Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


Springer "hat sich längst zu einem Mischkonzern entwickelt"

Der klassische Zeitungsverlag habe ausgedient, sagt der Medienwissenschaftler Horst Röper. Nun müsse im Internet endlich Geld verdient werden. Die Entscheidung des Springer-Verlags, Traditionsblätter zu verkaufen und digital vielfältiger zu werden, sei nachvollziehbar.

Horst Röper im Gespräch mit Friedbert Meurer | 26.07.2013
    Friedbert Meurer: Die Zeitungen stecken in einer tiefen Krise. Millionen Deutsche lieben es zwar immer noch, morgens beim Frühstück die Zeitung zu lesen oder abends beim Feierabend, jetzt auf der Terrasse oder auf dem Balkon. Aber gerade die jüngeren nehmen statt der Zeitung immer öfter lieber einen Tablet-PC oder ihr Smartphone in die Hand und surfen im Internet. Der Axel Springer Konzern sieht deswegen seine Zukunft vor allen Dingen in den digitalen Medien. Gestern hat man die Entscheidung bekannt gegeben, gleich mehrere namhafte Titel zu verkaufen. Die Berliner Morgenpost, das Hamburger Abendblatt oder auch die Fernsehzeitschrift Hörzu, ein echter Klassiker in der Bundesrepublik, gehören allesamt dazu. – Horst Röper ist Medienwissenschaftler aus Dortmund, einer der profiliertesten Zeitungsforscher. Guten Tag, Herr Röper!

    Horst Röper: Ich grüße Sie!

    Meurer: Ist Springer der Meinung und der Vorstandschef Mathias Döpfner, die Zeitung hat keine Zukunft mehr?

    Röper: Ja, in der Tat. Das hat er auch immer wieder gesagt. Er sieht zwar eine Zukunft, aber nicht für das eigene Unternehmen. Das Springer-Unternehmen zieht sich aus den Regionalmärkten zurück. Es behält natürlich noch die nationalen Zeitungen, also vor allem "Bild", aber auch "Die Welt" und die Sonntagszeitung. Aber das Regionalgeschäft ist nun völlig veräußert worden.

    Meurer: Warum werden die Regionalzeitungen verkauft oder die Hörzu? Alle machen im Moment noch Gewinne. Warum gibt es für die keine digitale Zukunft nach Ansicht von Springer?

    Röper: Es gibt vielleicht eine, aber eine, die nicht in sein Konzept passt. Döpfner, der Springer-Chef, hat ja schon vor Jahren begonnen, sich mehr und mehr aus dem Print-Bereich zurückzuziehen, und die Devise ausgegeben, dass Springer zu einem internationalen Player im digitalen Markt – und zwar nicht nur national, sondern international – werden will. Er hat diese Linie bislang konsequent verfolgt und er hat damit auch zumindest betriebswirtschaftlichen Erfolg gehabt. Dass der Konzern nun sogar bereit ist, die Blätter aufzugeben, mit denen Axel Cäsar Springer damals den Konzern aufgebaut hat, also wenn man so will das Fundament des Konzerns, das Hamburger Abendblatt und die Programmzeitschrift Hörzu, das kommt schon überraschend, strotzt auch nicht gerade von Traditionsbewusstsein im Hause. Aber die Witwe Springer wird diesem Deal ja zugestimmt haben.

    Meurer: Das heißt, Sie glauben, sie hat Döpfner gesagt, wo es langgeht?

    Röper: Ja in der Tat vielleicht eher umgekehrt. Döpfner hat ja bei seiner Mehrheitseignerin ein offenes Ohr und sie vertraut ihm, vertraut eben auch auf diese Strategie, wegzugehen von Print und viel stärker zu investieren im digitalen Bereich. Das ist nicht ausschließlich der Medienbereich, in den Springer investiert, sondern das Haus hat sich längst zu einem Mischkonzern entwickelt, in dem auch Handelshäuser im digitalen Bereich mit geführt werden. Man hält diverse Beteiligungen, die längst nichts mehr mit dem eigentlichen Medienunternehmen zu tun haben.

    Meurer: Spektakulär ist ja auch, wie sich jetzt die "Bild"-Zeitung aufstellt. Kai Diekmann war ein Jahr lang in Kalifornien und auch andere Leute aus dem Springer Konzern, um sich sozusagen in Silicon Valley die Zukunft der digitalen Medien anzuschauen. Es gibt jetzt "Bild+", digitale Sonderangebote, für die man Geld im Internet bezahlen muss. Liegt Döpfner, liegt der Springer Konzern und Kai Diekmann mit dieser Strategie richtig?

