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Spielwiese sportbegeisterter Abgeordneter

Was ist das eigentlich für ein Gremium? Welche politischen Aufgaben hat der Ausschuss? Und wie lässt er sich in unserem parlamentarischen System verorten? Fragen, denen der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Gerd Langguth nachgegangen ist.

Von Gerd Langguth | 03.12.2011
    Dass dieser Ausschuss sechs Jahre lang öffentlich tagen konnte, wird von vielen als ein prinzipielles Verdienst an Offenheit und Transparenz gesehen. Aber vielleicht trügt auch dieser Schein. Der Ausschuss ist voller Funktionäre des organisierten deutschen Sports, der Millionenbeträge aus öffentlichen Kassen erhält und dessen Arbeit eigentlich der Sportausschuss kritisch unter die Lupe zu nehmen hätte. Es gibt keinen Beleg dafür, dass der Ausschuss den einzelnen Sportverbänden wirklich auf die Finger geschaut hätte.

    Wie soll das auch möglich sein? Sind doch die meisten Mitglieder dieses Ausschusses in vielfältiger Weise mit den einzelnen Sportorganisationen eng verzahnt. Beispielsweise lässt sich das an der SPD-Politikerin und derzeitigen Vorsitzenden dieses Ausschusses, Dagmar Freitag, sehr gut dokumentieren: Freitag ist seit 2001 Vizepräsidentin des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). Als der Verband 2008 mit seinen DDR-Dopingtrainern in die Kritik geriet, dauerte es Monate, bis das Thema auf die Tagesordnung des Ausschusses kam. Dann tat sich die damalige sportpolitische Sprecherin der SPD dadurch hervor, dass sie die Glaubwürdigkeit der Opfer bezweifelte. Auch ihre Kollegen aus anderen Fraktionen sind mit einzelnen Sportorganisationen verbandelt: Eberhard Gienger (CDU), ehemaliger Turnweltmeister, hat wenigstens vor geraumer Zeit sein Amt als Vizepräsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) zur Verfügung gestellt. Noch aktiv ist dagegen das stellvertretende Ausschuss-Mitglied, der CDU-Abgeordnete Reinhard Grindel. Er fungiert als Anti- Korruptionsbeauftragter des Deutschen Fußball-Bundes. Der sportpolitische Sprecher der SPD, Martin Gerster, ist Präsident des Deutschen Sportakrobatik Bund.

    Es stellt sich also zu Recht die Frage nach der Funktion dieses Ausschusses, der seit 1969 existiert. Die Mitglieder des Sportausschusses rühmen sich insbesondere in ihren Wahlkreisen, wie sehr sie sich für den Sport, der "schönsten Nebensache der Welt", einsetzen. Das macht beliebt. Man kann zu wichtigen, auch internationalen Sportereignissen reisen – wie kürzlich nach Brasilien und Chile oder am Jahresanfang nach Dubai – und man wird abgebildet mit prominenten Sportlern.

    Doch das allein kann es nicht sein. Normalerweise orientieren sich die Ausschüsse des Bundestages an den Ressorts der Bundesministerien. Ausnahmen sind etwa die im Grundgesetz festlegten Ausschüsse für Petition und der Europa-Ausschuss. Ebenfalls nicht an einem Bundesressort orientieren sich die Ausschüsse für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung sowie der Gemeinsame Ausschuss (Vermittlungsausschuss aus Bundesrat und Bundestag). Vergleichbar mit dem Sportausschuss ist lediglich der Ausschuss für Fragen der Touristik. Für Sport ist im Rahmen der Ressortverteilung das Bundesministerium des Inneren – die entsprechende Abteilung sitzt in Bonn – zuständig. Es wird Zeit, den Touristik- und Sportausschuss in einen Unterausschuss – letzteren zum Innenausschuss gehörig - umzuwandeln.

    Nirgendwo wird im Deutschen Bundestag Lobbyismus so offen betrieben wie im Sportausschuss. Früher war es etwa möglich, dass im Innenausschuss, der für die sozialen Rechte von Beamten zuständig ist, ein stellvertretender Bundesvorsitzender des Deutschen Beamtenbundes Mitglied war. Das war Lobbyismus pur. So ist es beim Sport heute noch. Kritik etwa an der Arbeit des DOSB wurde nie geübt. Faktisch gibt es im Sportausschuss eine schwarz-rote Koalition aus Unionsparteien und SPD – und innerhalb des DOSB eine gelb-grüne Allianz aus Thomas Bach (FDP), Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes und seinem Generaldirektor Michael Vesper (Die Grünen). Die Fraktionen sollten solche Persönlichkeiten für den Sportausschuss aufstellen, die nicht durch ihre ehrenamtlichen Funktionen in Sportverbänden eher Vollzieher des Verbändewesens sind. Der Ausschuss hat hinsichtlich der Sportpolitik keinen wirklichen Stellenwert. Er wird als eine Spielwiese von sportbegeisterten Abgeordneten angesehen. Diese zeichnet sich nun wirklich nicht damit aus, die Bundesregierung, konkret: das Bundesinnenministerium, in punkto Sport zu kontrollieren. Von daher bleibt nur eine Konsequenz: Der Sportausschuss gehört grundlegend reformiert - oder abgeschafft.