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SPÖ-Wahlkampf in Wien
Wackelige Aussichten für rot-grüne Regierung

FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache will nach den österreichischen Parlamentswahlen im Herbst Bundeskanzler werden. Die traditionellen Regierungsparteien ÖVP und SPÖ wollen das verhindern. Im "rot-grünen Wien" soll Langzeit-Bürgermeister Michael Häupl die Wähler noch einmal mobilisieren - obwohl der SPÖ-Politiker direkt nach der Wahl in den Ruhestand wechselt.

Von Claus Heinrich | 22.05.2017
    Der Bürgermeister der Stadt Wien, Michael Häupl spricht ins Mikrofon auf einer Veranstaltung am 02.12.2016
    Michael Häupl, seit 1994 Bürgermeister von Wien. Er klebe an seinem Sessel, heißt es. Und er kümmere sich nicht um eine geregelte Nachfolge. (dpa/Daniel Reinhardt)
    "Miteinander vorwärts, aktiv gestalten, immer im Sinne unserer Grundwerte". Die Parolen klingen altbacken. Dennoch: Der traditionelle 1.-Mai-Aufmarsch der Wiener Sozialdemokraten auf dem Rathausplatz ist ein Muss. Anders als beim Vorjahr, als der damalige Bundeskanzler Werner Faymann dort ausgepfiffen wurde, ist der Empfang für seinen Nachfolger Christian Kern freundlich:
    "Lieber Herr Bundeskanzler, du hast gemeint, du erwartest keine Palmwedel am Rathausplatz. Meine Ottakringer Freunde haben die Palmwedel mitgebracht. Deine Erwartungshaltung versuchen wir in der Wiener SPÖ so gut als möglich zu erfüllen", sagte etwas spöttisch Michael Häupl, seit 22 Jahren Bürgermeister der Stadt Wien.
    Die Erwartungshaltung an die Wiener SPÖ heißt nun, wo die Große Koalition im Bund zu Ende geht, ein gutes Ergebnis bei der Nationalratswahl zu holen. Immerhin wohnt jeder sechste Wahlberechtigte in der österreichischen Hauptstadt. Das weiß auch Bundeskanzler Kern:
    "Wir haben nicht immer leichte Zeiten gehabt. Die Partei ist durch schwere Krisen gegangen. Aber wir haben die gemeistert. Und wir haben sie immer dann gemeistert, wenn wir zusammengestanden sind."
    Personaldebatte nach den Parlamentswahlen
    Dieser Appell zu Geschlossenheit hat seinen guten Grund. Denn gerade mal zwei Tage vor der 1.-Mai-Parade hatte der Landesparteitag Bürgermeister Häupl mit einem Wiederwahlergebnis von nur 77 Prozent abgestraft. Und das, obwohl er angekündigt hatte:
    "Ich mache das, was ich mir vorgenommen habe. Nach der Nationalratswahl werde ich aufhören."
    Die kommt jetzt ein Jahr früher als erwartet, doch auch das reicht seinen Kritikern nicht. Er klebe an seinem Sessel, heißt es. Und er kümmere sich nicht um eine geregelte Nachfolge. Baubürgermeister Michael Ludwig gilt als Favorit und scharrt ungeduldig mit den Hufen. Heute tagt der Landesvorstand. Doch die SPÖ-Kennerin und Ressortleiterin bei der Wiener Wochenzeitung Falter, Barbara Tóth, rechnet nicht mit einem Eklat:
    "Also jetzt heißt es erst mal Wahlkampf, Personaldiskussionen hinten angestellt. Noch einmal der Fokus auf diese wirklich spannende, für die Wiener SPÖ auch sehr schwierige Wahlauseinandersetzung. Nachfolgedebatten werden offen nach dem 16. Oktober ausgetragen werden."
    Also unmittelbar nach der vorgezogenen Neuwahl des Nationalrats. Häupl bekommt somit noch einmal die Chance, seinen einstigen Rivalen um das Bürgermeisteramt, den FPÖ-Vorsitzenden Heinz-Christian Strache, zu attackieren:
    "Denn es geht nicht nur darum, dass wir nicht wollten, 2015, dass hier ein bestimmter Herr nicht als Bürgermeister ins Rathaus einzieht. Wir wollen auch nicht, dass er im Ballhausplatz einzieht. Aber dann müssen wir sagen warum und was die Alternative ist, liebe Genossinnen und Genossen."
    Ist die FPÖ für die Sozialdemokraten koalitionsfähig?
    Doch die Frage "Wie hältst du es mit der FPÖ?" entzweit die Genossen. Im Burgenland ist die SPÖ sogar ein Regierungsbündnis mit den Rechtspopulisten eingegangen. Die Wiener SPÖ-Außenbezirke mit ihren hohen Ausländer- und Arbeiteranteilen werben ebenfalls offen für eine Kooperation mit den Blauen, während die gentrifizierten Innenstadtbezirke weiter auf Rot-Grün setzen. An der Spitze Michael Häupl.
    Aber nicht nur die Sozialdemokraten, auch der grüne Koalitionspartner kriselt. Vize-Bürgermeisterin Maria Vassilakou könnte über das knappe Nein bei der Mitgliederabstimmung zu einem von ihr zu verantwortenden umstrittenen Hotelneubau am Heumarkt stolpern. FPÖ-Chef Strache frohlockt schon und fordert nun auch für Wien Neuwahlen:
    "Da haben wir ja gesehen, dass es natürlich zurecht in der SPÖ brodelt. Ich kann Euch sagen, so sehen Loser aus, wie der Herr Häupl nach 20 Jahren."
    Das Ende des ehemals roten und mittlerweile rot-grünen Wien ist also durchaus möglich, meint auch Journalistin Barbara Tóth:
    "Also ich vermute mal, dass je nachdem, wie die Wahl in Wien vor Ort ausgehen wird, welche Stimmen aus welchen Bezirken wie stark kommen werden, das auch ein Gradmesser sein wird, wie sich die Wiener SPÖ in Zukunft positionieren wird."