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Spenden Sie für den Journalisten!

Für alles Mögliche wird gespendet: für Kinder, für Tiere, für Kultur, für Parteien. In Zeiten, in denen Medien wegen Anzeigenflaute Redaktionen verkleinern und gründliche Recherchen einsparen, wird nun auch der Ruf nach spendenfinanziertem Journalismus laut. In den USA findet sich dafür schon eine Reihe von erfolgreichen Beispielen. In Deutschland hat die Debatte erst begonnen.

Von David Goeßmann | 22.08.2009
    New Orleans nach Hurrikan Katrina. Im Stadtviertel Algiers Point jagen weiße Bewohner Afroamerikaner, erschießen in Lynchjustiz angebliche Plünderer. Monatelang recherchierte Pro Publica den Fall, lieferte Beweise für das Verbrechen. Jetzt ermittelt die Polizei.

    Umweltverschmutzungen, Medikamentenskandale, Lobbyismus-Fälle: Das Recherchebüro deckt seit gut einem Jahr Missstände in den USA auf. Pro Publica mit Sitz in Manhattan erhält jedes Jahr zehn Millionen Dollar. Das Geld kommt von einem Millionärs-Ehepaar. Spendengelder.

    Zwei Dutzend renommierte Reporter und Pulitzerpreis-Gewinner beschäftigt die Journalistengemeinschaft. Deren investigative Geschichten erscheinen in meinungsbildenden Zeitungen wie der New York Times, in vielen kleineren Blättern und im US-Rundfunk. Die Medienhäuser bezahlen nichts dafür. Doch Paul Steiger, Chefredakteur von Pro Publica, versteht die Arbeit seines Teams nicht als Finanz-Krücke für renditeorientierte Medienkonzerne:

    "Wir wollen nicht den Markt stützen von Zeitungen, die Hunderte Millionen Dollar machen. Was wir wollen, ist Folgendes: Mit 25 Journalisten hat Pro Publica das größte Team von investigativen Reportern in den USA. Wir arbeiten im öffentlichen Interesse und decken Verhaltensweisen von Leuten auf, die gegen das Allgemeinwohl handeln. Und wir suchen nach dem besten Weg, diese Geschichten in die Öffentlichkeit zu bringen."

    Zeitungen werden geschlossen, Redaktionen eingedampft, Recherchen durch Billignachrichten ersetzt. Nicht zuletzt die finanzielle Krise der US-Medienbranche hat eine Lücke in journalistischer Berichterstattung gerissen. In diese stoßen nun vermehrt Non-Profit-Medienprojekte: Lokalzeitungen, Online-Portale und Recherchebüros, finanziert durch Spendengelder.

    Auch in Deutschland wird nach alternativen Finanzierungsmodellen für Qualitätsjournalismus gesucht. Journalistik-Professorin Margreth Lünenborg von der Freien Universität Berlin warnt allerdings davor, spendenfinanzierte Projekte zur Lösung der Medienkrise zu missbrauchen.

    "Die Konstruktion, dass man die kostenintensiven Elemente eines gesellschaftlich notwendigen und verantwortungsvollen Journalismus meint, auslagern zu können in andere Finanzierungsmodelle, und nur das, was direkt Cashflow bringt, in Verlagshäusern oder anderen kommerziellen Medienorganisationen zu belassen, das ist in Deutschland aktuell gesellschaftlich nicht durchsetzbar und das finde ich auch gut."

    Spendenaktivitäten im Medienbereich beschränken sich in Deutschland bisher auf Stipendien und Weiterbildungsprogramme. Doch das könnte sich ändern. Die Debatte um spendenfinanzierten Qualitätsjournalismus bekommt auch hierzulande zunehmend Boden unter den Füßen.

    So ist der Medienwissenschaftler Hans Kleinsteuber davon überzeugt, dass nichtkommerzielle Redaktionsbüros auch in Deutschland Zukunft haben werden. Kleinsteuber berät Stiftungen in Sachen Medienfinanzierung und stellt dort seit Kurzem verstärkt Interesse am Thema fest. Der Philosoph Jürgen Habermas forderte gar Staatsbeihilfen für Qualitätsjournalismus zum Schutz einer zunehmend gefährdeten Öffentlichkeit.

    Auch die Medienwissenschaftlerin Lünenborg sieht in alternativ finanzierten Projekten jenseits kommerzieller Verwertung eine Chance.

    "Wenn sich ein Finanzier findet, der sagt, Mensch, da gibt es diskursiven Bedarf, da förder ich mal eine Zeit lang ein Projekt, da könnte man mal schauen, ob das den Wettbewerb vorantreibt, den Wettbewerb um Ideen, um gute Geschichten, um tolle Autoren, um andere Meinungen, die noch einmal einfließen. Das finde ich etwas Beklagenswertes, dass die Mainstreamisierung weiter zunimmt."

    In den USA hat sich gezeigt, dass auf Spenden basierende Projekte journalistische Qualität, Meinungsfrische und Kreativität in der Medienbranche befördert haben. Neben Leuchttürmen wie Pro Publica haben spendenfinanzierte Grassroots-Medien wie "Democracy Now" neue journalistische Standards gesetzt und beeinflussen die Berichterstattung der Mainstream-Medien. Es wäre durchaus wünschenswert, dass solche Beispiele auf mehr Resonanz auch in der deutschen Medienbranche treffen würden. Auch wenn das Verständnis von Mäzenatentum und die Spendenpraxis nicht mit dem in den USA zu vergleichen sind.