Freitag, 29. März 2024

Archiv

Sportevent
Wer in Weißrussland von den Europaspielen profitiert

Die Europaspiele werden in diesem Jahr in Weißrussland ausgetragen - und damit zum zweiten Mal in Folge in einem autoritär regierten Land. Eine Chance für die Gesellschaft oder nur Imagepflege der Regierung?

Von Gesine Dornblüth | 07.04.2019
Das Maskottchen der Europaspiele in Weißrussland, ein Mensch in einem Plüschfuchs-Kostüm, vor einer Leinwand
Ist doch alles nicht so schlimm: Das Maskottchen der Europaspiele in Weißrussland soll gute Stimmung verbreiten. (imago/ITAR-TASS)
Weißrussland hat im Vorfeld der Spiele die Einreise- und Registrierungsvorschriften erleichtert. Janez Kocijančič, Präsident des Europäischen Olympischen Komitees, äußerte sich im Vorfeld zufrieden mit den Vorbereitungen. Es gab keine nennenswerten Verzögerungen, zumal ein Teil der Sportstätten in Minsk bereits zum Zeitpunkt der Vergabe existierte.
Kritik an der Vergabe internationaler Wettkämpfe an autoritäre Regime weisen die Sportfunktionäre in der Regel zurück. Auch Kocijančič sagte diesem Sender vor wenigen Wochen, man wolle mit den Europaspielen "bei der Öffnung der Gesellschaft helfen".
Beleg für die schwache Haltung des Westens?
Jaroslaw Romantschuk, Experte für Politik und Wirtschaft im weißrussischen Minsk, hält dieses Argument für scheinheilig.
"Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit internationaler Sportwettbewerbe und einer Demokratisierung. Die Machthaber nutzen solche Veranstaltungen, um zu sagen, schaut mal, wir sind gar keine Diktatoren und auch nicht autoritär, wir werden akzeptiert. Für viele Leute ist die Tatsache, dass solche Spiele, die Fußball-WM in Russland oder die Europaspiele in Weißrussland und in Aserbaidschan stattfinden, ein Beleg dafür, dass der Westen es mit den Werten nicht so ernst nimmt."
Jaroslaw Romantschuk hat 2010 erfolglos gegen Dauerpräsident Lukaschenko für das höchste Amt im Staat kandidiert. Er betont, dass sich die Lage der Opposition und der unabhängigen Presse seit Jahren nicht verbessert hätten.
"Während des Turniers offen zu sein, ist sehr einfach. Da spielt ja Opposition keine Rolle, es geht um Bier, Bratwurst und um eine freundliche Stimmung, und die haben wir hier, denn die Weißrussen sind sehr gastfreundlich. Gerade Ausländer führen wir herum und decken für sie den Tisch mit allem, was wir haben."
Lukaschenko setzt Sportler unter Druck
Aserbaidschan hatte sich die Ausrichtung der ersten Europaspiele noch rund eine Milliarde Euro kosten lassen. Das Budget der Weißrussen ist um einiges bescheidener. Die Organisatoren wollen derzeit keine Angaben zum Gesamtbudget machen. Präsident Lukaschenko sprach vor einiger Zeit von 35 bis 40 Millionen Euro, diese Summe scheint längst gesprengt. Vor allem die Suche nach internationalen Sponsoren erwies sich als Problem, Hauptsponsoren und Partner sind bisher fast ausschließlich weißrussische Konzerne.
Klar ist, die Spiele in Minsk fallen kleiner aus als in Aserbaidschan, statt 20 nur 15 Sportarten, und auch die Zahl der Athleten ist um ein Drittel auf rund 4.000 geschrumpft. Was, so Romantschuk, auch an dem Format liegen kann.
"Ich liebe Sport sehr, aber selbst für mich sind die Europaspiele ein Rätsel. Sie liegen in einer ungünstigen Zeit, die Champions League ist dann schon zu Ende, die Leute sind auf dem Weg in den Urlaub – da fragt sich, welche Bedeutung so etwas haben kann."
Weißrusslands Präsident Lukaschenko indes sieht die Spiele vor allem als Bewährungsprobe für Erfolge bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio. Er setzt die weißrussischen Sportler mächtig unter Druck.
"In unseren heimischen Stadien, mit der Unterstützung der weißrussischen Zuschauer, sind unsere Athleten schlichtweg verpflichtet, ihr Bestes zu geben. Das gilt auch für Tokio 2020. Wir müssen siegen. Das Volk hat es satt, auf Medaillen zu warten. Die zweiten Europaspiele sind ein Test."