Donnerstag, 28. März 2024

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Spiel mit dem Feuer

Viele Dutzend Vulkane auf der Erde sind von Gletschern überzogen. Speien sie Feuer, schmelzen innerhalb kürzester Zeit riesige Eismengen. Das kann zu gewaltigen Aschewolken führen, wie jüngst im Frühjahr beim isländischen Eyjafjallajökull. Es können aber auch gewaltige Schlammfluten zu Tal rasen. 1985 wurde die kolumbianische Stadt Armero durch eine solche Flut ausgelöscht. Seitdem erkunden Forscher überall auf der Welt solche Gletschervulkane, um sie besser zu verstehen und verheerende Fluten besser vorhersagen zu können.

Von Monika Seynsche | 22.08.2010
    Es ist der 13. November 1985. Im Westen Kolumbiens speit der eisbedeckte Vulkan Nevado del Ruiz Feuer. Die Eruption schmilzt innerhalb kürzester Zeit gewaltige Eis- und Schneemengen. Ein Schlammflut aus Wasser, Asche und Gesteinsbrocken stürzt fast 50 Kilometer weit das Tal hinab.

    "Der Ausbruch war ungefähr um neun Uhr nachts und ich glaube, es war ein Fußballspiel in Armero damals, das noch geschaut wurde, und effektiv das tragische ist: Diese Schlammflut, dieses Lahar, hat die Stadt Armero völlig unvorbereitet getroffen und hatte dann praktisch die ganze Stadt ausgelöscht, inklusive mehr als 20.000 Leuten, die dabei gestorben sind."

    Die Schlammmassen begruben 5000 Häuser und 22.000 Menschen unter sich. In den Jahren danach hat die kolumbianische Regierung ein Frühwarnsystem aufgebaut, um die Menschen der Region vor einem Ausbruch des Nevado del Ruiz oder eines der anderen eisbedeckten Vulkane der kolumbianischen Anden zu warnen. Christian Huggel und seine Kollegen von der Universität Zürich haben dabei mitgeholfen.

    "In Kolumbien leben die Leute relativ nahe an diesen Vulkanen. Das ist anders zum Beispiel in Alaska. Dort gibt es eine Reihe großer eisbedeckter Vulkane, aber die sind sehr weit weg von den nächsten größeren Siedlungen. In Island ist es auch nicht ganz ohne, weil doch die Siedlungen recht nahe an die Vulkane kommen und definitiv im Einflussbereich von Schlammfluten sind."

    In Island, etwa 200 Kilometer südwestlich von Reykjavik, sitzt eine junge Frau im pinkfarbenen T-Shirt an einem Küchentisch aus Resopal.

    "My name is Alla and I am from this farm and we work here as farmers."

    Zusammen mit ihren Eltern und ihrem Mann bewirtschaftet Alla Àsgeirsdóttir die Farm Stóra-Mörk. 70 Kühe, einige hundert Schafe, weite Wiesen und hinter dem Haus: Eyjafjallajökull, jener Vulkan, der im April den europäischen Luftraum lahmlegte. Eine bis zu 200 Meter dicke Eiskappe bedeckt den Berg. Durch sie hindurch suchte sich das Magma damals seinen Weg.

    "In the evening you could hear the noise inside the house. It was just like it was very bad weather or something like that."

    Schlamm, Wasser und Eisbrocken wälzten sich tagelang donnernd vor ihren Augen vorbei, erinnert sich Allas Vater Ásgeir Árnason.

    "Wir haben noch nie etwas ähnliches gesehen. Der Fluss war so gefährlich angeschwollen. Wir sind hier auf der Farm 30 Meter über dem Fluss, deshalb drohte uns keine Gefahr. Viel gefährlicher war es für die Menschen flussabwärts im Tal. Sie mussten evakuiert werden. Wir konnten hier oben bleiben und berichten, was passiert."

    "Eruptionen unter Eis haben etwas Faszinierendes an sich: sie gleichen gigantischen Experimenten der Thermodynamik. Mein Name ist Magnús Tumi Guđmundsson. Ich bin Professor für Geophysik an der Universität von Island und erforsche Vulkanausbrüche unter Gletschern."

