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Sportausschuss ohne positive Bilanz

2009 konstituierte sich der Sportausschuss des Bundestages das erste Mal. Die Bilanz ist bisher ernüchternd. So ist zum Beispiel bei der Dopingprävention bisher noch nicht viel geschehen.

Von Grit Hartmann | 18.07.2010
    13 Mal tagte der Sportausschuss. Gleich die zweite Sitzung, eine öffentliche Anhörung, zog die Fronten klar. Zur Debatte stand die Causa Claudia Pechstein. Die Frage, ob die Eisschnellläuferin nach Bestätigung ihrer Dopingsperre durch den Weltsportgerichtshof Cas weiter als Vorbild gelten dürfe, beantwortete im Deutschlandfunk der sportpolitische Sprecher der FDP, Joachim Günther:
    "Ich glaube schon, dass Claudia Pechstein eine besondere Sportlerin war und dass das auch durch diesen einen Fall jetzt, durch diese jetzige Situation, sich nicht wesentlich geändert hat. Sie war die erfolgreichste Wintersportlerin Deutschlands, das ist nun einmal Fakt. Und wir wissen alle, wie mit der Doping-Situation heute meines Erachtens nach umgegangen wird."
    Mit derlei Äußerungen, ähnliche waren von Unions-Abgeordneten zu hören, fiel die schwarz-gelbe Koalitionsmehrheit sogar noch hinter die Position des Deutschen Olympischen Sportbundes zurück. Insgesamt erwies sie sich aber als verlässlicher Lobbyist des Spitzensports und als Partner der Regierung – nicht als Teil eines Parlaments, das beide kontrollieren sollte. Mit Anträgen, probates Instrument parlamentarischer Arbeit, hielten sich die Regierungsfraktionen auffällig zurück.
    Und die Opposition? Zu Beginn der Legislatur legte der Grüne Winfried Hermann verbal vor. Im Deutschlandfunk kritisierte er Ausschussmitglieder, die gleichzeitig Ämter im Sport besetzen:
    "Schließlich haben wir die Aufgabe zu kontrollieren, was der Staat macht. Wir haben zu kontrollieren, was die Sportorganisationen mit dem Geld der öffentlichen Hand machen und da ist kritische Distanz auf jeden Fall gut, und da ist es nicht so gut, wenn man selbst Teil des Verbandssystems ist."
    Das schürte Erwartungen für die Oppositionsarbeit. Doch Hermann scheint mit dem Vorsitz im Verkehrsausschuss gebunden. Provokante Anträge der Grünen blieben aus. Die SPD müht sich nach elf Regierungsjahren noch, in der Opposition anzukommen. Ein Beispiel: Ihr sportpolitischer Sprecher Martin Gerster diagnostizierte per Pressemitteilung "erschreckende Fakten zur Dopingprävention" und bemängelte Unterfinanzierung. In den Hauhaltsberatungen versäumte es die SPD aber, mehr Geld zu beantragen. Dies, obwohl der Bund gerade einmal 300.000 Euro für Prävention übrig hat - von 250 Millionen, mit denen er den Spitzensport großzügiger denn je alimentiert. Bis heute ist der Minimalbetrag nicht vergeben, die Projektanträge liegen beim BMI.

    Häufig standen Themen auf der Agenda, bei denen der politische Gestaltungsspielraum höchst überschaubar war. Der Ausschuss ließ sich unterrichten, zum Beispiel über Fanprojekte zur Gewaltprävention im Fußball. Die stehen seit Jahren auf der Tagesordnung, nach dem Motto: Gut, mal wieder darüber zu reden. Anzeichen dafür, dass der Bund diese Art Sozialarbeit finanziell fördern will, gibt es hingegen nicht. Einige brisante Baustellen fehlten: das Bundesinstitut für Sportwissenschaft, dem Wissenschaftsrat und Bundesrechnungshof katastrophale Arbeitszeugnisse ausstellten, oder der Vorschlag der bayerischen Ministerin Beate Merk für ein Sportschutz-, sprich Antidoping- und Betrugsgesetz. Auf der Positiv-Seite stehen Arbeitsplätze für behinderte Athleten, die das BMI auf Antrag der Parlamentarier zusagte, oder die Auflage einer Sondermünze zur Teilfinanzierung der Ski-WM 2011. Die Ausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag (SPD) räumt ein:

    "So ein ganz tolles Jahr war das ja noch nicht, weil wir uns ja erst Ende 2009 konstituiert haben. Für mich herausragend war eigentlich die Diskussion über die Antidopingberichterstattung der Verbände. Über die schleppende Bearbeitung sowohl durch die Verbände letztlich als auch hinterher durch die begutachtenden Stellen. Das war ja, denke ich, für viele unbefriedigend, für die Politik insbesondere, weil wir ja ganz gerne bei der Aufstellung unserer Haushalte wüssten, welche Verbände sich an die Antidoping-Spielregeln halten und welche das noch nicht tun."
    Aufklärung darüber, welche Verbände nach Versäumnissen in der Antidopingpolitik Fördergelder zurückzahlen müssen, versprach Innenminister Thomas de Maiziére für Januar. Das weitere Prozedere degradierte den Ausschuss zur Alibiinstitution. Erst im März bekamen die Obleute der Fraktionen Einblick in den Report des Bundesverwaltungsamtes – genau anderthalb Stunden vor Beginn der Debatte dazu. Abgeschlossen ist das Verfahren nicht. Nach Deutschlandfunk-Informationen wurde etwa der Verband für Modernen Fünfkampf, ursprünglich mit 12.000 Euro Strafzoll belegt, nachträglich entlastet. Welche Rolle dabei der DOSB spielt – er warnte vor zu hohen Rückforderungen – bleibt offen. Das Thema, sagt Freitag, kommt erneut auf die Tagesordnung. Prüfungen bei Olympiastützpunkten und Bundesleistungszentren, Empfänger von 33 Millionen Euro aus der Staatskasse, scheinen bisher tabu.

    Ob der Ausschuss künftig gewillt ist, seine Kontrollfunktion gegenüber der Allianz von Regierung und DOSB wahrzunehmen, wird sich schon im September zeigen. Dann stehen die Haushaltsberatungen für 2011 an.