Donnerstag, 25. April 2024

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Staatsopern-Intendant Jürgen Flimm
"Ich höre in einem intellektuell guten Zustand auf"

Gut sieben Jahre lang leitete er die wichtigste Oper der Hauptstadt, die vor allem im Ausweichquartier im Schillertheater spielte. Die Sanierung des Stammhauses Unter den Linden dauerte sehr viel länger als geplant. Dennoch: "Es war eine sehr schöne Zeit", bekannte Jürgen Flimm im Dlf.

Jürgen Flimm im Gespräch mit Jürgen Liebing | 01.04.2018
    Der Intendant der Staatsoper, Jürgen Flimm, aufgenommen 2010 bei der Pressekonferenz im Schillertheater
    Jürgen Flimm: Bald nur noch "Intendant" für zwei Pferde, zwei Katzen, dreizehn Hühner, zweihunderttausend Bienen und etliche Karpfen (imago / Metodi Popow )
    Nach gut sieben Jahren endet die Intendanz von Jürgen Flimm an der Staatsoper Unter den Linden. "Ich höre auf", sagt der
    77 Jährige, "in einem intellektuell guten Zustand. Ich hätte es noch ein paar Jahre machen können, aber ich möchte nicht, dass ich nachher tattrig in meinem Büro sitze und nicht mehr weiß, wo ich bin."
    Die längste Zeit verbrachte Flimm im Schillertheater, das Ausweichquartier und provisorische Heimstatt war während der nicht enden wollenden Sanierung des Stammhauses in Berlins Mitte. Nicht selten hat er sich deswegen aufgeregt, bekennt Flimm. Aber nachdem die Frau des Generaldirektors Daniel Barenboim ihnen beiden geraten habe, sich nicht mehr aufzuregen über die unzähligen Pannen bei der Sanierung des alten Hauses, da "haben wir den Schalter umgelegt".
    Insgesamt war es im Schillertheater "eine sehr schöne Zeit". Stolz ist Jürgen Flimm darauf, dass es in der wieder belebten Werkstatt, aber auch im Großen Haus immer auch Neue Musik gegeben hat, kulminierend in dem Festival "Infektion". Die letzte Premiere in dieser Spielzeit wird das neue Werk von Salvatore Sciarrino sein: "Ti vedo, ti sento, mi perdo", inszeniert von Jürgen Flimm.
    Mit den Kollegen Barrie Kosky von der Komischen Oper und Dietmar Schwarz von der Deutschen Oper hat er sich immer gut verstanden, und mittlerweile wird auch nicht mehr darüber diskutiert, ob sich Berlin drei Opernhäuser leisten kann.
    Die #MeToo-Debatte habe die Staatsoper "bis jetzt noch nicht" erreicht, erklärt Flimm: "Wir wissen nichts darüber an der Staatsoper." Er sieht die Entlassung von James Levine an der MET in New York aber kritisch. Das sei ja keine aktuelle Geschichte: "Das jetzt auszugraben ist nicht sehr fair."
    Rückblick auf eine lange und erfüllte Karriere
    Jürgen Flimm war vierzig Jahre Intendant, zuerst in Köln am Schauspielhaus: "Da waren wir alle sehr jung und haben freche Sachen gemacht, die den Autoritäten nicht so sehr gefallen haben." Dann kam das Thalia Theater in Hamburg, "die tollen Sachen mit Robert Wilson und Tom Waits und alle tollen Musicals".
    Rückblickend auf die Künstlerische Leitung der RuhrTriennale lobt Flimm die "Verschiedenartigkeit der Spielorte, unglaublich spannend und schön". Die Festspiel-Intendanz in Salzburg war "nicht so ganz mein cup of tea, da habe ich mich nicht so wohl gefühlt, wie ich dachte".
    Zuletzt die Staatsoper: "Die letzte Zeit mit Daniel Barenboim an der Staatsoper war wunderbar. Wenn man so aufhören kann, dann ist das etwas Schönes, auch die Freundschaft mit dem Orchester und mit dem Chor ist sehr wertvoll gewesen. Das ist ein toller Abschluß."
    Flimm kündigt an, endlich "ein Buch zu schreiben für den Verlag Kiepenheuer & Witsch, den Vertrag habe ich schon mindestens drei Mal gebrochen". Er werde nicht in Langeweile versinken.
    Intendant ist Jürgen Flimm dann allerdings nur mehr für zwei Pferde, zwei Katzen, dreizehn Hühner, zweihunderttausend Bienen und etliche Karpfen.