    Etwa alle fünf Minuten klingelt das Telefon. Seit Wochen schon plant Guđmundsson eine Fahrt auf den Vulkan, um mehr über den Ausbruch zu erfahren. Aber dafür müssen sich sowohl der Eyjafjallajökull als auch das Wetter beruhigen. Es stürmt auf der Insel und jede Böe wirbelt Asche vom Vulkan in die Luft, gefährdet die Orientierung und macht ein Arbeiten auf dem Berg unmöglich. Magnús Tumi Guđmundsson wartet auf windstille, sonnige Tage. Auf Island kommt das einer Geduldsprobe gleich. Während er wartet und telefoniert, beugt sich drei Büros weiter sein Kollege Helgi Björnsson über eine geologische Karte.

    "Durch Island zieht sich eine vulkanische Zone von Süden nach Norden. Etwa elf Prozent der Insel sind von Gletschern bedeckt und etwa 60 Prozent dieser Gletscher liegen innerhalb der aktiven vulkanischen Zone, in der es häufig zu Eruptionen kommt."

    Der weißhaarige Mann untersucht die Gletscherfluten, Jökulhlaups, die mit Vulkanausbrüchen unter Eis einhergehen.
    "Als ich mit meiner Arbeit begann, waren die Gletscher einfach große, weiße Flecken. Wir wussten, dass viele Vulkane irgendwo darunter lagen, aber wir kannten keine Details. Also begannen wir Bodenradar einzusetzen, mit dem wir durch das Eis hindurchsehen. So können wir Karten des Untergrunds erstellen, und wenn wir wissen, wo die Vulkane liegen und welche Form sie haben, können wir besser vorhersagen, welchen Weg die Jökulhlaups nehmen werden, wenn die Vulkane ausbrechen."

    Solche Karten des Untergrunds hat Helgi Björnsson für viele isländische Gletschervulkane erstellt. Der Eyjafjallajökull ist nicht der einzige und bei weitem nicht der gefährlichste eisbedeckte Feuerberg. Ähnliches versucht Christina Neal vom Vulkanobservatorium in Anchorage. Auch wenn in Alaska die eisbedeckten Vulkane weitab der meisten Siedlungen liegen, können die Gletscherfluten dort wichtige Infrastruktur zerstören.

    "Erst 2009 hatten wir eine Reihe von Explosionen am Mount Redoubt Vulkan, etwa 180 km südwestlich von Anchorage. Mount Redoubt ist mehr als 3000 Meter hoch und eisbedeckt. Die Explosionen in der Gipfelregion brachten große Eis- und Schneemengen zum Schmelzen. Eine Schlammflut raste fast 50 Kilometer weit ins Tal hinunter, bis zur Bucht des Cook Inlet."

    In dieser Bucht liegt ein großes Öllager mit einem Fassungsvermögen von etwa 300 Milliarden Liter Rohöl. Vor knapp zwanzig Jahren war dort schon einmal eine Schlammflut niedergegangen, die Behörden errichteten Deiche. Jetzt konnten sie die Öltanks schützen. Nur, werden sie auch beim nächsten Mal standhalten? Neal:

    "Viele Details sind bis heute unbekannt. Aber wenn ein Vulkan ausbricht, steigt flüssiges und mit vulkanischen Gasen gesättigtes Magma sehr schnell durch den Schlot auf. Auf dem Weg wird der Druck immer geringer, das Magma verfestigt sich und schließt das Gas in Blasen ein. Durch den abfallenden Druck dehnen die sich weiter aus, bis sie an der Oberfläche angelangt sind und dort explosionsartig platzen. Durch solche Explosionen entstehen unzählige kleine, bis kleinste Magma-Partikel die als vulkanische Asche in die Luft geschleudert werden."

    Findet die Eruption unter Eis statt, kommt das glühend heiße Magma in Kontakt mit kaltem Wasser – eine noch explosivere Mischung. Denn wenn Wassertropfen von Magma eingeschlossen werden, kühlt sich das Magma rasend schnell ab, während das Wasser überhitzt. Die Gebilde explodieren. Dabei kann extrem feine Asche entstehen. Durch ihre geringe Größe hält sie sich sehr lange in der Luft.

