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Radrennstall Israel Start-Up Nation
Sportler als Friedensbotschafter

Ein neuer Karriereabschnitt beginnt für das deutsche Profi-Trio Nils Politt, André Greipel und Rick Zabel. Sie sollen Siege holen und Israel repräsentieren. Zum Trainingslager in Israel gehörte auch ein Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem.

Von Tom Mustroph | 14.12.2019
Andre Greipel, Nils Politt, Rick Zabel bei der Teampräsentation des Israel Start-Up Nation Cycling Teams in Tel Aviv.
Botschafter auf dem Rad zu sein ist ein Ansporn, aber auch eine gehörige Selbstverpflichtung (imago images / Felix Jason)
"Wir haben verschiedene Ziele. Nummer 1 ist: Ich denke, wir können ein Klassikermonument gewinnen. Außerdem würde ich gern mindestens einen Etappensieg bei einer großen Rundfahrt haben, am liebsten jeweils einen bei jeder der drei großen Rundfahrten. Und eine Top 10 Platzierung in einer Grand Tour wäre auch gut."
Das sagte Rennstallbesitzer Sylvan Adams bei der Vorstellung seines neuen Rennstalls in Tel Aviv. Der hieß bis dahin noch Israel Cycling Academy, und war zweitklassig. Weil Adams aber die WorldTour-Lizenz vom aufgelösten Rennstall Katusha übernahm, gelang der Sprung in die Bel Etage.
Von Katusha kam auch Nils Politt. Das Klassikertalent aus Köln ist für Ziel Nr. 1 zuständig, den Sieg bei einem Monument. Politt sagt:
"Ich werde jetzt jedes Jahr versuchen, irgendwann vielleicht den großen Stein mit nach Hause zu nehmen. Klar ist es schwer, den 5. Platz von der Flandernrundfahrt und den zweiten Platz von Paris - Roubaix zu toppen. Ich werde das Beste geben. Das Team hat viel Vertrauen in mich und dann werden wir sehen, was herauskommt."
Teambuilding der Israel Cycling Academy in Tel Aviv: Andre Greipel und Andere schaufeln Erde.
Teambuilding der Israel Cycling Academy in Tel Aviv (imago images / Felix Jason)
André Greipel, zweiter deutscher Neuzugang, soll für Sprintsiege sorgen und Politt zudem bei den Klassikern unterstützen. Rick Zabel, der dritte im Bunde, soll beiden dabei helfen. Diese Woche trafen sie zum Trainingslager in Israel ein. Die ersten Eindrücke von Nils Politt:
"Schönes Land, ich habe es mir ganz anders vorgestellt. Ich habe mir mehr Wüste vorgestellt, gar nicht so grün. Von daher bin ich echt positiv überrascht."
"Cool, gefällt mir gut", schloss sich Zabel an. Er wurde auch gleich ein paar Vorurteile los: "Ja, wenn man so die Nachrichten guckt: Vor zwei, drei Wochen hat man noch gesehen, wie vom Gazastreifen ein paar Raketen rübergeflogen sind. Dann denkt man sich: ‚Ok, ist das so schlau, da vielleicht ein Trainingslager zu machen?' Aber jetzt bin ich vom Gegenteil überzeugt. Es ist ein so offenes Land und man fühlt sich sicher."
"Radsport ist auch ein Vehikel"
Teambesitzer Adams dürfte dies gern hören. Denn Abbau von Vorurteilen über Israel ist das Hauptmotiv seines Radsportengagements, sagt er:
"Ich liebe Radsport. Radsport ist meine Leidenschaft. Aber Radsport ist auch ein Vehikel, um mein Heimatland Israel zu promoten."
Zu diesem Zweck holte er im letzten Jahr den Start des Giro d’Italia nach Jerusalem. In diesem Jahr ließ er Popstar Madonna zum Eurovision Song Contest in Tel Aviv einfliegen. Er steckte auch 5 Millionen Dollar in das Mondlandeprojekt Israels. Diverse Projekte, ein einziges Ziel: Israel vom Image eines umkämpften Landes zu befreien:
"Ich nenne es das normale Israel. Sie sind jetzt hier, Sie sehen, dass wir wie normale Leute leben. Aber diese Botschaft kommt kaum durch. Die Leute denken, wir leben in einer Konfliktzone. Das dominiert das Bild von Israel, denn die Nachrichten sind sehr eindimensional."
"Mit einer Botschaft fahren"
Ist man im Lande, nimmt man tatsächlich recht wenig von den Konflikten wahr. Präsent ist die politische Lage aber doch. Zum Trainungslager gehörte auch ein Besuch der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem. Und dem Team wurde der Titel "Friedensbotschafter" verliehen. Das fand Anklang bei den Profis. Rick Zabel:
"Ich persönlich finde das ziemlich cool, nicht für einen Radhersteller oder irgendeinen Sponsor zu fahren. Jetzt mit einer Botschaft zu fahren und zu sagen, ich bin Teil eines Projekts, das die Welt besser macht, ist schon deutlich cooler."
Initiator Adams will sein Team auch für Muslime öffnen. Einer, ein Marokkaner, fährt bereits im Nachwuchsteam. Und es sollen mehr werden, sagt Adams:
"Wir würden es lieben, einen Palästinenser im Team zu haben, nicht nur im Nachwuchsteam. Sie sollen Top-Niveau erreichen und im WorldTour-Team fahren. Wir würden die natürliche Heimat für sie sein."
"Im höchsten Geiste des Sports"
Starke Worte. Worte allerdings auch, die für eine große Fallhöhe sorgen. Was geschieht, wenn ein Friedensbotschafter beim Doping erwischt würde? Sylvan Adams:
"Das würde für unser Team ganz besonders schrecklich sein. Denn diese Fahrer repräsentieren unser Land. Wir haben sie nicht nur wegen ihrer Beine ausgewählt, sondern auch wegen ihres besonderen Charakters. Es ist für uns sehr wichtig, dass wir im höchsten Geiste des Sports Rennen fahren und Israel repräsentieren. "
Botschafter auf dem Rad zu sein ist also ein Ansporn, aber auch eine gehörige Selbstverpflichtung. Mit Israel Start-Up Nation soll viel Moral in den Radsport kommen.