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Sprit aus der Prärie

Umwelt. - Inzwischen wird auch Umweltpredigern immer klarer, dass der Einsatz von pflanzlichen Bio-Kraftstoffen mitunter der Austreibung des Teufels mit dem Beelzebub gleichkommt, etwa wenn dazu Urwälder abgeholzt werden. Eine neue US-Studie zeigt, wie man es besser machen kann - und wo neue Hoffnungsträger in Sachen Bio-Sprit liegen.

Von Volker Mrasek | 08.01.2008
    So viel Mühe hat sich noch niemand gemacht, um eine potentielle Biokraftstoff-Quelle auf Herz und Nieren zu prüfen. Fünf Jahre lang bauten zehn Landwirte in den USA auf mehr als 50 Hektar Ackerfläche Rutenhirse an. Das ist kein Getreide, sondern ein gewöhnliches Präriegras. In der Landwirtschaft war es bisher allenfalls auf Viehweiden anzutreffen. Doch die Pflanze hat noch ganz andere Reize ...

    "Rutenhirse ist ein ausdauerndes, mehrjähriges Gras. Es hat ein dichtes Wurzelsystem und wächst selbst auf armen Böden. Hinzu kommt, dass die Zellwände einen hohen Gehalt an Cellulose aufweisen. Daraus kann man Bio-Ethanol gewinnen, einen Ersatz für herkömmliches Benzin. Rutenhirse ist daher ein aussichtsreicher Kandidat für die Nutzung als Energiepflanze."

    Kenneth Vogel präsentiert jetzt erstmals eine umfassende Energiebilanz für die Bioethanol-Gewinnung aus dem Präriegras. Der Genetiker arbeitet für den Forschungsdienst des US-Agrarministeriums im Bundesstaat Nebraska. Zusammen mit einigen Kollegen wollte er genau wissen: Wie viel Biosprit liefert Rutenhirse pro Hektar? Und wie viel Energie muss man in Anbau, Ernte und Verarbeitung in der Bio-Raffinerie stecken? Dort, wo aus der Cellulose durch Vergärung am Ende Ethanol entsteht ...

    "Mit dieser Studie legen wir erstmals Ergebnisse aus der landwirtschaftlichen Praxis vor. Bisher gab es sie nur von kleinen Versuchsflächen. Wir haben alles bilanziert: den Einsatz von Düngemitteln, den Diesel-Kraftstoff für Traktoren und Erntemaschinen auf der einen Seite, die Ethanol-Erträge auf der anderen. Und wir können zeigen: Die Energiebilanz ist eindeutig positiv, ja sogar besser, als wir erwartet hatten."

    Aus Rutenhirse lässt sich fünfmal so viel Energie in Form von Bioethanol gewinnen wie in die Produktion des Alkohols gesteckt werden muss. Und im Vergleich zur Herstellung von Benzin aus Erdöl sind die Treibhausgas-Emissionen in der gesamten Prozesskette vom Acker bis zur Raffinerie um über 90 Prozent geringer. Diese Zahlen legen die Forscher in ihrer neuen Studie vor. Ein großer Vorteil dabei ist offenbar, dass Rutenhirse praktisch keinen Stickstoffdünger benötigt. In den USA kommt schon heute immer mehr Ethanol vom Acker. Hergestellt wird er bisher aus Mais. Doch hier ist die Energiebilanz kaum besser als die von Benzin aus Erdöl. Das ergab unlängst eine Studie der EMPA, der Eidgenössischen Material- und Prüfungsanstalt in der Schweiz. Maschinenbau-Ingenieur Marcel Gauch hat selbst überrascht, wie schlecht Mais als Energielieferant abschneidet ...

    "...weil die Intensität des Anbaus für Mais sehr hoch ist. Sehr hoher Düngemittel-Verbrauch, hoher Pestizid- und Herbizidverbrauch. Diesel-Verbrauch, der aufgewendet werden muss für die Bearbeitung des Feldes und Bearbeitung der Zwischenprodukte. Das alles summiert sich unheimlich stark auf."

    Rutenhirse bietet sich da eher als Alternative an. Zumal eine Nutzung des Präriegrases keinen schädlichen Einfluss auf die Umwelt hätte, wie Kenneth Vogel sagt. Im Gegenteil: Man könnte hier sogar zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen:

    "In den USA gibt es ein Flächen-Stilllegungsprogramm. Landwirte erhalten Geld dafür, dass sie dort, wo karge Böden inzwischen ausgelaugt sind, ihre Felder nicht mehr bewirtschaften. Insgesamt betrifft das rund 14 Millionen Hektar. Auf diesen Flächen könnte man wunderbar Rutenhirse als Energiepflanze anbauen."

    Restholz aus Wäldern, Ernterückstände und umweltverträgliche Energiepflanzen wie die Rutenhirse – die US-Forscher glauben, dass man daraus genug Bioethanol herstellen kann, um knapp ein Drittel des heute verbrauchten Benzins zu ersetzen. Oder sogar noch mehr, wenn die Ernteerträge durch Fortschritte in der Pflanzenzüchtung auch in Zukunft weiter steigen...