Lebensmittelretter Kaj Binder

"Ich will die Menschen satt machen"

32:43 Minuten
Lebensmittelretter Kaj Binder steht mit verschrenkten Armen auf einem Feld.
Erst kamen viele Helfer, dann mangelte es an Verbindlichkeit: Kaj Binder will seine Arbeit durch einen Verein professionalisieren. © Kaj Binder
Moderation: Ulrike Timm · 26.04.2021
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Bevor er "Sattmacher" wurde, war Kaj Binder Balletttänzer, Musicaldarsteller, Fitnesstrainer und landwirtschaftlicher Helfer. Heute sammelt er Obst und Gemüse von den Feldern und verteilt es an Obdachlose. Dafür wurde ihm ein Preis verliehen.
Kurz nach Beginn der Corona-Pandemie fiel Kaj Binder auf, dass selbst in der biologischen Landwirtschaft mehr als ein Drittel der Früchte auf dem Feld bleibt oder ans Vieh verfüttert wird, weil sie nicht verkäuflich sind. Gleichzeitig fehlt es den Tafeln, die Essen für Obdachlose anbieten, an Spenden.
"Manches Gemüse bleibt liegen, weil es für den Laden die falsche Form oder Größe hat," sagt er. "Ein Blumenkohl muss etwa 600 Gramm wiegen, damit er überhaupt im Supermarktregal liegen darf. Oder der Salat bleibt auf dem Feld liegen, weil er nicht den richtigen Umfang oder Blattläuse hat. Oder weil die Kartoffel einen kleinen Makel hat und der Kunde nicht bereit ist, was abzuschneiden."

Tafeln fehlen in der Pandemie die Spender

Da Restaurants in der Pandemie geschlossen sind und Privathaushalte hamstern, fällt immer weniger für die Bedürftigen ab. Binder sagt, dass allein sein Projekt im vergangenen Jahr rund fünf Tonnen Gemüse gerettet hat.
"Dann gehe ich zu den Bauern und sage: Ich kenne Menschen, denen macht dieser kleine Makel nichts aus. Dass zum Beispiel eine Karotte drei Enden hat statt nur zwei. Wir werden das los und machen damit Leute satt."

Vier Tonnen Kartoffeln zu verschenken

Die quantitativ größte Rettungsaktion bestand aus einer Fuhre Kartoffeln, die den Sattmachern angeboten wurden. Vier Tonnen, versehentlich falsch sortiert, entweder landen sie im Schweinetrog – oder Binder holt sie ab.
Es gelang ihm, zumindest 500 Kilogramm an die Tafeln zu vermitteln, die er mit einem kleinen Nissan Micra transportierte. Ohne Helfer wäre das nicht möglich. Anfangs konnte er leicht Gleichgesinnte für das Projekt begeistern. Als klar wurde, wie viel Arbeit das ist, wurden es weniger:
"Anfangs war das noch eine Solonummer. Bald kamen 12 bis 14 Menschen aus Düsseldorf und halfen mir, aussortierte Kartoffeln zu retten. Dann aber wurde die Verbindlichkeit zu einem Problem. Sobald die Leute verstehen, dass das Retten zeitlich sehr aufwendig ist, wird es schwer, sie zu binden."

Feldarbeit macht glücklich

Kaj Binder geht es auch, aber nicht nur um die vielen Menschen, die durch seine Aktion satt werden. Es geht auch darum, Sensibilität für den Wert von Lebensmitteln zu schaffen. Was besonders motiviert: Diese Arbeit macht glücklich.
"Ich bin gedanklich frei geworden, seit ich auf dem Acker stehe. Die Arbeit entlastet mich. Und die Arbeit für Obdachlose motiviert mich: So viel habe ich noch nie in etwas investiert."
Der Preis der Krankenkasse DAK soll Binder helfen, sein Projekt zu professionalisieren: Wenn alles gut geht, wird es bald ein gemeinnütziger Verein sein, der seine Arbeit und die seiner Helfer vergüten kann, auch wenn die Sattmacher immer auf guten Willen und ehrenamtliche Hilfe angewiesen sein werden.
(AB)
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