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Spenden für einen guten Film

Mit Kleinstbeträgen von Spendern konnte das Filmprojekt "Hotel Desire" finanziert werden. Die Meinung, ob dieses sogenannte Crowdfunding sich auch für teurere Projekte einsetzen lässt, gehen aber auseinander.

Von Daniela Siebert | 27.08.2011
    Thomas Ernst 5 Euro, Sophie Glockner 5 Euro, Falk Thiede 50 Euro, Egor Kirpichev 20 Euro, Sina Hoffmann 20 Euro, Roger Pistor 20 Euro, Wilfried Schröder 5 Euro, Jörn Hennig 10 Euro, Anne Kulbatzki 5 Euro, Claus Ehlert 50 Euro.

    Diese Spender haben ein Filmprojekt ermöglicht, das derzeit in Berlin gedreht wird: "Hotel Desire", ein 45minütiger erotischer Spielfilm für ein kommerzielles Videoportal im Internet. Das besondere daran: Der Film wurde ausschließlich über das sogenannte Crowdfunding finanziert. Die Inspiration dafür kam aus den USA:

    "Ich habe einen Artikel gelesen über eine amerikanische Musikerin, die ihr Album über Crowdfunding finanziert hat, das waren damals 50.000 Dollar. Und sie hat innerhalb von zwei Wochen eine Unterstützung von den Fans bekommen, dass das Geld gecrowdfunded wurde und sie das Album aufnehmen konnte."

    Sascha Schwingel ist einer der drei Produzenten von "Hotel Desire" und gehört zur Film- und Fernsehproduktionsgesellschaft teamworx. Das Modell scheint auch in Deutschland zu funktionieren. Denn: Innerhalb weniger Wochen konnten er und seine Kollegen mittels Crowdfunding das angepeilte Produktionsbudget von 170.000 Euro akquirieren.

    "Es waren über 1000 Unterstützer, die mit Kleinstbeträgen von zwei Euro bis 500 Euro unterwegs waren und es gibt fünf oder sechs größere Investoren, die eben den anderen Teil des Geldes zusammengebracht haben."

    Diese Großen gaben auch fünfstellige Beträge so Schwingel ohne genaue Zahlen nennen zu wollen.

    Um potenzielle Geldgeber für das Filmprojekt zu begeistern, hatten die Produzenten eine eigene Webseite geschaffen, auf der in Trailern die Macher des Films ihre Idee umreißen und die erste Szene des Films zu sehen ist: eine nackte Frau beim Duschen. Je mehr Geld zusammenkam, desto mehr Seiten aus dem Drehbuch konnten dort eingesehen werden.

    "Das war einfach von der althergebrachten Peepshow sozusagen eine Adaption, dass man sagt: je mehr Geld man zahlt, umso mehr sieht man. Wir fanden das witzig und wollten natürlich auch den Leuten einen Anreiz bieten, so kam die Idee."

    Crowdfunding – das ist eine gute Idee, aber nur für Nischenprodukte geeignet, für Filme über spezielle Themen mit einem eingeschränkten Interessentenkreis, schätzt Jens Steinbrenner, Sprecher der Produzentenallianz, einer Interessenvertretung von 200 großen deutschen Filmproduktionsfirmen:

    "Das ist eine ganz interessante und sicher auch vielversprechende Finanzierungsform, allerdings keine, die sich für eine regelmäßige Produktion im größeren Umfang, zum Beispiel fürs Kino eignet, weil die Summen, die dort zusammengetragen werden einfach nicht groß genug sind."

    "This ain't California" scheint Jens Steinbrenners Einschätzung zu untermauern. Der Dokumentarfilm, der derzeit in Berlin gedreht wird, erzählt die Coming-of-Age-Geschichte von Skate-Board-Fahrern in der DDR.

    Auch dieser Film entsteht mit Hilfe von Crowdfunding. Allerdings stellen den Sockelbetrag für das Gesamtbudget von fast 570.000 Euro die öffentlich-rechtlichen Sender arte, MDR und rbb sowie andere klassische Finanzierungsquellen. 100.000 Euro sollen über Crowdfunding dazu gewonnen werden. Auch wenn das derzeit noch nicht ganz so gut klappt, ist Produzent Michael Schöbel von Wildfremd Production Feuer und Flamme für das Modell "Crowdfunding" und will es auch bei künftigen Projekten einplanen:

    "Ich würd' Crowdfunding immer machen, weil ich einfach die Idee, dass Leute, die man erstmal nicht kennt, sondern, die man übers Internet oder über die Seiten in Kontakt tritt, ein Teil von einer großen Sache werden, die Idee gemeinsam tragen, einfach gut finde."

    Steinbrenners Einschätzung, dass Crowdfunding nicht für große Budgets taugt, teilt Schöbel überhaupt nicht.

    "Das ist ein typisches deutsches Statement. In Amerika und auch in England und Frankreich läuft Crowdfunding, weil die Leute aber auch ein anderes Verhältnis dazu haben. Ich glaube, dass Deutsche ein extremes Misstrauen immer haben, und deswegen immer glauben "Neenee, denen geben wir mal Nichts, die kaufen bestimmt Waffen davon oder gehen alle einen trinken" - oder sowas. Das ist sehr deutsch."

    Dass es durchaus auch in Deutschland großes Vertrauen geben und aus Massen von kleinen Summen große Geldbeträge zusammenkommen können, hat gerade die finnisch-australisch-deutsche Koproduktion "Iron Sky" gezeigt. Eine Science-Fiction-Komödie über Nazis, die sich 1945 auf dem Mond verstecken und 2018 die Erde angreifen wollen. 7,5 Millionen Euro kostet der Film, der kurz vor der Fertigstellung ist. 500.000 Euro haben die Fans des Projektes beigesteuert. Durch "Crowdinvestment", einer Art Weiterentwicklung von "Crowdfunding", durch die die Geldgeber mit Summen ab 1000 Euro quasi zu Kleinaktionären werden.

    Wie sich Crowdfunding in Deutschland etablieren wird, ist noch völlig offen. Es wird noch viele Versuche, Varianten und Spielarten geben. Eine Grundregel zeichnet sich aber jetzt schon ab und die umreißt Sascha Schwingel von teamworx: das zu finanzierende Filmprojekt muss im weitesten Sinne "sexy" sind.

    "Es kommt wirklich auf die Reizbarkeit auch bei der Presse an, weil wenn keiner über dieses Projekt redet, dann weiß keiner davon, dann habe ich keine Unterstützer und keine Spender."