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Sponsoring aus Peking?

Shakespeare aus Korea, dazu ein chinesischer Hamlet, King Lear auf Mandarin: Das International Festival von Edinburgh setzt dieses Jahr auf Künstler und Produktionen aus Asien. Festivalleiter Jonathan Mills wird dabei vorgeworfen, die Veranstaltung vom chinesischen Regime sponsorn zu lassen.

Von Susanne Lettenbauer | 22.08.2011
    Man kann dem europäischen Publikum einen eurozentrischen Blick vorwerfen, ohne Zweifel. Eine gewisse Reserviertheit gegenüber den traditionsverbundenen Produktionen des Staatlichen chinesischen Nationalballetts oder den opulenten, schräg-bunten Märchenadaptionen koreanischer Pansori-Tanzcompanies. Bestaunte Stabpuppen und Schattenspiele, belächelte quietschbunte Sonnenschirme und übergroße Fächer, die waren in den 65 Jahren des Edinburgh Festivals immer im Programm zu finden, in Maßen, vor allem für den notwendigen internationalen, exotischen Touch. Moderne afrikanische Musicals oder indonesische Stand-up-Comedy fanden sich im Fringe-Festival, dem anarchisch, frivolen August-Festival der globalen Off-Szene wieder. Ein Fehler, meint Jonathan Mills, der Australier auf dem Chefsessel des Internationalen Festivals und holt in diesem Jahr die wichtigsten chinesischen Kulturinstitutionen auf seine Bühnen:

    "Mehr als je zuvor müssen wir uns bemühen, nicht nur zu verstehen, wie eng unsere Zukunft mit Asien verbunden sein wird, sondern vielmehr müssen wir lernen, wie dieser Kontinent tickt, welche Werte dort herrschen. Schon aus eigenem Interesse. Unser Leben ist so abhängig geworden von den globalen Transaktionen, ökonomisch, ökologisch und soziokulturell. Wir müssen ein Gefühl für die Nuancen, die Zwischentöne und Misstöne bekommen. Ob wir es wollen oder nicht, wir haben eine gesamte Zukunft, Asien und Europa."

    Der gebürtige Australier Mills kann eigentlich für sich beanspruchen einen unvoreingenommenen Blick auf die asiatische Kunstszene zu besitzen. Er präsentiert die aus New York stammende Shen Wei Tanz Company mit Re-Triptychon, drei berückenden, minimalistischen Choreografien zu traditionellen tibetischen Gesängen, kambodschanischer Volksmusik und Soundcollagen aus dem hypermodernen China und seinen Widersprüchen. Er holt den vietnamesischen Ausnahmechoreografen Ea Sola auf die Bühne des viktorianischen Kings Theatre. Die koreanische Mokhwa Company reist mit Shakespeares "Sturm" an, übertragen in das 5. koreanische Jahrhundert, schlicht kostümiert, auf die wesentliche Handlung reduziert, hochmodern - für den europäischen Geschmack.

    Warum nun aber das Chinesische Staatsballett und die Shanghai Peking Oper im Programm stehen, erschließt sich niemandem. Beide mit historisierenden, aus der Zeit gefallenen Quasiinszenierungen. Der Inhalt bleibt rudimentär, die Botschaft gleich null. Selbst die Ein-Mann-Show der taiwanesischen Adaption von William Shakespeares King Lear und die chinesische Variante des Hamlet bringt außer viel Exotik und viel gutem Willen dem Publikum nicht das versprochene Ost-West-Verständnis. Stattdessen hagelt es Kritik. Menschenrechtsorganisationen werfen Festivalchef Mills falsch verstandenes Kultursponsoring vor. Kritisieren die finanzielle Unterstützung vom chinesischen Regime. Mills dementiert:

    "Jeder einzelne Auftritt eines chinesischen Künstlers im Ausland wird von der Regierung in Peking gesteuert. Zu glauben, dem wäre nicht so, ist schlichtweg ignorant. So einfach ist das. Außerdem hab ich nie irgendwelche Gelder von der Regierung angenommen, die Künstler werden von Peking bezahlt, ja. Warum? Alle Institutionen gehören in China dem Volk, also auch den Künstlern. Das chinesische Staatsballett und die Peking Oper können nicht jenseits des Systems existieren. Wir hier in Edinburgh wollen eben auch nicht nur Exilchinesen einladen. Ich empfinde diese Diskussion als sehr heuchlerisch."

    Die asiatisch-europäische Annäherung, sie kann funktionieren, zeigt die asiatisch-amerikanisch-britische Produktion The Wind-up Bird Chronicle, die Adaption eines Romans des japanischen Autors Haruki Murakami, die einzige Uraufführung des früher an Uraufführungen reichen Edinburgh Festivals. Geschickt verschiebt der amerikanische Regisseur Stephen Earnheart transparente Raumteiler in einer Geschichte vom plötzlichen Verschwinden der Ehefrau, der erfolglosen Suche des Mannes, dem Auftauchen alter Bekannter und das Verschwinden dieser Chronik eines unangekündigten Verlustes hinter Gazewänden. Plötzlich wirkt die Verdopplung der Hauptfigur in einer Puppe nicht mehr exotisch, das Schattenspiel eines kopulierenden Paares nicht mehr nur interessant. Da wird deutlich welche enorme Bereicherung asiatische Bühnentraditionen für das europäische Theater sein kann.