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Sportlerkarriere reloaded
Die Verlockung, noch einmal gefeiert zu werden

Das Aufhören gehört zu den schwierigsten Phasen einer erfolgreichen Sportlerkarriere. Viele prominente Athleten liebäugeln deshalb später mit einer Rückkehr - so wie die belgische Tennisspielerin Kim Clijsters, die die Liste namhafter Comeback-Sportler um einen weiteren großen Namen verlängert.

Von Jürgen Kalwa | 14.09.2019
Die belgische Tennisspielerin Kim Clijsters
Vor mehr als zehn Jahren Nummer eins im Frauen-Tennis: Kim Clijsters will zurück auf den Platz. (imago)
Sie hatte schon eine Weile auf der Idee herumgekaut. Aber vor ein paar Tagen stand fest: Kim Clijsters, vor mehr als zehn Jahren Nummer eins im Frauen-Tennis und Gewinnerin von vier Grand-Slam-Turnieren, will es noch einmal wissen.
Die offizielle Mitteilung, wie heute üblich, ging per Video über die sozialen Medien raus und sorgte für Schlagzeilen. Dabei ist es bereits das zweite Comeback der Belgierin. Das erste gab sie 2009, nachdem sie verletzungsbedingt eine Pause von zwei Jahren eingelegt hatte. 2012 schien dann allerdings endgültig Schluss. Nun ein neuerlicher Sinneswandel. Mit inzwischen 36 Jahren sucht die Mutter von drei Kindern zwischen zwei und elf im Sport nach einer Bestätigung, die im Alltag fehlt.
"Ich mag die Herausforderung"
"Ich bin wieder stärker und fitter geworden. Aber ich mag die Herausforderung, Ich bin überrascht, wie einfach es ist, sich im Training durchzubeißen. Es ist ein zufriedenstellendes Gefühl, so etwas wieder zu erleben."
Schon mancher Spitzenathlet hat in fortgeschrittenem Alter den Weg zurück in die Arena probiert. Man denke an Muhammad Ali, Michael Jordan, Henry Maske. Oder Michael Schumacher. Mal lief es besser, mal aber auch nicht. Das vermessenste Beispiel: Schwimmlegende Mark Spitz. Zwanzig Jahre nach seinen sieben Goldmedaillen von München 1972 versuchte er, sich erneut für Olympische Spiele zu qualifizieren. Er sagte damals in einem Interview:
"Das war am Anfang so wie Flitterwochen. Ich habe mich nicht sehr angestrengt. Jetzt strenge ich mich an."
Spitz strich damals Anfang der neunziger Jahre bei Wettbewerben respektable Antrittsprämien ein. Aber eine bessere Zeit als 58,03 Sekunden über 100 Meter Schmetterling – der Strecke, auf die er sich konzentrierte – war nicht drin. Er blieb damit vier Sekunden hinter seiner alten Bestzeit zurück.
Da erging es George Foreman schon erheblich besser. Der stieg 1987 nach einer Pause von zehn Jahren wieder in den Ring, besaß aber jede Menge Ausdauer und gewann 1994 im gestandenen Alter – mit 45 – gegen seinen Landsmann Michael Moorer wieder den Weltmeistergürtel. Seine Rechnung ging komplett auf.
"Ich hatte ein Rolls-Royce-Cabriolet, Swimming Pools in mehreren Häusern. Aber ich machte mir Sorgen wegen des Jugendzentrums, das ich gegründet hatte. Ich wusste, ich muss wieder Geld verdienen. Am besten, wenn ich boxe und Schwergewichtsweltmeister werde."
Als junger Faustkämpfer galt Foreman als totaler Unsympath. In seiner zweiten Karrierephase wurde er zum Strahlemann und gütigen älteren Herrn, der zwar ein paar Kilos zuviel mit sich herumschleppte, aber noch immer eine sehr, sehr harte Rechte landen konnte.
Kein Erfolg für Lance Armstrong
Auch Lance Armstrong dachte 2008 bei seinem Comeback an sein Image. Das Ziel: sich einen Heiligenschein als Kämpfer gegen den Krebs zu verdienen. Der Schritt brachte eine ganze Lawine ins Rollen, als sein ehemaliger Mannschaftskollege Floyd Landis die Doping-Praktiken des Texaners enthüllte. Am Ende wurde er von der amerikanischen Anti-Dopingagentur lebenslang gesperrt. Die bittere Erkenntnis? Die formulierte er in einem Fernsehinterview, als er 2013 ein Geständnis ablegte: Das Comeback war der größte Fehler seines Lebens gewesen.
Der amerikanische Radsportler Lance Armstrong guckt kritisch
Der amerikanische Radsportler Lance Armstrong: Das Comeback sei der größte Fehler seines Lebens gewesen, sagt er. (picture alliance / dpa / Ncy )
"Verlockend, sich noch mal in den Mittelpunkt zu stellen"
Für den Sportpsychologen Dr. Christian Reinhardt aus Magdeburg, der häufiger von Athleten zu Rate gezogen wird, wenn sie über ein Comeback nachdenken, versteht den Kitzel. Die Motivationslage ist bei vielen ähnlich, sagt der Autor des Buchs "Yes, you can" – ein Leitfaden für das Mentaltraining im Sport und Alltag.
"Ein ganz wichtiger Faktor aus meiner Sicht ist einfach das Erleben, was die Sportler haben rund um Wettkämpfe. In Teilen einfach so extrem, wie man es außerhalb des Leistungssports einfach ganz, ganz selten bis gar nicht hat. Viele haben sich teilweise von früher Kindheit an definiert über sportlichen Erfolg. Es gibt Sportler, die kommen damit sehr viel besser klar. Und es gibt Sportler, die fallen erstmal in ein sehr, sehr großes Loch. Da ist es natürlich extrem verlockend, da noch mal anzuknüpfen, noch mal sich in den Mittelpunkt zu stellen, nochmal für den sportlichen Erfolg gefeiert zu werden."
Als Ratgeber hält sich Reinhardt im Gespräch mit seinen Klienten mit seiner eigenen Meinung und seiner Skepsis lieber zurück. Obwohl: Oft würde er gerne einfach sagen, "Mensch, lass es sein."
"Ja. Unendlich gerne. Aber letztlich muss der Athlet die Entscheidung treffen und damit leben. Ich kann ja nicht sagen: Mach das. Und nachher wäre die Entscheidung falsch."