    Röper: Das können wir alle nur hoffen, denn diese Strategie wird ja auch von den anderen Zeitungsverlagen immer mehr jetzt beschritten. Die Verleger haben insgesamt einsehen müssen, dass sie auf Einnahmen im Internet nicht verzichten können. Sie können ihre Angebote nicht über die Print-Medien finanzieren, sondern sie brauchen auch Erlöse aus dem Internet. Die Kostenlos-Mentalität, die sie damals selbst mit geprägt haben, ist verhängnisvoll geworden und wenn Journalismus künftig finanziert werden soll, dann braucht man auch Erlöse aus dem Internet. Das versucht Springer nun mit den sogenannten Schranken: ein Teil des Angebots im Internet bleibt frei, ein anderer Teil wird kostenpflichtig. Und das gilt natürlich genauso für Möglichkeiten der mobilen Nutzung. Da scheinen die Nutzer am ehesten bereit, auch zu bezahlen. Ob sie das künftig im Internet auch sein werden, also für Journalismus im Internet zu zahlen, das ist noch offen.

    Meurer: Was blüht, Herr Röper, den Kollegen, die bei der Berliner Morgenpost arbeiten, beim Hamburger Abendblatt, wenn der WAZ-Konzern demnächst Eigentümer werden sollte?

    Röper: Zum Teil hat man das aus der Kollegenschaft dieser Blätter ja schon gehört. Der WAZ-Konzern hat nach diesen rigiden Sparmaßnahmen und der Kündigung der kompletten Rundschau-Redaktion der "Westfälischen Rundschau" natürlich inzwischen in der Branche einen Ruf, der alle Arbeitnehmer gleich aufschrecken lässt, wenn man es mit diesem Haus zu tun bekommt. Aber ich denke, die Redakteure bei den Zeitungen in Berlin und Hamburg werden da einigermaßen gelassen sein können, denn der WAZ-Konzern ist weder in den Regionalmärkten in Berlin, noch in jenem in Hamburg tätig. Insofern entfallen da Synergie-Effekte. Gleichwohl wird sich das Haus natürlich schon anschauen, ob denn nach den Vorstellungen des WAZ-Konzerns auch wirklich kostenbewusst gearbeitet wird. Ansonsten stehen womöglich sogar wieder Entlassungen an. Ich glaube aber, das könnte am ehesten bei den Zeitschriften der Fall sein, weil der WAZ-Konzern ja auch über eigene Programmzeitschriften verfügt, über eigene Frauenzeitschriften verfügt, nun die Springer-Titel hinzukommen, und da wird man schon ein besonderes Auge darauf werfen, ob nicht die sogenannten Synergie-Effekte eingelöst werden können, eine Redaktion arbeitet gleich für mehrere Titel.

    Meurer: Herr Röper, die große Frage für alle Journalisten, aber auch für alle Zeitungsleser lautet: Glauben Sie an die Zukunft der Zeitung? Wird es in zehn Jahren, in 20 Jahren noch die gedruckte Zeitung geben, so wie wir sie kennen?

    Röper: Ja! Da bin ich ganz sicher, das wird der Fall sein. Was für den Leser sich vor allem verändern wird, ist, denke ich, er wird nicht mehr die Auswahl haben. Vielerorts wird es nur noch eine Zeitung geben, dieser Trend zur Monopolisierung wird anhalten und wird sich noch verschärfen. Aber Zeitungen werden wir hier noch haben. Ob sie denn alle noch sechsmal wöchentlich erscheinen, vielleicht auch weniger, das erscheint möglich.

    Meurer: Warum sollen wir eine Zeitung in der Hand haben wollen, wenn wir doch das auch auf dem iPad lesen können?

    Röper: Weil viele Leute sich immer noch nicht vorstellen können, morgens das iPad neben das Frühstücksei zu stellen und dann das Ei auf die Tastatur zu kleckern. Bei der Zeitung ist das noch möglich.

    Meurer: Das ist natürlich eine ganz banale Ursache. – Ganz kurz noch, Herr Röper: Wird der Journalismus schlechter, wird das an Qualität verlieren, jetzt auch nach dieser aktuellen Sache?

    Röper: Wir sind ja schon lange in dieser Entwicklung. Die Verlage bauen heftig in den Redaktionen ab, Personal wird eingespart, um Kosten einzuschränken, und diese Personaleinsparung spüren wir bei vielen Zeitungen inzwischen auch in der Qualität der Blätter, klar. Ein Abbau von 15 Prozent, wie wir das in den letzten Jahren bei den Tageszeitungen erlebt haben, von 15 Prozent der Redakteure, das geht vielerorts nicht ohne Qualitätsverlust.

    Meurer: In der Branche wird über die Entscheidung des Axel Springer Konzerns diskutiert, Hamburger Abendblatt, Berliner Morgenpost, Hörzu und andere zu verkaufen. Das war Horst Röper, Medienwissenschaftler aus Dortmund. Danke schön, Herr Röper, auf Wiederhören!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.