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Sportdirektoren
Autodidakten in den Schaltzentralen

Neue Spieler finden, Trainer entlassen, Verträge schließen, Verträge auflösen - der Posten des Sportdirektors ist extrem vielfältig. Zudem jonglieren die Fußball-Manager mit Millionensummen. Umso erstaunlicher, dass es im Fußballbetrieb keine Ausbildung zum Sportdirektor gibt.

Von Daniel Theweleit | 07.01.2017
    Christian Heidel, Manager von Schalke 04
    Christian Heidel, Manager von Schalke 04, war früher in Mainz Autohändler (dpa)
    Christian Heidel gab sich alle Mühe, höflich zu sein. Besonders erfolgreich war die Suche nach diplomatischen Worten zur Arbeit seines Vorgängers Horst Heldt aber nicht, als er jüngst im ZDF auf seine ersten sechs Monate als Sportvorstand beim FC Schalke 04 zurückblickte. Er habe sich immer gefragt, warum sein ehemaliger Klub Mainz 05 ähnlich erfolgreich in der Bundesliga spielen konnte, wie der mit einem deutlich höheren Etat ausgestatte Revierklub aus Gelsenkirchen, sagte Heidel kurz vor Weihnachten im "Aktuellen Sportstudio".
    "Ein Punkt war eben, dass in Mainz alles auf Nachhaltigkeit ausgelegt ist. Wir haben in Mainz oft Entscheidungen getroffen, die man kurzfristig nicht merkt, die aber nachhaltig und mittelfristig Erfolg gebracht haben. In Schalke - und das ist kein Vorwurf an Horst Heldt - da war Philosophie dieses Klubs: Da ging es immer darum, am Ende der laufenden Saison müssen wir auf Platz eins, zwei, drei, vier, fünf oder sechs stehen. Man hat aber mit der Zeit vergessen, dass man Dinge machen muss, damit das auch in Zukunft möglich ist."
    "Jeder Beruf muss ein stückweit erlernt werden"
    Nun sind 16 Spieltage absolviert, Schalke 04 aber dümpelt auf dem elften Tabellenplatz herum. Und doch herrscht eine Zuversicht wie seit Jahren nicht. Heidel hat einen neuen Glauben an eine große Zukunft erzeugt. Ein kleines Meisterwerk. Irgendwie glauben die Leute diesem Mann, der gemeinsam mit Mönchengladbachs Max Eberl, Kölns Jörg Schmadtke und Dortmunds Michael Zorc zu den wenigen Sportdirektoren zählt, die seit Jahren konstant Erfolg in dieser verantwortungsvollen Position haben. Auf einem Posten, der für die langfristige Entwicklung von Bundesligaklubs noch wichtiger ist, als der Trainer. Für den es aber seltsamerweise keine spezifische Ausbildung gibt. Eberl staunt über diese Leerstelle im hoch professionalisierten Fußballbusiness.
    "Es gibt Fußball-Lehrer, als Journalist muss man eine Ausbildung machen, jeder Beruf muss ein stückweit studiert haben, und wenn wir die Wertigkeit des Sportdirektoren nicht nur darauf reduzieren, ob man ein großer Fußballer war, oder nicht, weil das ist es nicht. Ich würde jetzt nicht sagen, das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht, aber es sind zwei unterschiedliche Jobs. Wenn einer früher ein guter Fußballer war, heißt das noch lange nicht, dass er ein guter Trainer ist, dass er ein gutes Auge für Spieler hat, das heißt noch lange nicht, dass er als Sportdirektor oder Teammanager arbeiten kann. Dewegen fände ich es gut, wenn man die Möglichkeit hätte, auch als Sportdirektor vorher eine Ausbildung gemacht zu haben."
    Eher zufällig in die Positionen hineingerutscht
    Die zentrale Schaltstelle in den Klubs wird beherrscht von Autodidakten, die oftmals eher zufällig in ihre Positionen hineinrutschten. Heidel war in Mainz Autohändler und in der Fanszene engagiert, Eberl leitete die Mönchengladbacher Jugendabteilung. Schmadtke schrieb Bewerbungen für Trainerjobs, als er im Fachmagazin "Kicker" auf eine Anzeige von Alemannia Aachen stieß, wo ein Sportdirektor gesucht wurde. Weil er schon mal dabei war, bewarb er sich eben auch da. Und wurde prompt genommen.
    Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff hat angesichts dieser ungewöhnlichen Karrieren schon vor Jahren angeregt, dass der Deutsche Fußball-Bund entsprechende Lehrgänge entwickeln sollte. Bisher gibt es aber nur den vagen Vorsatz, unter dem Dach der geplanten Fußball-Akademie ein Modul namens "Qualifizierung Manager" zu etablieren.
    "Immer wieder die gleichen Namen gehandelt"
    Dabei ist der Mangel an guten Leuten offenkundig, wie Martin Kind, der Präsident von Hannover 96, festgestellt hat. "Erkennbar ist, dass bei Entscheidungsprozessen immer wieder die gleichen Namen auftauchen. Es handelt sich fast um einen Kreisverkehr, deshalb die Analyse, dass wir die Anforderungsprofile wirklich mal zu definieren haben."
    Wer einen Sportdirektor sucht hat erstmal ein Problem. Beim HSV war die Verzweiflung im Dezember so groß, dass man beinahe Dietmar Beiersdorfer wenig Tage nach seiner Entlassung als Vorstandschef als Sportdirektor wieder eingestellt hätte. Nun wurde mit Jens Todt ein neuer Mann gefunden, aber noch weiß niemand, ob der ehemalige Profi, der zuletzt beim Karlsruher SC gearbeitet hatte, der Herausforderung gewachsen ist.
    Beste Lehrzeit in der Jugendabteilung
    Wobei Todt einen Weg hinter sich hat, den auch Leute wie Eberl oder die hoch gelobten Fachleute Alexander Rosen aus Hoffenheim und Jochen Saier aus Freiburg gegangen sind: durch die Jugendabteilungen ihrer Klubs. "Ich sage immer wieder diese vier Jahre Jugendarbeit, das war die beste Lehrzeit, die ich haben konnte. Man jongliert auch mit Geld, aber nicht mit Millionen. Du musst Dich mit alltäglichen Dingen rumschlagen, wie der Frage: Wie kommen die Kinder zum Training? Wie viel Zeit bleibt neben der Schule? Eltern sind unzufrieden, weil das Kind nicht spielt, der Trainer ist unzufrieden, weil der Kader zu klein ist, man hat im Grunde alle Problematik im Fußball-Basis-Bereich zu lösen. Du lernst sehr viel", erläutert Eberl.
    Sportdirektoren mit Erfahrung auf dieser Ebene, betriebswirtschaftlichen Kenntnissen und ausgeprägtem Gefühl für die Besonderheiten des komplexen und öffentlich exponierten Profifußballs scheinen besonders gut geeignet zu sein. Eine seltene Mischung von Spezialfähigkeiten. Wohl deshalb haben derzeit gleich drei Bundesligisten keinen Sportdirektor: Der FC Bayern sucht weiterhin nach einem geeigneten Nachfolger für Matthias Sammer, beim VfL Wolfsburg ist der Posten seit der Trennung von Klaus Allofs vakant, und Darmstadt 98 hat den jüngst beurlaubten Holger Fach bislang auch nicht ersetzt.
    Spielerberater nutzen Schwäche des Systems aus
    Die Probleme, die viele Klubs an dieser zentralen Stelle ihrer Struktur haben, sind nicht zu übersehen. Und diese Schwäche ist eine Hauptursache für die oftmals beklagte Macht der Spielerberater. Wichtige Aufgaben wie das Scouting, die Gestaltung von Verträgen oder die Pflege eines zuverlässigen Netzwerkes von Informanten, wurde zum Teil von Spielervermittlern übernommen. Ein Schaden, der in den Augen von Hannovers Präsident Martin Kind irreparabel ist. "Die Berater haben diesen Bereich belegen können, weil die Vereine keine Antworten gefunden haben."
    Es gehört zu den großen Rätseln des professionellen Fußballs, warum niemand die Energie aufbringt, zu tun, was in allen anderen Wirtschaftszweigen eine Selbstverständlichkeit wäre: echte Experten für die wahrscheinlich anspruchsvollste Stelle im Unternehmen auszubilden.