    "Eyjafjallajökull started its activity in 1991."

    1991 habe sich der Eyjafjallajökull erstmals wieder geregt, erzählt die Seismologin Bryndis Brandsdóttir von der Universität von Island in Reykjavik.

    "Die ganzen 1990er Jahre über hat die seismische Aktivität zu- und dann immer wieder abgenommen. Danach folgten zehn sehr ruhige Jahre, bis 2010. Und die Aktivität jetzt im März hat sehr der in den 90ern geähnelt, deshalb habe ich gezögert, mitten im Winter zum Vulkan rauszufahren. Aber Anfang März konnten wir es nicht länger aufschieben, der Berg hat regelrecht nach uns geschrieen. Also mussten wir rausfahren und horchen, was los war."

    Sechs zusätzliche Seismometer hatte Bryndis Brandsdóttir im März rund um den Vulkan aufgebaut, um jedes Zittern unter der Erde aufzufangen. Eines dieser Seismometer steht auf der Farm Seljavellir, genau südlich des Vulkankraters. Etwa einmal im Monat fährt die Forscherin dort hin, um die Batterien zu wechseln und die Messdaten einzusammeln. Die Farm liegt in einem engen Tal und hat mehr Asche abbekommen, als jede andere Farm in Island. Die ehemals grünen Hänge sind grau. Auf den Weiden vor dem Hof hat eine viele Zentimeter dicke Ascheschicht jeden Grashalm erstickt.

    Die Bäuerin von Seljavellir, eine schlanke, blonde Frau um die Vierzig, kommt dazu, um nach dem Rechten zu sehen. Sie erzählt Bryndis Brandsdóttir ihre Geschichte.

    "Sie hat 30 Kühe auf die Snæfellsnes-Halbinsel bringen müssen, 300 Kilometer von hier."

    Die restlichen Kühe, Kälber und Bullen stehen seit März im Stall. Auf den Weiden rund um die Farm würde ihnen eine Fluorvergiftung drohen, durch die Vulkanasche. Denn mehr als 97 Prozent der gesamten Asche des Eyjafjallajökull sind auf Island selbst niedergegangen. Im Keller unter dem Stall hat Bryndis Brandsdóttir eine ihrer seismischen Stationen aufgebaut. Eine dicke Ascheschicht bedeckt den Sensor. In den Wochen vor dem Vulkanausbruch im April hatte dieser Sensor starke Bewegungen der Erde registriert. Brandsdóttir:


    "Als die Eruption dann begann, hatte das Magma sich schon einen Weg durch das Gestein gebrannt und konnte auf diesem ungehindert aufsteigen. Das haben wir daran erkannt, dass die seismische Aktivität stark nachließ. Statt mehrerer Erdbeben, die das Aufbrechen der Kruste anzeigten, nahmen die Messgeräte nur noch ein Zittern wahr, dass typischerweise von einem kontinuierlichen Lavafluss ausgelöst wird."

    Anfang Juni meldete sich der Vulkan zum letzten Mal. Seitdem messen die Instrumente kaum noch etwas. Nur einige sehr kleine Erdbeben.

    "There is very low seismicity at present only a few very small earthquakes."

    Damit ist die Gegend Magnús Tumi Guđmundssons Ansicht nach sicher genug für eine Expedition zum Kraterrand. Auch das Wetter hat sich in den letzten Tagen beruhigt, kaum ein Lüftchen weht noch. Bei Sonnenschein sitzt Guđmundsson vor einer Schutzhütte am Fuß des Gletschers und sortiert Luftbildaufnahmen. Durch den Ausbruch hat der Vulkan seine Gestalt so verändert, dass alte Karten nicht mehr weiterhelfen.

    "Wir nutzen diese Fotos zur Orientierung. Einige von uns werden vom Gipfel aus absteigen und dann ist es sehr nützlich, wenn sie sehen, wo sie hinlaufen."

    Mit einer rotgestrichenen Pistenraupe der isländischen Bergrettung wollen insgesamt zehn Forscher versuchen, bis zum Rand des Vulkankraters zu gelangen. Guđmundsson:

    "Anhand der Aufnahmen können wir erkennen, wo Gletscherspalten sind, welche Gegenden wir meiden sollten und welche Gebiete wir gezielt untersuchen wollen. Diese Bilder sind wirklich sehr nützlich."

