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Spitze Gefahr

Die Blauzungenkrankheit kommt aus den Tropen - und dennoch haben sich Rinder und Schafe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz mit ihr infiziert. Überträger ist die Mücke. Experten befürchten deshalb, dass auch immer mehr Menschen sich mit Krankheiten anstecken könnten, die von Mücken weiter gegeben werden. Ein Mückenmonitoring soll helfen, diese Gefahr einzuschätzen.

Von Joachim Budde | 19.09.2006
    Leise schnurrt die Insektenfalle, die Frans Jacobs gerade auf einer Wiese in Betrieb genommen hat. Das hüfthohe Gerät erinnert an einen Außenbordmotor. Auf ihrem schlanken langen Fuß steht ein eiförmiges Gehäuse, das an eine Gasflasche angeschlossen ist und kleine Kohlendioxid-Stöße abgibt:

    "Aus diesem Röhrchen strömt CO2. Es lockt Insekten an, weil Mensch und Tier es ausatmen. Die Falle saugt die Insekten in ein Netz, und da kommen sie nicht mehr heraus."

    Mit dieser Falle sind die niederländischen Insektenforscher von der Universität Wageningen Mücken auf der Spur, die in der Lage sind, Viruskrankheiten zu übertragen. Zwar sind bisher keine Fälle bekannt, in denen in den Niederlanden oder auch Deutschland Mücken eine solche Krankheit auf Menschen übertragen hätten, aber die holländischen Wissenschaftler wollen sich wappnen. Willem Takken, Dozent am Insektenlabor der Universität Wageningen und Leiter der Untersuchung, erklärt:

    "Wir haben hier in den Niederlanden gesagt: Wir müssen uns der Gefahr bewusst sein, dass solche Krankheiten in Zukunft hier auftreten könnten. Und dann muss man zuallererst wissen, welche Mücken in unserem Ökosystem überhaupt vorkommen, zu welcher Jahreszeit sie am häufigsten vorkommen und wo sie vorkommen. Und wir haben gehofft, dabei auch Migranten zu finden, also Mücken, die erst vor kurzem in den Niederlanden eingetroffen sind, von wo auf der Welt auch immer."

    Besonders einem Einwanderer spüren sie nach: der Tigermücke Aedes albopictus. Das Insekt stammt ursprünglich aus Südostasien, ist aber schon länger in Europa heimisch. Vor allem in Italien ist die Tigermücke eine wahre Plage, die andere Artgenossen verdrängt. Auch in Frankreich, der Schweiz, in Belgien und eben in den Niederlanden ist sie schon aufgetaucht. Insektenforscher Willem Takken und seine Kollegen haben ermittelt, dass das Insekt in Containern mit Glücksbambus aus China in niederländische Gewächshäuser eingeschleppt wurde:

    "Das wäre nicht so schlimm, wenn es dabei bliebe. Aber wegen der warmen Sommer ist es denkbar, dass die Mücken in den Niederlanden heimisch werden. Wir wissen, dass ihre Eier unsere Winter überleben können, die Tigermücke könnte also zur Plage werden."

    Im Labor haben Wissenschaftler nachgewiesen, dass die Tiger-Mücke über 100 verschiedene Krankheitserreger übertragen kann. Zum Beispiel das Dengue- oder das Gelbfiebervirus, beides Krankheiten, die früher bereits in Europa vorgekommen sind. Bisher haben Wissenschaftler allerdings noch keine Hinweise darauf gefunden, dass die Tigermücke sich in Holland außerhalb der Gewächshäuser eingenistet hat. Ob es bereits Exemplare der Mücke in Deutschland gibt, weiß kein Mensch, sagt Helge Kampen, Wissenschaftlicher Assistent am Institut für medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie der Universität Bonn:

    "Wenn wir nicht suchen, werden wir nichts finden. So ist das eben. Wir müssten im Grunde genommen nicht nur bei den Stechmücken, sondern bei vielen anderen potenziellen Krankheitsüberträgern wirklich ein gründliches Monitoring machen, wird auch in vielen anderen Ländern gemacht, Deutschland hat das wohl bisher nicht als notwendig erachtet."

    Einzig die "Kommunale Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage" am Oberrhein untersucht entlang der A5 im Rheintal, ob die Tigermücke von Süden nach Deutschland kommt. Denn die Rahmenbedingungen für Insekten verbessern sich hier wie in den Niederlanden, sagt der niederländische Forscher Willem Takken:

    "Natürliche Ökosysteme breiten sich aus, in denen alle möglichen wilden Tiere ihr Habitat finden. Die Klimaveränderung bringt intensiveren Regen im Sommer, wärmere Sommer und weniger kalte Winter, das alles ist sehr günstig für die Insekten. So gesehen ist es gar nicht so verwunderlich, dass wir Krankheiten entdecken, die wir vor 50 Jahren niemals erwartet hätten."