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Sprungbrett zur Gleichberechtigung

Gegen den Widerstand der Demokraten unterzeichnete der republikanische US-Präsident Dwight D. Eisenhower am 9. September 1957 das erste US-Bürgerrechtsgesetz des 20. Jahrhunderts. Es war zwar ein Kompromiss, wurde aber von Bürgerrechtsführern wie Martin Luther King begrüßt und als Sprungbrett zur faktischen Gleichberechtigung von Weißen und Schwarzen betrachtet.

Von Barbara Jentzsch | 09.09.2007
    Strikte Rassentrennung und die gewaltsame Unterdrückung der Bürgerrechte gehörten in den 50er Jahren zum amerikanischen Alltag. Es war "Ike", Präsident Dwight D. Eisenhower, der gegen den vor allem im Süden herrschenden Rassismus vorging und am 9. September 1957 Amerikas erstes Bürgerrechtsgesetz des 20. Jahrhunderts unterzeichnete, interessanterweise und fast vergessen gegen den Widerstand der Senatoren John F. Kennedy, Lyndon B. Johnson und William Fulbright.

    Fast anderthalb Jahre hatte Eisenhowers Gesetzesvorlage in diversen Ausschüssen des demokratisch dominierten Kongresses geschmort. Die Demokraten repräsentierten in den 50er Jahren aus voller Überzeugung die rassistischen Traditionen des Südens. Eisenhower hingegen war ein Lincoln-Republikaner, frisch gebackenes Mitglied einer Partei, die für die Abschaffung der Sklaverei stand.

    Eisenhowers Civil-Rights-Direktive war ein Kompromissgesetz. Sein Kernstück, eine Reihe von Paragrafen zur Stärkung der Wahlrechtsbestimmungen für schwarze Amerikaner, blieb schon im Senatsjustizausschuss stecken. Doch die Einrichtung einer Bürgerrechtsabteilung im Justizministerium konnte der Präsident durchsetzen, und die Schaffung einer eigenständigen, überparteilichen Bürgerrechtsbehörde wurde von Civil-Rights-Führern wie Martin Luther King als Fortschritt gesehen.

    1953, in seiner ersten Rede zur Lage der Nation, hatte Eisenhower vor der Fortsetzung der Rassentrennung ausdrücklich gewarnt. Er sprach aus Erfahrung, denn als Oberkommandierender der US-Streitkräfte hatte er die von seinem demokratischen Vorgänger Harry S. Truman initiierte Integration des Militärs erfolgreich abgeschlossen. Auch das schwarzen Amerikanern von der Verfassung garantierte Wahlrecht wollte er verwirklicht sehen.

    "Ich glaube, dass die Vereinigten Staaten jedem Bürger, dem die Verfassung das Wahlrecht gewährt, dieses Recht tatsächlich auch geben müssen. Ich glaube, dass die Stellung der Bundesrichter, die mit Wahlrechtfällen befasst sind, gestärkt wird, wenn wir diesem Recht unsere volle Unterstützung geben."

    Ein Telegramm, das Martin Luther King, damals Leiter der Southern Negroes Conference, im Februar 1957 ans Weiße Haus schickte, zeigt den Druck, unter dem Eisenhower stand, als er dem Kongress sein Bürgerrechtsgesetz vorlegte.

    "Täglich begegnen wir jetzt zutiefst schockierender Gesetzlosigkeit in unseren Gemeinden. Tag und Nacht werden Akte der Gewalt in alarmierender Häufigkeit verübt. Wir sehen uns nicht länger sporadischer Gewalt gegenüber, sondern einer offensichtlich organisierten Terrorkampagne."

    King hatte den Präsidenten gebeten, im Süden eine Rede zu halten, um die Gewalttaten zu stoppen, doch das Weiße Haus schob Terminschwierigkeiten vor. Direkte Einmischung, legislativer Aktivismus à la Roosevelt behagten Eisenhower nicht. Er war ein Langzeitplaner, zog die Fäden lieber im Verborgenen und setzte in einer revolutionären Zeit unbeirrbar auf Evolution.

    Martin Luther King: "Sein Konservativismus war unflexibel und rigoros. Jedes Übel, das die Nation beschmutzte, musste Stück für Stück mit einer Pinzette entfernt werden. Das Skalpell des Chirurgen war ein viel zu radikales Instrument, um mit der besten aller Gesellschaften in Berührung gebracht zu werden."

    Doch knapp eine Woche nachdem Eisenhower das neue Bürgerrechtsgesetz unterschrieben hatte, sah er sich gezwungen, zum Skalpell zu greifen. Die Stadt Little Rock, Arkansas, konfrontierte ihn mit der größten Krise seiner Präsidentschaft. Der Gouverneur von Arkansas weigerte sich, die 1954 vom Obersten Gerichtshof angeordnete Rassentrennung an Amerikas Schulen zu befolgen. Er hatte die Nationalgarde eingesetzt, um neun schwarze Schulkinder am Betreten der Little Rock High School zu hindern. Eisenhower - zutiefst deprimiert, doch ohne zu zögern - schickte Bundestruppen, um die Rechte der Schulkinder durchzusetzen.