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Sport in Griechenland
Mit der Krise leben lernen

Die Finanzkrise in Griechenland hält nun schon seit sechs Jahren an. Das alles macht auch vor dem Sport in Griechenland nicht halt, ob nun im einst staatlich geförderten Spitzensport oder in Profivereinen - alle haben mit den Auswirkungen der Krise zu kämpfen. Doch aus der Krise kann auch Neues entstehen.

Von Victoria Reith | 12.06.2016
    Proteste in Griechenland: Plakate vor dem Finanzministerium am 11.06.2015, auf einem heißt es "Jesus, bitte rette Griechenland"
    Von der Finanzkrise in Griechenland sind alle betroffen (AFP / Louisa Gouliamaki)
    Das Panathinaiko-Stadion im Athener Stadtzentrum. Hier fanden 1896 die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit statt. Heute spielen hier zwei Schülermannschaften in neonfarbenen Leibchen Basketball. Ein Programm für Schüler zwischen sechs und zwölf Jahren, die Trainer sind ehemalige Athleten und beim Bildungsministerium angestellt. So wie Ioanna Bouziou, sie hat an den Olympischen Spielen im Softball teilgenommen, 2004, im eigenen Land. "Hier können die Kinder Sport machen und noch was über die Geschichte ihres Landes lernen. Beides. Manchmal lernen sie Dinge, die sie vielleicht nicht in der Schule machen. Weil nicht alle Sport in der Schule haben."
    Zwar sieht der Lehrplan überall Sportunterricht vor, aber nicht jede Schule hat eine Turnhalle oder einen Sportplatz – und es mangelt an Lehrern. Da ist der Ausflug ins Olympiastadion von 1896 wenigstens eine gelungene Abwechslung.
    Mit Stipendien und Sponsoren nach Rio
    Die Kosten des Programms tragen zwei Sponsoren, mitentwickelt wurde es vom Hellenischen Olympischen Komitee. Dessen Präsident Spyros Capralos erklärt, die Krise betrifft alle im Sport. Insbesondere die Elitesportler, deren Förderungen gekürzt wurden. Capralos rechnet vor: 2005 bis 2008 hat das NOK 30 Millionen Euro bekommen für die Olympia-Vorbereitungen der Athleten, 2009 bis 2012 acht Millionen und: "Von 2013 bis heute haben wir Null bekommen. Und wenn ich sage Null, meine ich null Euro für die olympische Vorbereitung."
    Deshalb hat das Hellenische Olympische Komitee die Aktion "Adopt an athlete on the way to Rio" gestartet, und an die Türen von Investoren geklopft. 30 Firmen und Privatleute haben 57 Spitzensportler finanziell unterstützt, von denen sich die meisten inzwischen für die Olympischen Spiele im August qualifiziert haben. Auch das IOC habe mehr Stipendien als eigentlich üblich an griechische Sportler vergeben - angesichts der prekären Situation im Land, das ja die Wiege der Olympischen Spiele ist. In London 2012 gewann das griechische Team nur zwei Bronzemedaillen. 2004 im eigenen Land waren es noch 16 Medaillen, davon sechs goldene.
    "Wir zielen darauf ab, in Rio zwei bis fünf Medaillen zu holen. Wenn wir es schaffen, mehr als in London zu gewinnen wäre das ein Wunder und eine große Genugtuung. Und eine großartige Leistung der Athleten. Die Sportler selbst sind ja die Helden."
    Adoptionsaktion für Olympioniken
    Die Adoptions-Aktion ist auf Rio beschränkt, im Januar wird das griechische NOK neu gewählt – das wird in der neuen Wahlperiode viele Probleme zu lösen haben, so Capralos. "Ich bin sehr skeptisch, was die Zukunft des griechischen Sports betrifft, insbesondere wenn wir keine Trainingsanlagen für die Sportler haben. Es wird sehr schwer werden, dass sich viele Athleten für Olympische Spiele qualifizieren und Erfolge feiern. Aber für Rio sind wir zuversichtlich."
