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Sport und Corona
Quo vadis, Sportdeutschland?

Leere Turnhallen, geschlossene Schwimmhallen, gesperrte Plätze: Die Coronakrise hat massive Auswirkungen auf die organisierten Sport. Dem Nachwuchs fehlen Ziele, Experten befürchten mehr Badetote. Werden die Vereine die Zeit überleben? Oder droht dem Sport der Exodus?

Von Lea Löffler | 16.08.2020
Ein Schild mit der Aufschrift "Platz gespresst" steckt im Rasen eines Vereinsspielfeldes
Wie einschneidend wird die Coronakrise langfristig für den deutschen Sport sein? (imago images / Zink)
Leere Turnhallen, geschlossene Schwimmhallen, gesperrte Plätze – zu Hochzeiten der Corona-Pandemie in Deutschland die Realität für viele Vereine. Und das Virus behindert den Sport weiterhin. Eine Umfrage des Deutschen Schwimmverbandes hat ermittelt, dass gerade mal 53 Prozent der Mitglieder momentan einen Zugang zu Schwimmbädern hat.
Die Bedenken im Verband sind dementsprechend groß, wie der Vizepräsident Wolfang Hein erzählt: "Wenn nur 50-60 Prozent der Bäder in Deutschland derzeit überhaupt wieder einen Vereinsbetrieb zulassen, dann stellt sich die Frage was verbleibt mit den 40 Prozent. Werden diese Vereine die Zeit überleben?".
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"Der Nachwuchs braucht Ziele"
Und daran ist auch die Frage geknüpft, was aus den angehende Leistungsschwimmerinnen und -schwimmern wird. Vermehrte Abmeldungen habe der Verband bisher nicht feststellen können. Laut Umfrage haben 92 Prozent der 2500 befragten Schwimmerinnen und Schwimmern noch nicht in Betracht gezogen den Schwimmsport zu verlassen. Langfristig könnte sich das ändern, besonders ohne die Möglichkeit das Schwimmbad zu besuchen.
An Wettkämpfen teilnehmen wollen momentan 62 Prozent. Und das sollte gefördert werden, meint Wolfgang Hein: "Der Nachwuchs im Schwimmsport der braucht Ziele, der braucht Perspektiven auf die er hinarbeiten kann. Und insofern haben wir für den Herbst diesen Jahres, oder besser Frühwinter, im Dezember noch die Deutschen Jahrgangs Meisterschaften, nach Dortmund vergeben."
Die Schwimmausbildung leidet
Fair können die Meisterschaften sicherlich nicht werden, dafür sorgen die vielen, noch geschlossenen Schwimmbäder. "Weiterhin ist es so, dass also die Schwimmausbildungen nur in dezimierten Umfängen stattfinden können und das heißt als auch im nächsten Jahr und im übernächsten Jahr, es wird sich also hinziehen, bevor dieser Corona-Jahrgang dann auch wirklich sicher schwimmen kann."

Denn zur Zeit findet rund die Hälfte der Schwimmkurse nicht statt. Der DSV-Vizepräsident befürchtet, dass dadurch auch langfristig weniger Kinder das Schwimmen lernen, was sogar zu mehr Badetoten führen könnte. Die Coronakrise könnte also einen Trend verstärken, den es ohnehin gibt: Seit 1990 hat laut DLRG die Zahl der Kinder, die sicher schwimmen können, um 50 Prozent abgenommen.
Ein Kind mit Schwimmring geht im Geibeltbad in Pirna (Sachsen) an einem Rettungsring vorbei.
Führt Corona langfristig zu mehr Badetoten? Viele Kinder lernen in Deutschland immer später Schwimmen (picture alliance / dpa)
Keine Hockey-Werbung in Schulen und Kindergärten
Anders als im Schwimmen, weiß der Deutsche Hockey Bund noch nicht, wie sich die Mitgliederzahlen entwickeln – der Verband will mit einer Auswertung bis Ende September warten, wenn die Kündigungsfrist in den Vereinen endet. Die Mitgliederzahlen sind in den letzten Jahren zwar stabil gewesen, allerdings fallen in diesem Jahr Veranstaltungen weg, bei denen der Verband neue Mitglieder anwerben wollte. Der DHB geht regelmäßig in Schulen und Kindergärten, um die Kinder dort für den Hockeysport zu begeistern. In Zeiten von Corona ist das nicht möglich.
Und noch ein Problem wird es ab Herbst für den Schlagsport geben: Beim momentan Training unter freiem Himmel ist das Risiko einer Ansteckungen gering. Ändern wird sich dies zu Beginn des Winters, wenn die Sportler in die Hallen ausweichen müssen. Hier werden strengere Hygienekonzepte gelten.
Das wichtige Gemeinschaftserlebnis fehlt
Einfacher wird der Jahreswechsel für die Ruderer, die ohnehin die meiste Zeit auf dem Wasser trainieren. "Ich kann jetzt nicht pauschal sagen, dass das Verhalten durch Corona verstärkt wird, dass Jugendliche die Verbandorganisation verlassen," zieht die U19 Ruder- Bundestrainerin Sabine Tschäge ihre Bilanz. Im Gegenteil. Durch die Corona-Pandemie seien Kinder und Jugendliche vermehrt zum Training gekommen, weil dort eine Abwechslung geboten wurde.
Wenn es jedoch ohne Wettkämpfe und gemeinsame Ziele für die Sportler weiterginge, hat Tschäge bedenken, "dass uns das ein oder andere Talent verloren geht, weil dann halt eben nicht direkt dieses Gemeinschaftserlebnis da war."
Über den Ruderergometer kam der Vater in den Verein
Auch der Chef-Trainer des RTHC Bayer Leverkusen Ralf Müller sieht dieses Problem : "Also Corona- Jahrgang erkläre ich mal so, für mich ist das, wenn in einem Jahr komplett, oder sehr gering, Wettkampftätigkeit vorhanden ist, dann kann es natürlich sein das gerade die Kinder, denen diese Wettkämpfe fehlen, im nächst höheren Jahrgang mit Gegner konfrontiert werden, die vielleicht schon zwei, drei Jahre so was im Training und im Wettkampf erlebt haben."
Neben Zoom-Meetings haben Müller und seine Trainerkolleginnen und -kollegen an der Nachwuchschallenge des Deutschen Ruder Verbandes teilgenommen. Über mehrere Wochen haben die Kinder sportliche Aufgaben erledigt und die Bilder in den sozialen Medien geteilt. So hat man versucht die Kinder zu motivieren.
Durch sein Engagement konnte Müllers Verein sogar ein neues Mitglied gewinnen: "Wir haben sogar, das war so eine lustige Geschichte, über ein Kind, das ein Ruderergometer mit nach Hause genommen hat, einen Zulauf aus dem Elternhaus. Also der Vater hat sich im Verein angemeldet, weil er sich zu Hause auch auf dieses Ergometer gesetzt hat."
Doch ohne den kreative Einsatz von Trainern, sähe die Bilanz heute vermutlich anders aus, erklärt U19-Bundestrainerin Tschäge: "Ohne das Engagement der Trainer wäre eigentlich viel nicht möglich gewesen und es hätte sicher den Ein oder Anderen nicht bei der Stange gehalten".
Die Schlüsselrolle der Trainer gilt es nicht nur im Rudern hervorzuheben, auch in den anderen olympischen Disziplinen- trotz der teils unterschiedlichen Probleme in der Nachwuchsarbeit.