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Sri Lanka
Hätten die Anschläge verhindert werden können?

Schon seit Anfang April lagen den Sicherheitsbehörden Sri Lankas offenbar Hinweise auf Terroranschläge vor. Dass sie darauf nicht reagierten, könnte an Spannungen zwischen Präsident Sirisena und Premierminister Wickremesinghe liegen. Die Zahl der Toten ist inzwischen auf 310 angestiegen, der Notstand wurde ausgerufen.

Von Bernd Musch-Borowska | 23.04.2019
Soldaten stehen in Colombo, der Hauptstadt Sri Lankas, Wache, nachdem am Ostermontag bei dem Versuch einer Entschärfung eine weitere Bombe explodierte.
Die Geheimdienste erhielten Anfang April Hinweise auf Terroranschläge (AFP - Jewel Samad)
Notstand in Sri Lanka – um Mitternacht sind die Bestimmungen in Kraft getreten, die dem Militär weitreichende Befugnisse geben. Befugnisse, die nach dem Ende des Bürgerkrieges vor rund 10 Jahren aufgehoben wurden. Sicherheitskräfte durften damals Wohnungen ohne gerichtliche Erlaubnis durchsuchen. Verdächtige konnten auf Anweisung des Verteidigungsministeriums drei Monate lang eingesperrt werden, ohne sie einem Richter vorzuführen.
Nach der Anschlagsserie am Ostersonntag wurde eine nächtliche Ausgangssperre verhängt. Außerdem ist zeitweise der Zugang zu sozialen Netzwerken wie Facebook, WhatsApp, Viber und Snapchat gekappt. Zur Begründung hieß es, dort hätten sich Panik und Falschmeldungen zu den Anschlägen verbreitet.
Zugang zu sozialen Netzwerken eingeschränkt
Fast 300 Menschen waren getötet und mehr als 500 verletzt worden, als sich am Ostersonntag Selbstmordattentäter in drei Kirchen und drei Luxushotels in die Luft sprengten.
Verantwortlich dafür sei eine einheimische radikal-islamische Terrorgruppe gewesen, die möglicherweise Unterstützung aus dem Ausland hatte, sagte Gesundheitsminister, Rajita Senaratne, der zugleich Sprecher des Regierungskabinetts ist. Die Sicherheitsbehörden hätten entsprechende Hinweise gehabt:
"Die Geheimdienste haben uns am 4. April darüber informiert, dass ein solcher Anschlag passieren könnte. Die Rede war von Selbstmordattentätern, die verschiedene Ziele angreifen würden. Die Rede war von katholischen Kirchen und touristischen Einrichtungen, Hotels."
Pannen bei Sicherheitsbehörden
Wieso haben die Sicherheitsbehörden von Sri Lanka dann nichts unternommen, um dies zu verhindern, fragte gestern der Erzbischof von Colombo, Kardinal Malcolm Ranjith, bei einem Treffen von Vertretern verschiedener Religionen in seiner Residenz in Colombo. Da könne man sich doch nur an den Kopf fassen, wenn man sich klar macht, dass all diese Opfer verhindert hätten werden können, sagte er.
"Wir bedauern sehr, dass nichts unternommen wurde, um diese Anschläge zu verhindern, obwohl die Informationen vorlagen. Es ist inzwischen bekannt, dass in den Medien über diese Informationen berichtet wurde, dass auch die Regierung davon wusste. Warum wurde dann nichts getan? Warum haben sie zugelassen, dass so etwas passiert?"
Medienberichten zufolge könnten die offensichtlichen Pannen bei den Sicherheitsbehörden auf die seit Monaten angespannten Beziehungen zwischen Präsident Sirisena und Premierminister Wickremesinghe zurückzuführen sein. Der Premierminister sei über die Warnungen ausländischer Geheimdienste nicht informiert worden, hieß es. Sirisena hatte Wickremesinghe Ende vergangenen Jahres überraschend als Regierungschef entlassen und durch den früheren Staatspräsidenten Rajapakse ersetzt. Wickremesinghe gewann aber den Machtkampf und blieb im Amt.
Dutzende Verdächtige festgenommen
Inzwischen wurden Dutzende Verdächtige festgenommen. Die Sicherheitskräfte von Sri Lanka sind seit Ostersonntag im Dauereinsatz, sagte Gesundheitsminister Senaratne:
"Wir haben schon so viel getan. Es gibt Razzien und Durchsuchungen. Wir nehmen einen nach dem anderen fest. Wir haben deren Trainingscamps identifiziert und bereits durchsucht. Wir tun wirklich was."
Unter den vielen Opfern der Anschlagsserie waren auch 35 Ausländer. Einer der Toten hatte neben einem amerikanischen auch einen deutschen Pass. Weitere deutsche Staatsbürger seien nach bisherigen Erkenntnissen nicht betroffen, teilte das Auswärtige Amt mit. Urlaubern in Sri Lanka wurde dringend empfohlen, öffentliche Plätze und insbesondere die Anschlagsorte weiträumig zu meiden.