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Staatspleite
Argentinien vor technischem K. o.

Argentinien zittert und Schuld daran sind Hedgefonds. Mit ihnen liegt das südamerikanische Land im Streit. Dabei geht es um Altschulden in Milliardenhöhe. Diese könnten dazu führen, dass Argentinien gut zwölf Jahre nach der Staatspleite erneut seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann - eine Art Vorstufe zum Bankrott.

Von Michael Braun | 30.06.2014
    Protestplakat gegen Hedgefonds in Argentinien
    Protestplakat gegen Hedgefonds in Argentinien - dem Land droht wegen Zahlungsaufforderungen womöglich die Pleite (dpa/picture-alliance/David Fernandez)
    "Argentinien zahlt" – so ist die Regierungserklärung überschrieben, die gestern in Buenos Aires und heute in großen auch europäischen Zeitungen veröffentlicht wurde. Und trotz dieser Willensbekundung schließt man am Kapitalmarkt eine Staatspleite des südamerikanischen Landes, die zweite nach 2001, nicht aus. Mauro Toldo, der namens der Deka-Bank die Schwellenländer beobachtet:
    "Ich glaube, die Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit ist sehr stark gestiegen. Wir haben sehr viele Faktoren, die Argentinien dazu zwingen könnten, wie zum Beispiel technische Faktoren. Sie müssen innerhalb von kurzer Zeit Zahlungen leisten. Sie dürfen es aber nicht. Und das erhöht das Risiko."
    Dabei hatte Argentinien am Freitag gezahlt, mehr als eine Milliarde Dollar, und zwar auf Konten einer amerikanischen Bank bei der argentinischen Zentralbank. Ein amerikanisches Gericht hat diese Zahlungen zwar nicht gepfändet, aber verboten. Deshalb liegt zunächst eine technisch bedingte Zahlungsunfähigkeit vor, nicht eine wirkliche Staatspleite.
    Die geleisteten, aber gestoppten Zahlungen waren für Gläubiger Argentiniens gedacht, die zwischen 2001 und 2010 an der Umschuldung einer nach amerikanischem Recht emittierten Altanleihe teilgenommen hatten. Rund 93 Prozent der Gläubiger dieser Anleihe hatten auf zwei Drittel ihrer Ansprüche verzichtet. Etwa sieben Prozent nicht.
    Diese sieben Prozent, eine Minderheit also, nun im Besitz von Hedgefonds, haben erfolgreich geklagt, ihre Ansprüche müssten zu hundert Prozent bedient werden. Die Anleihebedingungen hatten sie auf ihrer Seite. Denn Argentinien hatte bei der Emission der Anleihe vor 13 Jahren mindestens einen handwerklichen Fehler gemacht. Die Folge: Auch als eine große Mehrheit verzichtete, musste die Minderheit nicht auch verzichten. Sie behielt ihre Rechte. Und klagte sie jetzt ein.
    Hedgefonds nutzen Zeitdruck
    "Juristisch ist das alles adäquat, was hier passiert," bewertet Martin Hellmich die Rechtslage. Hellmich lehrt an der Frankfurt School of Finance and Management den Umgang mit Finanzrisiken.
    Doch wenn die Minderheit nun ihre vollen Ansprüche durchsetzen sollte, leben die Ansprüche der Mehrheit, die auf zwei Drittel verzichtet hatte, wieder auf. Dieses Recht hat die Mehrheit der Altgläubiger bis Ende dieses Jahres. Käme es durch, kostete das Argentinien einen zweistelligen Milliardenbetrag. Diesen Zeitdruck nutzen die Hedgefonds. Sie riskieren damit eine Staatspleite, deren Folgen für die Region Deka-Experte Toldo aber für überschaubar hält:
    "Argentinien hat in den vergangenen Jahren an den Kapitalmärkten deutlich an Bedeutung eingebüßt. Damals, 2001, ist es tatsächlich so, dass die Krise in Argentinien Uruguay sehr stark beeinträchtigt hat, auch Brasilien. Auch die Zahlungsfähigkeit Brasiliens wurde in Frage gestellt. Im Moment ist das aber nicht mehr der Fall. Argentinien – die Verbindungen zu den andren Ländern sind geringer geworden, die Länder sind besser aufgestellt. Ich glaube nicht, dass ein Zahlungsausfall - oder ein "technischer Default" in diesem Fall - andere Länder mitnehmen würde."
    Nach dem technischen Zahlungsausfall heute läuft noch eine Gnadenfrist bis zum 30. Juli. Dann würde die Zahlungsunfähigkeit offiziell festgestellt. Das dürfte aber kaum im Interesse der Hedgefonds sein. Eine Verhandlungslösung ist immer noch möglich.