    Die Aufnahmen zeigen vor allem eines: schwarze Asche. Metertief unter der Asche begraben liegt der Gletscher und unter ihm der Fels. Der ist auf vielen isländischen Vulkanen warm – selbst dann, wenn die Berge gerade kein Feuer speien. Der warme Untergrund lässt das Eis der Gletscher an einigen Stellen kontinuierlich schmelzen. So bilden sich zum Beispiel unter dem größten isländischen Eisschild, dem Vatnajökull im Südosten des Landes, regelmäßig subglaziale Seen. Björnsson:
    "Das Wasser, das durch diese Schmelze entsteht, läuft meist nicht einfach ab. Oft sammelt es sich unter dem Gletscher an. Durch die Schmelze entsteht an dieser Stelle des Gletschers eine Senke. Die Last des Gletschers ist hier geringer, als um diese Senke herum. Das Wasser kann also nicht entweichen. Erst wenn sich genug Wasser angesammelt hat, sprengt es sich seinen Weg durch das Eis hindurch und stürzt in einem Gletscherlauf zu Tal. Auch das sind Jökulhlaups, aber sie lassen sich wenigstens vorhersagen."

    In Abständen von ein bis zehn Jahren schicken diese Seen ihre Fluten ins Tal. Dichtgedrängt sitzen neun Menschen im Anhänger der Pistenraupe auf der ruckeligen Fahrt den Vulkan hinauf. Auf die Frage, wie lange die Reise dauern wird, lacht Magnús Tumi Guđmundsson nur.

    "Well, that is a question we can answer after we get there."

    "Irgendwas zwischen einer Stunde und, nun ja, wenn wir in fünf Stunden nicht oben sind, würde ich sagen wir kommen ziemlich schlecht voran. Ein bis zwei Stunden schätze ich, wenn alles gut geht. Es kann sein, dass wir die eine oder andere Gletscherspalte überqueren müssen."

    Schon nach zehn Minuten bleibt das Kettenfahrzeug im Gemisch aus Schnee und Asche stecken. Alle steigen aus, damit die Pistenraupe leichter wird. Ohne den zusätzlichen Ballast kämpft sich das Gefährt weiter den Hang hinauf. Nach etwa fünf Minuten können die Forscher wieder einsteigen.

    "Don't be worried if it starts to erupt again, we can drive on 10 kilometers per hour away."

    Hinter der Pistenraupe, am Horizont, erhebt sich – von der Asche seines kleinen Bergnachbarn graugescheckt - der wesentlich größere Eispanzer des Myrdalsjökull: 600 Quadratkilometer Eis. Darunter schlummert der gefährlichste Vulkan Islands. Die Katla. Der Geologe Páll Einarsson von der Universität von Island untersucht den Vulkan seit vielen Jahrzehnten.

    "Katla ist ein sehr aktiver Vulkan und wir befinden uns im Moment in der längsten Ruhephase seit der Besiedlung Islands. Schon 1960 waren alle überzeugt, dass die Katla jeden Moment ausbrechen müsse, aber auf diesen Ausbruch warten wir bis heute. Sie ist wirklich überfällig. Es würde also niemanden überraschen, wenn Katla bald ausbricht, egal ob mit oder ohne Stimulation durch den Eyjafjallajökull."

    In den vergangenen 1000 Jahren spuckte Katla regelmäßig alle 40 bis 80 Jahre Feuer. 1918 hat sich der Vulkan zum letzten Mal gemeldet. Seit dem Ausbruch des Eyjafjallajökull im April schauen die Forscher nervös auf dessen große Schwester. Denn auf drei der letzten vier Eruptionen des kleinen Vulkans folgte fast zeitgleich ein Ausbruch der Katla. Den Gletscherforscher Helgi Björnsson beunruhigt diese Aussicht.

    "The katla floods are the largest floods on earth."

