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Sportförderung in Deutschland

Der Deutsche Tischtennis Bund hat letzte Woche ein Papier veröffentlicht: Der Breitensport soll wichtiger werden - Medaillen unwichtiger, steht darin. Der Deutsche Olympische Sportbund DOSB reagierte abweisend. Eine öffentliche Diskussion passt ihm nicht in den Kram.

Von Robert Kempe und Daniel Drepper | 29.09.2012
    Tischtennis-Präsident Thomas Weikert ist mit seinem Papier in die Vollen gegangen: Transparente Kriterien fordert Weikert, er kritisiert die Konzentration auf Medaillen und die hohe Förderung von Sportarten wie Rodeln, Bobfahren oder Eisschnelllauf. Sportarten, die kaum jemand betreibt.

    Weikert betont, er wolle niemanden angreifen. Der DOSB sieht das offenbar anders. Er wehrt sich, denn es geht um seine bedeutendste Aufgabe: die Verteilung von Steuergeld. Am Freitag meldete sich auf dem Forum Sport der SPD in Berlin nun auch DOSB-Chef Thomas Bach zu Wort. Deutschlands höchster Sportfunktionär schien seit Aufkommen der Debatte um die Sportförderung abgetaucht zu sein. Seine Rede bot wenig Substantielles und blieb ganz in der üblichen DOSB-Rhetorik: Im deutschen Sport herrsche große Einigkeit, man wolle an den Prinzipien der Leistungssportförderung festhalten, so Bach. Offene Debatten, wie vom Deutschen Tischtennis-Bund angestoßen, passen dabei wohl nicht ins Konzept:

    "Der Tischtennis-Bund ist vertreten im Präsidialausschuss Leistungssport, hatte alle Gelegenheiten dort seine Argumente vorzutragen, hat es vorgezogen es dort nicht zu tun, sondern dass im Wege dann einer Presseerklärung zu tun. Sie können diese öffentlichen Vorschläge machen, sie können auf der anderen Seite aber nicht erwarten, dass wenn sie einen Vorschlag machen, dass dann der Rest der Verbände dann gleich jubelnd zustimmt.”"

    In Wahrheit zeigten sich vor allem DOSB-Spitzenfunktionäre verärgert wie Generaldirektor Michael Vesper, der bei vielen Verbandsvertretern wegen seines Auftretens ohnehin keinen guten Stand hat, oder Christa Thiel, Vize-Präsidentin Leistungssport. Der Vorwurf an Tischtennis-Präsident Weikert: Er hätte sich intern äußern sollen, solche Diskussionen gehörten nicht in die Öffentlichkeit. Weikert betont jetzt, sein Verband habe sich mehrfach intern geäußert.

    ""Und wir hatten ein bisschen erwartet, dass nach Olympia geguckt wird, was können wir insgesamt besser machen. Und dass da ne offene Diskussion, ne öffentliche Diskussion entsteht. Und die ist aus unserer Sicht vielleicht nicht ausgeblieben, aber nur marginal geführt worden. Wir haben uns, um es genau zu sagen, seit meiner Kenntnis nach 1999 bei verschiedenen anderen Fördersystem immer an den DOSB oder damals den DSB gewandt und da muss was geändert werden. Es ist aber aus unserer Sicht nicht viel oder nichts geändert worden."

    Der DOSB versucht eine öffentliche Diskussion zu vermeiden und seine Verbände intern in Reih und Glied zu bringen. Das ist typisch für den deutschen Sport, sagt Arne Güllich, der zwölf Jahre im DOSB tätig war. Heute leitet Güllich als Professor das Fachgebiet Sportwissenschaft der TU Kaiserslautern und untersucht die Effizienz der deutschen Sportförderung.

    ""Wir müssen uns vorstellen da gibt es eine Vorder- und eine Hinterbühne. Die Vorderbühne sind die eigentlichen Gremien, da wird nur noch im Grunde als Ritual das vollzogen, was vorher auf der Hinterbühne schon verhandelt worden ist. Und wenn es Konflikte gibt, dann werden die vorher auf der Hinterbühne geklärt. Und dafür ist es nicht dienlich, wenn einzelne Verbände die Individualität der einzelnen Sportarten besonders hervorkehren.”"

    Auf neue Ideen reagiere die DOSB-Spitze eher allergisch, denn die brächten alte Pfründe in Gefahr. Das sagt Arne Güllich, der bis 2008 als Ressortleiter in der Leistungssportförderung des DOSB arbeitete:

    "”Wie weit man in der Tat offen ist, auch mal alternative Lösungsmöglichkeiten im Fördersystem auszuleuchten, ist aufgrund der Erfahrungen aus den letzten Jahren und Jahrzehnten eher zu bezweifeln. Ich denke die Offenheit wird soweit gehen wie sie nicht an Grundstrukturen der derzeitigen Förderung und dem Anspruch des DOSB - Führungsmacht im Leistungssport zu sein – rüttelt.”"

    Bisher hat es kaum Vorschläge für neue Sportfördermodelle gegeben, nur der Tischtennis-Verband und die Leichtathleten haben sich kritisch geäußert. Verbandsvertreter geben hinter vorgehaltener Hand zu, dass viel mehr Funktionäre unzufrieden sind, sich aber nicht trauen, den DOSB öffentlich zu kritisieren. Die Unsicherheit ist groß. Thomas Konietzko, Präsident des Kanu-Verbandes, bedauert das.

    ""Da würde ich mir an der einen oder anderen Stelle eine offenere Diskussion wünschen. Aber vielleicht ist es auch der Wunsch nicht aufzufallen um bei späteren Verhandlungen dann vielleicht schlechter wegzukommen.”"

    Nachteile befürchten die Funktionäre vor allem bei den anstehenden Verhandlungen um Fördergelder für die Vorbereitung auf die nächsten Olympischen Spiele. Diese müssen die Verbände in den kommenden Monaten mit dem DOSB aushandeln.

    Fakt ist: Wenn sich in der deutschen Sportförderung etwas ändern soll, muss der DOSB das wollen. Und der DOSB ist - in letzter Instanz - Thomas Bach. Dem werden große Ambitionen auf die IOC-Präsidentschaft nachgesagt. Die Wahl ist in weniger als einem Jahr. Eine öffentliche Diskussion über die deutsche Sportförderung würde Bach da wohl eher stören.