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Sprungbereiter Tiger

Der Front National - heute vor 40 Jahren gegründet - hat sich über die Jahrzehnte in Frankreich etabliert. Spätestens 1983 unter Jean-Marie Le Pen. Heute führt seine Tochter die Partei, oberflächlich weniger rechtsextrem zwar, aber mit unverwechselbarer Grundtonart.

Von Ursula Welter | 05.10.2012
    Jean-Marie Le Pen bei der Parteigründung 1972.

    Nationalkonservative, junge Neofaschisten, einstige Kollaborateure bilden die Gruppe um den Mann, der zu diesem Zeitpunkt bereits mehrfach verurteilt ist, wegen rassistischer Parolen und verbaler Attacken.

    "Ich gehöre nicht zur extremen Rechten"," sagt 40 Jahre später seine Tochter, Marine Le Pen.

    ""Ich repräsentiere eine patriotische, nationale Partei"."

    Vieles hat sich in 40 Jahren geändert, vieles aber auch nicht.
    Geändert hat sich die Größe, die Zahl der Anhänger, der Sympathisanten des "Front National", der - auch wenn die heutige Parteichefin es leugnet - rechtsextrem ist. Aber, sagt Hans Stark vom Forschungsinstitut IFRI in Paris:

    ""Mme Le Pen, die jetzt nicht, deren Partei nicht zu vergleichen ist mit der deutschen NPD."

    Jean-Marie Le Pen, der Vater, startete 1972 mit einem Programm, das sich nur teilweise im heutigen Kanon der Partei wiederfindet: Damals ging es in erster Linie gegen Kommunisten. Es ging gegen die Unabhängigkeit Algeriens und den Vertrag von Evian:

    Es ging um die Verteidigung der kleinen Einzelhändler, der Handwerker.

    Aber es ging schon damals gegen Einwanderung, Arbeit "nur für Franzosen", soziale Hilfe und Unterkunft "nur für Franzosen".

    Gegen die Technokraten Europas, gegen die Elite im eigenen Land, gegen "das System", wie es Tochter Marine Le Pen bis heute ausdrückt. Sie nennt sich "die Kandidatin des Antisystems" und doch hat die Tochter Le Pen die Partei näher an die Machtteilhabe gebracht als ihr Vater. Der hatte den Front National vor allem zur Verbreitung seiner Ideologie genutzt, manche Forscher in Frankreich sagen, der alte Le Pen habe niemals ernsthaft mitregieren wollen.

    Die Gaskammern der Nazis, ein, Zitat, "Detail der Geschichte", behauptet Jean-Marie Le Pen und die Tochter, die 2011 den Vorsitz der Partei übernahm, distanzierte allenfalls indirekt. Dennoch schaffte es Marine Le Pen, den Front National aus der Schmuddelecke zu holen. "Ent-Diabolisierung" nannte sie den Plan, der aufging.

    "Anti-System, Kandidatin der Jugend" – ein Viertel der Jungwähler Frankreichs zeigte sich bei den zurückliegenden Wahlen geneigt, für den Front National zu stimmen. Unter Marine Le Pen mauserte sich die Partei zur drittstärksten Kraft im Land. Gegen den Euro, gegen illoyale Konkurrenz, die Grenzen hochziehen, um französische Firmen zu schützen, sagt sie:

    Ihr Feindbild ist in erster Linie der Islam, die vermeintliche Unterwanderung der Republik, die zu schützen sie vorgibt, stets im Namen der laizistischen Werte, der Trennung von Staat und Kirche.

    Halal-Fleisch in den republikanischen Kantinen etwa, sind ihr ein Dorn im Auge.

    Die Enttäuschten, die Arbeitslosen, die Landwirte lockt Marine Le Pen an und fügt ihre Anhänger jener reaktionären Bourgeoisie hinzu, die schon ihr Vater um sich scharen konnte.

    Marine Le Pen haut gerne auf den Tisch. In Pressekonferenzen, in Fernsehstudios – "hören Sie die Schreie der Angst nicht ", ruft sie etwa, wenn sie über den "Rassismus gegenüber Weißen" spricht, der in Frankreichs Vorstädten herrsche.

    "Verlassen Sie Ihre Studios und stellen Sie sich der Realität!" Mit ihrer stets rauen Stimme und einer leicht vulgären Art des Auftretens wettert Marine Le Pen, wo und wann sie kann. Die sanfte Rolle beherrscht sie auch, setzt sie aber seltener ein. Sie wirkt stets wie ein sprungbereiter Tiger.

    Meine Tochter ist für den Job die Beste, hatte Parteigründer Jean-Marie Le Pen beim Stabwechsel 2011 gesagt. Und gewiss ist sie geschickter als ihr Vater. Als vor wenigen Taten der Staatspräsident ein Mahnmal für die Opfer der Schoah einweihte, sorgte Tochter Le Pen für Schlagzeilen, als sie forderte, auch die jüdische Kippa müsse, wie der Schleier, in öffentlichen Gebäuden und auf der Straße verboten werden.