    Die Katla produziere die größten Flutwellen, die es auf der Erde gebe, sagt er. Wenn der Berg Feuer spuckt, schmilzt sich die Eruption innerhalb von nur einer oder zwei Stunden durch 400 Meter dickes Eis. Mehrere Hunderttausend Kubikmeter Wasser pro Sekunde schießen dann binnen weniger Stunden zu Tal. Kein Fluss der Erde bewegt innerhalb so kurzer Zeit so viel Wasser. Nicht einmal der Amazonas, der mit großem Abstand wasserreichste Fluss der Erde.

    "Sie überschwemmen ein sehr großes Gebiet am Fuß der Katla mit Wasser und Eisbrocken. Kurz nach der Besiedlung Islands gab es einige Farmen in dieser Gegend. Die Leute wussten ja nichts über Island, als sie aus Norwegen hierher kamen. Aber sie fanden sehr schnell heraus, dass es ein gefährlicher Ort ist. Heute lebt niemand mehr in dem Gebiet, das von den Gletscherfluten der Katla überschwemmt wird."

    Allein die letzte Gletscherflut der Katla hat so viel Schlamm und Sediment mitgerissen, dass die Küstenlinie heute fast drei Kilometer weiter in den Ozean ragt als zuvor. Wenn Magma unter den Eyjafjallajökull gepumpt wird, gelangt auch Magma unter die Katla. Soviel wissen die Forscher. Allerdings unterscheidet sich das Magma im Eyjafjallajökull chemisch von dem in der Katla. Warum die Vulkane manchmal zeitgleich ausbrechen ist unklar, meint Páll Einarsson. Er und seine Kollegen beobachten den überfälligen Vulkan sehr genau. Sie warten darauf, dass der Berg beginnt sich aufzublähen, dass erste Erdbeben den Boden erschüttern, oder der Untergrund sich verdächtig erwärmt.

    Nach knapp zwei Stunden ist es geschafft. Die Pistenraupe hat den Gipfel des Eyjafjallajökull erreicht. Alles ist schwarz, meterhohe Ascheschichten bedecken den Gletscher. Nur in den tiefsten Spalten sieht man weißes Eis leuchten. Wolkenschwaden ziehen über den Gipfel. Eine Gruppe von vier Studenten und Doktoranden macht sich fertig für den Abstieg, ausgerüstet mit Rucksäcken, Helmen, Steigeisen, Kletterseil und einem GPS-Gerät. Guđmundsson:

    "Diese Gruppe wird heute den Berg Richtung Nordwesten hin absteigen. Dabei werden sie immer wieder die Dicke der Asche-Schichten messen. Morgen steigen sie dann nach Nordosten oder nach Süden hin ab und machen dasselbe."

    Während sich die Seilschaft im Nebel entfernt, macht sich Magnús Tumi Guđmundsson mit einem zweiten Team auf den Weg Richtung Krater. Weiße Dampfwolken steigen von dort auf. Es riecht nach Schwefel.

    "Wir werden hier am Rand entlang laufen und versuchen, einen Blick in den Krater zu werfen. Dort unten hat sich ein See gebildet, und über den müssen wir mehr erfahren. Vor allem, wie tief er ist. Denn dieser See könnte eine neue Flutwelle auslösen."

    "OK, so we continue... we just carry on, I think, this went quite smoothly"

    Die neblig feuchte Kälte kriecht durch Regenjacke, zwei Fleecepullover und zwei Woll-T-Shirts bis auf die Knochen. Selbst unten in den Tälern steigen die Sommertemperaturen selten über 15 Grad Celsius. Und doch leiden die isländischen Gletscher unter der Wärme. Helgi Björnsson:

    "Seit 1995 ziehen sich alle Gletscher auf Island sehr stark zurück. Sie verlieren im Schnitt einen Meter Dicke pro Jahr. Die mächtigsten Gletscher hier sind etwa 900 Meter dick, aber im Durchschnitt sind es eher 300 bis 400 Meter. Da ist ein Meter pro Jahr ein dramatischer Verlust."

    Ausgehend von den aktuellen Klimamodellen für die kommenden Jahrzehnte haben Helgi Björnsson und seine Kollegen berechnet, was mit den Gletschern passieren könnte. Ihren Ergebnissen zufolge wird es in 200 Jahren keine Gletscher mehr auf Island geben.

