Freitag, 29. März 2024

Archiv

Staatliches Doping
Russischer Agentenkrimi

Mit Entsetzen wurde weltweit der Untersuchungsbericht der Welt-Anti-Doping-Agentur zu den Doping-Machenschaften in Russland aufgenommen. Demnach existiert im Ausrichterland der Olympischen Winterspiele 2014 ein systematisch und von höchsten politischen Kreisen gedecktes Doping-System. An diesem Dienstag entscheidet nun das Internationale Olympische Komitee, ob russische Athleten von den Sommerspielen in Rio komplett ausgeschlossen werden.

Von Matthias Friebe | 18.07.2016
    WADA, die Welt-Anti-Doping-Agentur wirft Russland systematisches Doping vor
    WADA, die Welt-Anti-Doping-Agentur wirft Russland systematisches Doping vor (dpa / picture alliance / Robert Ghement)
    Schockierend. Dieses Wort findet sich in vielen Reaktionen auf den WADA-Ermittlungsbericht von Richard McLaren. Der hatte ein staatlich gelenktes und vom Geheimdienst überwachtes flächendeckendes Doping in Russland bestätigt. Özcan Mutlu, sportpolitischer Sprecher der Grünen im Deutschen Bundestag: "Das, was wir zu hören bekommen, ist wie ein Agentenkrimi. Der russische Geheimdienst war nicht nur verwickelt, sondern im Mittelpunkt dieser Geschehnisse."
    Harte Konsequenzen werden weltweit gefordert, ein Komplettausschluss aller russischen Athleten für die in zweieinhalb Wochen beginnenden Sommerspiele in Rio scheint unvermeidbar. ARD-Doping-Experte Hajo Seppelt sieht Thomas Bach gefordert, den Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees: "Bisher war er sehr zögerlich. Das ist jetzt der Lackmustest für den deutschen IOC-Präsidenten, Null-Toleranz gegen Doping zu zeigen oder am Ende doch wieder Realpolitik zu betreiben."
    Er werde auch vor den härtesten Sanktionen nicht zurückschrecken, kündigte Bach in einem ersten Statement an. An diesem Dienstag wird es eine Telefonkonferenz des Exekutivkomitees geben, bei der die ersten Schritte beraten werden. Viele Experten gehen davon aus, dass auch über eine Kollektivstrafe gesprochen wird. Sportrechtler Paul Lambertz hält diesen Komplett-Ausschluss für juristisch möglich. Denn das IOC habe das Recht zu ihren Spielen, Nationale Olympische Komitees zuzulassen oder nicht. "Teilnehmen kann aber nur, da ist die Satzung des IOC sehr explizit, wer sich auch dem Anti-Doping-Kampf verschrieben hat."
    Die Enthüllungen des McLaren-Reports dürften eine eindeutige Antwort darauf gegeben haben. Spannender noch ist die Frage, ob nicht dennoch für jeden Athleten die Unschuldsvermutung gilt. Am Donnerstag entscheidet der Internationale Sportgerichtshof CAS über eine Klage von 68 russischen Leichtathleten, die gegen die kollektive Suspendierung der russischen Mannschaft von allen internationalen Wettbewerben protestieren. Sportrechtler Lambertz gibt diesem Protest kaum eine Aussicht auf Erfolg: "Es ist ja keine Strafe gegen die Athleten, sollten diese nicht teilnehmen können, obwohl sie das mit Sicherheit so empfinden werden, sondern eher eine Frage, ob das Russische Olympische Komitee teilnehmen kann oder nicht." Wird das ROC nicht für Rio zugelassen, gelte das demnach auch für die Athleten, so bitter das im Einzelfall auch sei.