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Sportjournalismus
Bringt mehr Taubensport!

Woche für Woche sind viele Sendestunden und Zeitungsseiten für Fußball, Handball oder Wintersport reserviert – doch wo bleibt der Taubensport? Selbst über die inoffizielle Tauben-WM war – trotz vieler potentieller Leser – kaum eine Zeile zu lesen, wie Fritz Tietz in seiner Glosse beklagt.

Von Fritz Tietz | 17.02.2020
Ein Taubenzüchter hält eine Brieftaube in den Händen.
Startbereit: Eine Taube in den Händen ihres Züchters (dpa/ Hauke-Christian Dittrich)
Ein Stiefkind der Sportberichterstattung hiesiger Zeitungen ist zweifellos der Taubensport. Selbst gewiefte Sportredakteure, sonst mit den bizarrsten Randerscheinungen ihres Ressorts vertraut, müssen passen, so man sie nach den aktuellen Taubensportergebnissen befragt.
Einer merkte an, er sei im Behindertensport grundsätzlich nicht so firm, werde aber umgehend ermitteln, was speziell im Gehörlosensport so läuft – und hat sich damit erst recht als fachlich taube Nuss erwiesen. Denn so wenig wie – sagen wir mal – Brennball was mit brennenden Bällen zu tun hat, so wenig ist der Tauben- ein Schwerhörigensport; was nicht heißt, dass ihn nicht auch Taube ausüben. Sie können ihr Sportgerät bloß nicht gurren hören.
Kleine Männer, die auf Tauben reiten
Oder muss man wiehern sagen? Schließlich werden Sporttauben immer "Rennpferde des kleinen Mannes" genannt. In nahezu jeder Ruhrgebiets-Reportage ist das der beinah hundertprozentige Fall. Als gäbe es dafür einen entsprechenden Erlass. Kein Wunder, dass ich als Kind immer dachte, im Ruhrpott seien die Männer so klein, dass sie auf Tauben reiten.
Tatsächlich wurde im Pott die über 100-jährige Geschichte des deutschen Taubensports begründet. Der damals unter den kleinen Männern sich gleichzeitig ausbreitende Fußballsport war ein entscheidender Geburtshelfer, pflegte man doch zur schnellen Übermittlung von Auswärtsspielergebnissen Brieftauben einzusetzen.
Tausende von potentiellen Lesern
Aus dieser frühen Form der Bundesliga-Konferenzschaltung hat sich der Taubenwettflug entwickelt, wie ihn heute bundesweit über 60.000 Taubenbesitzer in rund 8.000 Vereinen betreiben, deren Schläge von circa zehn Millionen Tieren "zugeschissen" werden.
Angesichts dieser Masse von potentiellen Lesern ist es umso erstaunlicher, dass die Sportpresse kaum mal etwas Taubensportliches bringt. Fragt man in den Redaktionen nach, heißt es immer, Tauben würden ja eh nicht Zeitung lesen. Und selbst wenn, interessierten sie sich wahrscheinlich eher für den Reiseteil.
Fachmagazin "Die Brieftaube"
Und die Taubenzüchter? Seien allenfalls über die Lokalseiten zu erreichen. Aber die würden ja bekanntlich schon von den Kaninchenzüchtern dominiert, und dass die freiwillig ihre angestammten Berichtsplätze räumten, darauf könne man wohl lange warten.
So müssen sich die Freunde des organisierten Taubensports journalistisch eben selbst behelfen. Mittels "Die Brieftaube" etwa, so der Titel eines vom Verband der deutschen Brieftaubenzüchter herausgegebenen Fachmagazins, das seine derzeit 21.000 Abonnenten wöchentlich "über alles informiert, was im Brieftaubensport von Bedeutung ist", so die Herausgeber. Die im Regelumfang 32 Seiten umfassenden Hefte werden über eigens gezüchtete Abotauben ausgeliefert, die sie direkt in die Schläge der Abonnenten bringen – so jedenfalls wird das angebliche Vertriebsgeheimnis der "Brieftaube" schon seit ihrer Gründung bemunkelt. Bestätigt werden konnte das bisher aber nicht.
Wacht auf: Bringt mehr Taubensport!
Eine bestätigte Meldung hingegen ist, dass kürzlich ein belgischer Züchter für eine einzige seiner Tauben einen Verkaufserlös von 1,2 Millionen Euro erzielte. Schon wenn man bedenkt, dass er sich dafür 15.000 Jahresabos der "Brieftaube" würde leisten können, kann man ermessen, welche immensen Kaufkräfte bei den Taubenbesitzern noch so schlummern. Also, wacht endlich auf, Sportredaktionen! Bringt mehr Taubensport!