    "Wir sehen schon jetzt die Folgen dieses Gletscherschwundes: Die Erdkruste hebt sich. Rund um unseren größten Gletscher, den Vatnajökull beobachten wir einen Anstieg von 3 cm pro Jahr. Damit reagiert die Erdkruste auf das geringere Gewicht, das auf ihr lastet. Wenn die Gletscher dicker und dicker werden, drücken sie die Erdkruste nach unten. Wenn sie schrumpfen, hebt sich die Kruste wieder. Sollte der Eispanzer des Vatnajökull komplett verschwinden, wird sich die Kruste um 100 Meter heben. Das wird allerdings einige Zeit dauern."

    Der Druck der Eisdecken schwindet. Die Folgen könnten verheerend sein:
    "Es könnte die vulkanische Aktivität beeinflussen. Der Druckabfall auf den oberflächennahen Magmakammern könnte das Magma zur Eruption bringen. In diesen Kammern herrscht hoher Druck. Eine Abnahme dieses Drucks könnte zu Rissen in der Decke der Magmakammer führen. Dann könnte Magma ausbrechen."

    Als nach dem Ende der letzten Eiszeit alle Gletscher auf Island verschwanden, brachen plötzlich ungewöhnlich viele Vulkane auf der Insel aus. Deshalb glaubt auch Christina Neal vom Alaskanischen Vulkanobservatorium, dass die Gletschervulkane der Welt in Zukunft aktiver werden könnten, wenn sich das Klima weiter erwärmt. In Alaska stiegen die Lufttemperaturen in den vergangenen Jahrzehnten sehr stark an. Gleichzeitig waren einige Vulkane dort in vergangenen Jahren ungewöhnlich unruhig.

    "Niemand hat bislang einen statistisch robusten Zusammenhang herstellen können, zwischen der Vulkanaktivität und dem Eisverlust. Aber es hat auch niemand wirklich danach gesucht. Zwischen 2004 und 2006 hatten wir eine Reihe kleinerer Eruptionen sowie einen Anstieg der geothermischen Aktivität an drei Vulkanen hier in Alaska. Alle drei sind eisbedeckt. Möglicherweise hat der Rückzug des Eises einen Teil dieser vulkanischen Aktivität ausgelöst. Aber das ist bislang nur eine Hypothese, sie ist noch nicht überprüft worden."

    In Island sind die Zeichen eindeutiger. Helgi Björnsson:

    "Jedes Mal, wenn sich die Seen unter dem Eis des Vatnajökull entleeren und damit der Druck auf den Untergrund innerhalb weniger Tage stark abnimmt, verstärkt das die vulkanische Aktivität."

    Verschwindet das Eis, könnten die Berge rumoren und mehr Feuer speien.

    Eine dritte Gruppe von Forschern hat sich mit Schaufeln und Plastiktüten südlich des Kraters des Eyjafjallajökull niedergelassen. Sie graben ein tiefes Loch. Magnús Guđmundsson:

    "Diese Gruppe untersucht die Schichtung der Asche. Die untersten Schichten stammen aus der frühesten Eruptionsphase, die obersten Schichten aus der letzten Phase. In den einzelnen Schichten messen wir die Korngröße sowie die Form der Partikel. Einige haben die Größe von Sandkörnern, andere sind viel feiner, wie Ton. Daraus können wir schließen, wann welche Art von Explosionen stattfand."

    Zehn bis zwanzig Meter Asche bedecken den Gipfel des Eyjafjallajökull. Obenauf liegen an vielen Stellen medizinballgroße Gesteinsbrocken.

    "Einige dieser Bomben sind aus dem Vulkanschlot gerissenes Gestein, aber die meisten bestehen aus Magma, das in Fetzen in die Luft geschleudert wurde. Dieser hier ist sehr leicht und hat viele Gasblasen, andere sind fest und gasarm. Das sind Variationen des Magma."

    Insgesamt hat der Vulkan schätzungsweise 200 bis 300 Millionen Kubikmeter Material ausgespuckt. Genaue Zahlen fehlen noch.