    Der Vorwurf, dass die Olympischen Spiele in Athen 2004 die Finanzkrise mit ausgelöst hätten, hält Capralos für unlauter. Die Infrastruktur wie der neue Flughafen oder die Metro dienten schließlich allen in der griechischen Hauptstadt. "Das ist kein Fehler der Olympischen Bewegung oder der Bürger. Es ist schlechtes Management der Regierungen, dass zwölf Jahre nach den Olympischen Spielen manche Sportanlagen nicht ausgeschöpft werden. Sie sind nicht privatisiert, überhaupt nicht genutzt worden!"
    Jugend leidet am meisten unter der Krise
    Spyros Capralos war als Wasserballer selbst bei den Olympischen Spielen 1980 und 84. Genau wie Teamkollege George Mavrotas, der jetzt als Abgeordneter der proeuropäischen Partei To Potami Teil des Politikbetriebs ist. Er betont, wie wichtig ein funktionierendes Sportsystem auch für die breite Bevölkerung ist: "Elitesport und Breitensport sind zwei verbundene Gefäße, eines passt ins andere. Man braucht die Vorbilder, die Eliteathleten, um junge Leute für den Sport zu gewinnen. Auf der anderen Seite braucht man viele Leute, die Sport machen, als Basis, damit Eliteathleten hervorkommen können."
    Die Junioren sind seiner Ansicht nach diejenigen, die am meisten unter der Krise leiden. Eltern finanzieren zum Teil Schwimmwettkämpfe ihrer Kinder, damit die Organisatoren sie austragen können. Häufig fänden mehrere Wettbewerbe an einem Ort statt, damit es günstiger wird. "All diese Dinge beeinträchtigen die Qualität der Sportorganisation und der Wettkämpfe. Wir müssen lernen damit zu leben. Das ist jetzt eben so." Wenn es nach dem Abgeordneten Mavrotas ginge, sollte der Staat alles daran setzen, Sport zu ermöglichen, indem er Schwimmbäder und Hallen offen hält und Trainings anbietet. Das sei nicht unbedingt eine Frage des Geldes, sondern guter Organisation.
    Profi-Fußballvereine gehen Bankrott
    Auch der Profifußball leidet unter der Krise. In den vergangenen beiden Spielzeiten sind sechs Vereine aus der ersten und zweiten Liga bankrottgegangen, Spieler hatten plötzlich kein Einkommen mehr. Deshalb wurde jetzt ein Solidarfonds eingerichtet, der die Spieler und ihre Familien sozial auffängt. Grund für den Bankrott ist nach Ansicht von Stamatis Sigiros von der griechischen Spielergewerkschaft nicht das Wegbrechen von Sponsoren durch die Krise, sondern: "Die Einnahmen reichen nicht, um die finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen. Und die Vereine haben keine gute Aufsicht über ihr Geld. Einige - nicht alle Teams."
    Mehr Playoff-Spiele sollen die erste Liga spannender machen, die zweite Liga soll durch U20-Mannschaften von Erfolgsteams wie Olympiakos Piräus und Panathinaikos Athen attraktiver werden. Profis verdienen in der zweiten Liga oft nur 500 Euro im Monat, das ist der Mindestlohn in Griechenland. Kaum genug zum Leben, aber schon gar nicht, um sich ein Polster aufzubauen. Damit sie nach der Profilaufbahn auf etwas zurückgreifen können, soll die akademische Ausbildung der Sportler gestärkt werden.
    Ideenreichtum gefragt
    Und um künftig nachhaltig zu wirtschaften, seien die Vereine jetzt zur Jugendarbeit gezwungen, so Stamatis Sirigos von der Spielergewerkschaft: "Das ist die einzige Lösung. In Jugendakademien investieren, Spieler als Persönlichkeiten, und eine Verwaltung zu schaffen. Nicht nur Fußballspieler kaufen."
    Die Finanzkrise trifft den griechischen Sport - doch die Akteure wollen sich den widrigen Bedingungen nicht klaglos ergeben. Ob im Spitzen-, Breiten- oder Profisport: Wer heute Erfolg haben will, muss sich etwas einfallen lassen.