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Sportjournalismus
Immer mehr live und weniger kritisch

Fußball dominiert die Sportberichterstattung. Doch das Internet bietet inzwischen die Möglichkeit, Sportarten zu zeigen, die nicht massenkompatibel sind. Der Trend geht zu immer mehr Livesport: Rugby, Football, Tennis, Beachvolleyball. Doch meistens fehlen die kritischen Hintergründe.

Von Matthis Jungblut | 18.09.2017
    Handball WM Männer: Weißrussland - Deutschland, Vorrunde, Gruppe C, 4. Spieltag am 18.01.2017 in Rouen, Frankreich. Eine Kamerafrau filmt das deutsche Team während der Nationalhymne. beIN Sports besitzt die internationalen Übertragungsrechte für die Weltmeisterschaften von 2015 bis 2017. Weder ARD und ZDF noch andere deutsche Sender hatten sich mit beIN Sports vor der WM einigen können, weshalb Spiele von dem Turnier in Deutschland nur im Internet-Stream des Sponsors DKB zu sehen sind.
    Live-Sport liegt im Trend. Dabei mischen wie bei der Handball-WM auch ganz neue Marktteilnehmer mit. (dpa / Hauke-Christian Dittrich)
    Als die deutschen Basketballer in der vergangenen Woche den größten Erfolg der letzten 15 Jahre feierten, sahen gerade einmal 200.000 Zuschauer zu. Das sind genauso viele, wie bei einem Spiel der Fußball-Regionalliga auf Sport1. Den Viertelfinal-Einzug der deutschen Basketball-Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft in Israel konnten die Fans aber nicht im linearen Fernsehen verfolgen, sondern "nur" auf dem Streaming-Dienst der Telekom: "Telekom Sport".
    Auf dem Sportrechte-Markt ist viel Bewegung. Erstmals war ein Streaming-Dienst wie DAZN in diesem Jahr bei der Rechte-Vergabe der Fußball-Bundesliga erfolgreich und kann jetzt Spiel-Ausschnitte zeigen. Auch Amazon ist neu dabei und hat sich die Rechte der Audio-Übertragungen im Internet gesichert.
    Platzhirsch Fußball dominiert noch
    Um Fußball zeigen zu dürfen, zahlen die verschiedenen Anbieter eine Menge Geld. Und es wird immer teurer. Knapp 370 Millionen gab die ARD im Jahr 2015 für Sportrechte aus. Insgesamt sind die Übertragungsrechte knapp 40 Prozent teurer, als noch in der vergangenen Verhandlungsperiode. Doch das könnte erst der Anfang sein, sagt Alexander Krei vom Medienmagazin DWDL.
    "Mit dem Einstieg von Amazon zum Beispiel ist es eigentlich unvorhersehbar, wie weit es noch steigen wird, weil die haben in erster Linie ein Interesse daran, ihre Produkte zu verkaufen, und nutzen Livesport - Serien, Filme, das kann man noch darauf erweitern - als Mittel zum Zweck, um ihre Kunden zu binden."
    Beitragsfinanzierte Anbieter oder Medien ohne finanzstarken Investor im Hintergrund geraten im Rennen um die TV-Übertragungsrechte immer mehr ins Hintertreffen. Internetgiganten wie Facebook oder Amazon bringen sich langsam in Stellung, um in Zukunft auch Live-Rechte der Champions League oder der Bundesliga kaufen zu können. Noch dominiert Platzhirsch Fußball den Sport im Fernsehen. Aber wie lange dürfen lineare Sender Fußball überhaupt noch übertragen?
    Randsportarten im Internet eine Bühne geben
    Sportredaktionen sollten sich vorbereiten für den Fall der Fälle, sagt Krei. Also weg vom dominierenden Fußball hinzu anderen Sportarten, die in Deutschland auch beliebt sind?
    "Also das versucht beispielsweise ja gerade die Telekom. Die hat sich Rechte gesichert für Basketball, für Eishockey und hoffen, dass quasi Fans dieser Sportarten dann in Scharen zur Telekom gehen. Das ist sicherlich 'ne Lösung, das ist sicherlich ein Vorteil heute, dass man recht leicht einen Livestream in die Haushalte bringen kann. Auch Sky zeigt inzwischen die Handball-Bundesliga in voller Breite, weil sie auch gemerkt haben, dass man vielleicht abseits des Standbeins Fußball ein weiteres Standbein benötigt."
    Denn gleichzeitig zu den immer teurer werdenden Sportrechten zeigt sich eine andere Entwicklung: Durch das Internet wird es immer einfacher, Randsportarten eine Bühne zu geben. Hätten die großen Fernsehsender vor zehn Jahren die Basketball-EM nicht übertragen, wären die Fans leer ausgegangen. Heute können sie die EM in Spezial-Interest-Angeboten im Internet verfolgen. DAZN zeigt nicht nur Fußball, sondern auch Handball, Tennis, Darts oder Rugby - also Sportarten, die im linearen Fernsehen selten zu sehen sind. Weil die Rechtslage noch etwas unklar ist, können zurzeit auch andere als Medien-Unternehmen Sportveranstaltungen zeigen, wie bei der Handball-WM 2017, die von der Deutschen Kredit Bank via YouTube gestreamt wurde.
    Chance zu mehr investigativem und kritischem Sportjournalismus
    Der Trend geht also zu immer mehr Livesport bei immer mehr Anbietern. Der allerdings wird meist nur übertragen. Dass dabei der kritische Sport-Journalismus dabei auf der Strecke bleibt, ist eine berechtigte Sorge.
    "Unbedingt sollte der deutsche Sportjournalismus kritischer und investigativer werden. Das gilt ja immer für Journalismus. Es wird immer ein größeres Business, es geht um Macht. Da braucht es Leute, die das aufdecken, die hinter die Kulissen schauen, die mit Leuten reden, Quellen aufdecken, Dokumente finden."
    Das sagt Oliver Fritsch von Zeit Online. Als einer der wenigen profilierten kritischen Sportjournalisten in Deutschland verfolgt er den Trend zu immer mehr Livesport und immer weniger kritischer Begleitung mit Sorge. Aber die teurer werdende Rechte könnten seiner Meinung nach sogar eine Chance für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sein, sich bald mehr auf investigativen und kritischen Sportjournalismus zu konzentrieren.
    "Aus meiner Sicht hat es nie ein Entweder-Oder gegeben. Man kann Rechteinhaber sein von Sportveranstaltungen und dennoch kritisch berichten. Ich kenne natürlich den inneren Konflikt davon. Wenn die neue Rechtslage unter der Öffentlich-rechtliche zu leiden haben oder wo sie den Kürzeren ziehen, dazu führt, dass sie kritischer berichten, über Doping, über Korruption, über Macht und Ränkespielchen, dann kann man das ja nur begrüßen."