextreme Splitterpartei, die vor drei Jahren ein zugezogener Ex-NPD-Funktionär hier gründete. Der sogenannte "Dritte Weg" tritt am 13. März erstmals zur Landtagswahl an. Giorgina Kazungu-Haß macht wütend, dass die Braunen das rote Dorf kapern wollen. In Weidenthal Wahlkampf zu führen, versteht die Tochter eines Kenianers auch als Akt der Solidarität mit denen, die für eine bunte, weltoffene Pfalz stehen. "Volkstod stoppen", fordert der "Dritte Weg" auf Plakaten im Ort. Marie Kammerer deutet auf den leeren Laternenmast zwischen ihrem Haus und der Dorfkirche.
    Kammerer: "Ja, bei uns hängt keins."
    Stegner: "Das würde auch zur Kirche nicht gut passen. Alles Gute, vielen Dank."
    Kammerer: "Danke. Viel Spaß noch!"
    Punkt für die SPD, so wirkt es zumindest. Doch erst als die beiden Genossen weiter gezogen sind, redet Kammerer Tacheles:
    "Vor vielen Jahren war ich SPD-Wählerin. Die sind mir nicht mehr klar genug, nicht mehr links genug, muss ich ehrlich sagen. Die SPD hat so unheimlich an Kontur verloren - finde ich sehr schade. Ich hätte gern mehr Biss, mehr Wupps!"
    Die Fotografin wünscht sich ein "Nein" zum Freihandelsabkommen TTIP und ein "Ja" zum bedingungslosen Grundeinkommen. Das vertritt eher die Linkspartei. Auch ihrem Nachbarn, bei dem Kazungu-Haß und Stegner als nächstes klingeln, ist die SPD nicht mehr links genug. Malu Dreyer aber macht als Ministerpräsidentin eine gute Figur, findet Thomas Kreckel:
    "Das auf jeden Fall, also, ich finde, die Frau hat eine sehr integrative Art und ich find sie net unsympathisch."
    AfD liegt bei neun Prozent
    Doch ob der Archäologe deshalb die SPD wählt - offen. Nur drei von zehn Weidenthalern, die das Genossen-Duo im roten Dorf besucht, bekennen ihre rückhaltlose Unterstützung für die Sozialdemokraten. Aber fast alle favorisieren Malu Dreyer. "Eigentlich", setzt Carmen Schmitt hinzu. Doch als Stegner und Kazungu-Haß ihr den Rücken gekehrt haben, fordert sie, in der Flüchtlingsfrage müsse hart durchgegriffen werden.
    "Mir han echt Angscht, mit dem, was passiert. Also, do muss dofür gesorgt werre, dass man als Deutscher, deutsche Frau, deutsche Kinder in Deutschland sicher sein kann."
    Das klingt eher nach einem Votum für die AfD. Doch Schmitt schüttelt den Kopf.
    "Definitiv net. Nee, das geht mir zu sehr dann wieder in dieses braune Regime rein. Nee, also das möchte ich keinesfalls."
    Fürs harte Durchgreifen, das die Weidenthalerin verlangt, macht sich Julia Klöckner von der CDU stark: mit "Integrationspflicht" und Burka-Verbot.
    "Das sind die Symbolthemen der Rechten. Als ob das unser Hauptproblem sei," kommentiert Ralf Stegner. Mit Blick auf die Flüchtlinge stellt der SPD-Vize klar:
    "Die Menschen haben nicht ein Problem, dass sie sich nicht integrieren wollen. Sondern wir haben nicht genug Sprachkurse. Daran liegt das. Und indem man suggeriert, es sei anders, hilft man den Rechten. Und ich glaube, Frau Klöckner macht das etwas intelligenter als Herr Seehofer, aber mit dem gleichen Ziel. Die sagt: zwei, drei Prozent weniger für die CDU, das juckt mich nicht, so lange die AfD reinkommt und es keine Mehrheit für Rot-Grün gibt."
    Ob beabsichtigt oder nicht: Genau danach sieht es derzeit aus. In den Umfragen liegt die AfD bei neun Prozent. Die ehemals mächtige SPD Rheinland-Pfalz muss fürchten, wie auf Bundesebene in einer Großen Koalition zum Juniorpartner degradiert zu werden. Die gebührenfreie Bildung und den Ausbau von Gesamtschulen würde die CDU dann ausbremsen, glaubt die Sozialdemokratin Kazungu-Haß. Unbeirrt setzt die Landtagskandidatin auf Sieg - getreu dem Motto von Kurt Beck: Die Hühner werden am Abend gezählt.