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Spielend gesund

IT.- Computerspiele müssen nicht nur der Unterhaltung dienen. In spezialisierter Form werden sie auch in Reha-Kliniken eingesetzt - zum Beispiel zur Behandlung chronischer Rückenschmerzen. Auf der Heidelberger Tagung "Spielend gesund" trafen sich jetzt Mediziner und Spieleentwickler, um neue Ideen zu besprechen.

Von Lucian Haas | 12.11.2012
    Alex Kamps steht vor einem Computerbildschirm mit einer Art Videospiel. Das Bild zeigt die dreidimensionale Darstellung einer bunten Scheibe mit einem Punkt in der Mitte. An den Rändern ist sie wie eine Uhr mit den Ziffern 3, 6, 9 und 12 beschriftet. Auf der Scheibe rollt eine Kugel hin und her – immer in die Richtung, in welche der Spieler die virtuelle Scheibe neigt.

    "Meine Aufgabe ist es jetzt hier, durch meine Vorneigung auf die 12 zu gehen und dann wieder zurück zum Punkt zu gehen. Also es geht erst einmal um die Mobilisierung."

    Das Besondere an dem Spielsystem "Valedo" der Schweizer Firma für Rehabilitationsgeräte Hocoma ist die Steuerung. Alex Kamps hält keinen Joystick in der Hand. Er lenkt die Kugel mit seiner Körperhaltung. An seiner Wirbelsäule sind auf Höhe des Beckens sowie des ersten Lendenwirbels zwei Bewegungssensoren befestigt. Sie geben die Lage und Neigung des Beckens oder des Oberkörpers als Steuerimpulse per Funk an den Rechner weiter.

    "Wir können die Übungen so einstellen, dass letztendlich die Bewegungsausführungen sich entweder auf die Bewegungen des unteren Sensors im Sakralbereich beziehen. Das würde dann wirklich die Beckenregion ansprechen, also Becken kippen, Becken aufrichten. Oder halt auf die Funktion oder die Bewegung, die der Sensor L1 auf dem ersten Lendenwirbel erzeugt. Das wären dann die Bewegungen im Oberkörper. Also Vorneigen und Lateralflektion."

    20 verschiedene Spielaufgaben gilt es bei Valedo zu meistern. Zum Beispiel muss ein Taucher nur mit Beckenbewegungen durch ein Höhlensystem gesteuert werden, um Muscheln einzusammeln. Jede erreichte Muschel erhöht den Punktestand. Für den Spieler bedeutet das Spaß, mit einem erwünschten therapeutischen Nebeneffekt. Durch die Steuerbewegungen trainiert er automatisch seinen Rücken.

    "Wenn ich also zielgerichtet den Taucher steuern kann, dann werde ich auch mehr Punkte bekommen und dementsprechend in dem Spiel besser werden. Der Fokus ist letzten Endes komplett in dem Moment aufs Ziel gerichtet, und nicht mehr auf die Bewegung an sich und auf die Schmerzen. Sondern der Patient fokussiert sich auf die Aufgabe im Spiel selber."

    Valedo ist ein Beispiel für einen Trend in der Rehabilitationsmedizin. Immer häufiger werden Computerspiele zu therapeutischen Zwecken eingesetzt. Experten sprechen von Serious Games – also Spielen, die nicht in erster Linie der Unterhaltung dienen. Es geht etwa um die Mobilisierung von Patienten mit chronischen Rückenschmerzen, oder um Koordinationsübungen für Menschen, die nach einem Schlaganfall einfache Bewegungen neu lernen müssen. Volker Hömberg, Chefarzt der Neurologie des SRH Gesundheitszentrums Bad Wimpfen, hat damit im Klinikalltag gute Erfahrungen gemacht.

    "§Solche Spiele sind eben für Patienten, wenn man sie spielt, angenehm. Vielleicht angenehmer als irgendein trockenes Training, was man sonst macht. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Spiele auch die Möglichkeit geben, dass der Patient, wenn er nicht mehr in der Rehabilitationsklinik ist, sich auch selber zu Hause weiter trainieren kann.""

    Spezialsysteme wie der Rückentrainer Valedo sind derzeit noch zu teuer für einen Einsatz zu Hause. Zunehmend entwickeln Hersteller aber auch Serious Games für klassische Spielekonsolen. Daniel Görlich, Studiendekan Virtuelle Realitäten an der SRH Hochschule Heidelberg, sieht dabei noch Einschränkungen, wenn es um die Feinmotorik geht:

    "Diese Konsolen taugen nicht unbedingt für die frühen Rehabilitationsmaßnahmen. Wenn sie zum Beispiel einen Patienten haben, der nach einem Unfall neu laufen lernen muss, dann muss der ja erst einmal anfangen, die Fußgelenke zu trainieren. Für solche sehr feinen Übungen sind die Konsolen nicht geeignet."

    Ein einfaches Training für das Gleichgewichtsgefühl von älteren Menschen hingegen mache mit den Spielekonsolen durchaus Sinn, so Daniel Görlich. Studien zeigen, dass passende Übungsspiele das Sturzrisiko von Patienten reduzieren. Als günstige Präventivmaßnahmen könnten sie sogar helfen, die Kosten im Gesundheitswesen zu senken.