    "Wir stehen hier in der Mitte eines großen Zentralvulkans, der sich im Laufe hunderter oder tausender Eruptionen aufgebaut hat. Jede von ihnen hat ein wenig zum Wachstum des Bergs beigetragen. Die letzte hat einige Hügel in Kraternähe aufgeschüttet und einen Lavastrom Richtung Gletscherzunge geschickt. Sobald die Eruption vorbei ist, wird der Gletscher versuchen, ein Stück vom Berg wieder abzutragen. Das ist ein langsamer Prozess."

    Zwanzig Jahre wird es nach Einschätzung des Gletscherforschers Helgi Björnsson dauern, bis sich eine neue Eiskappe gebildet hat. Die Ascheschicht wird dann langsam vom Gewicht des wachsenden Gletschers über ihr zusammengepresst werden.

    "In einigen Regionen Islands, vor allem in den Gebirgen, fallen mehr als 4000 Millimeter Niederschlag pro Jahr. Die Berge sind zwar vulkanischen Ursprungs aber nicht dauernd aktiv. Und da die Sommer hier nicht sehr heiß sind, schmilzt in dieser Jahreszeit nur ein Teil des Schnees auf den Bergen. Was übrigbleibt, verwandelt sich langsam in Eis."

    Magnús Tumi Guđmundsson ist am Kraterrand angekommen. Dampfwolken versperren den Blick auf den Kratersee. Rechts öffnet sich eine tiefe Schlucht im Eis, etwa 200 Meter weit und 100 Meter tief. Sie zieht sich viele Kilometer den Berg hinab. Vom Grund der Schlucht wirbeln Rauchsäulen auf.

    "Wir schauen hier über den Lavastrom. Die Lava selbst können wir nicht sehen, sie ist unter etwa zehn Meter Asche begraben. Aber wir können den Rauch sehen, der sich an einigen Stellen seinen Weg durch die Asche kämpft. Rechts und links ragen die Eiswände der Schlucht auf. Das obere Ende zeigt, wie mächtig der Gletscher früher war, vor der Eruption. Die Lava hat das Eis einfach weggeschmolzen und diese tiefe Schlucht geschaffen."

    Am Grund der Eisschlucht leuchten rote und gelbe Flecken in der schwarzen Asche. Schwefel und andere Elemente treten dort aus. Der Vulkan hat eine riesige, rauchende Wunde ins Eis geschlagen. Es fühle sich an, als würde der Ort kochen, meint Magnús Tumi Guđmundsson.

    "The place feels like it is boiling almost and there are strange smells and we see these, many places we see these yellow red stains of alteration. We see lots of them here."

    Weder er noch seine Kollegen wissen, wie es weiter geht. Ist der Eyjafjallajökull wieder eingeschlafen - oder sammelt er nur Kraft für den nächsten Feuersturm? Der letzte Ausbruch dieses Vulkans dauerte länger als ein Jahr.
    Eine dicke Ascheschicht bedeckt den Eyjafjallajökull.
    Eine dicke Ascheschicht bedeckt den Eyjafjallajökull. (Monika Seynsche)
    Aufgewirbelte Asche verdunkelt den Himmel im Süden Islands.
    Asche am Himmel (Monika Seynsche)
    Eine Dezimeter dicke Ascheschickt bedeckt die Felder der Farm Seljavellir am Eyjafjoll.
    Eine Dezimeter dicke Ascheschickt bedeckt die Felder der Farm Seljavellir am Eyjafjoll. (Monika Seynsche)
    Der Lavastrom hat eine Schlucht ins Eis des Eyjafjallajökull geschmolzen.
    Schlucht im Eis (Monika Seynsche)
    Die Pistenraupe kämpft sich den aschebedeckten Eyjafjallajökull hinauf.
    Pistenraupe (Monika Seynsche)
    Im Krater des Eyjafjoll hat sich ein See gebildet aus dem kontinuierlich Wasserdampf aufsteigt.
    Im Krater des Eyjafjoll hat sich ein See gebildet aus dem kontinuierlich Wasserdampf aufsteigt. (Monika Seynsche)
    Im Krater des Eyjafjoll hat sich ein See gebildet, der koninuierlich verdampft.
    Kratersee (Monika Seynsche)