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Stabwechsel 2017
Malta steht vor schwieriger EU-Ratspräsidentschaft

Malta ist das kleinste Mitgliedsland der Europäischen Union. Anfang des Jahres übernimmt es die EU-Ratspräsidentschaft von der Slowakei. Eines der wichtigsten Themen: Lösungen in der Flüchtlingspolitik zu finden.

Von Tassilo Forchheimer | 30.12.2016
    Malta: Blick auf die Hauptstadt Valletta mit der St. Paul's Kathedrale (Aufnahme vom 27.3.2004).
    Malta, mit seiner Hauptstadt Valletta, liegt zwischen Libyen und Italien auf der Route Hunderttausender Flüchtlinge, die eine Zukunft in Europa suchen. ( dpa / Lehtikuva Wennström)
    Die maltesische Regierung ist sich der Größe der Aufgabe bewusst, sagt Europa-Minister Louis Grech, zugleich stellvertretender Ministerpräsident:
    "Ich glaube, dass die EU gerade im fragilsten und delikatesten Zustand ihrer Geschichte ist. Wir müssen zum einen uns auf die Nachhaltigkeit des europäischen Projekts konzentrieren, zum anderen gilt es, das Vertrauen der Bürger in Europa zurückzugewinnen."
    Dabei ist EU-Skepsis in Malta kein so großes Thema. Hier hat die Europäische Union ein vergleichsweise gutes Image.
    Durch den Austausch mit anderen europäischen Ländern, haben die Malteser inzwischen eine starke europäische Mentalität entwickelt, erklärt Karl Gouder, Abgeordneter der Nationalistischen Partei. So heißen auf Malta die Christdemokraten.
    "Wir gehören zu den wenigen Ländern, wo eine extrem große Mehrheit der Bürger froh über die EU Mitgliedschaft ist, besonders in einer Zeit, in der die meisten über den Brexit diskutieren, ob die EU gut ist oder nicht. Solche Diskussionen gibt es bei uns nicht."
    Was nicht heißt, dass die Malteser wunschlos glücklich wären. Wer auf den Straßen von Valletta fragt, wofür sich Malta während seiner EU-Ratspräsidentschaft einsetzen sollte, bekommt vor allem eines zu hören.
    "Ich bin für die Europäische Union, nur beim Umgang mit illegalen Einwanderern stimme ich absolut nicht mit der aktuellen politischen Linie überein."
    "Malta sollte das Bewusstsein für die Migration stärken. Zum Beispiel muss im Fall der Migration das Problem auf europäischer Ebene angegangen werden. Größere Länder sind verpflichtet, diese Probleme nicht auf andere Länder zu übertragen. Das Problem der Migration muss als ein europäisches Land angegangen werden."
    Kein wirkliches Migrationsproblem
    Wirklich erstaunlich sind diese Aussagen deshalb, weil es in Malta bis heute kein wirkliches Migrationsproblem gibt. Schon seit Jahren sind hier keine Flüchtlinge mehr angekommen. Der Fernsehmoderator Frank Psaila, sonst um keine Antwort verlegen, kann auch nicht erklären warum.
    "Das ist eine Frage, die ich gerne beantworten würde, wenn ich die Antwort dazu wüsste. In den letzten drei bis vier Jahren sind keine Flüchtlingsboote auf Malta angekommen. Der Ministerpräsident selbst hat zugegeben, dass es mit Italien Vereinbarungen gegeben hat. Wir wissen nicht welche, aber was sicher ist, dass es hier keine Bootslandungen mehr gibt. Das ist ziemlich interessant."
    Das im Moment größte Geheimnis der maltesischen Politik, die sich ansonsten als der ideale Vermittler in schwierigen Zeiten betrachtet, so der Europa-Minister Grech von der sozialdemokratischen Labour-Party, früher Chef von Air Malta.
    "Wir gehen da sehr pragmatisch und realistisch heran. Wir wissen dass unsere Größe als Problem gesehen werden kann, in Bezug auf unsere begrenzten Ressourcen. Aber ich glaube, wir können sehr ehrliche Markler sein und heikle Themen behandeln. Ich glaube, in dieser speziellen Zeit einen ehrlichen Makler zu haben, ist sehr essenziell."
    So sieht die Sache auch die Opposition. Tonio Fenech war bis 2013 maltesischer Finanzminister.
    "Wenn eine Präsidentschaft aus einem kleinen Land kommt, dann kann diese effektiver werden. Weil es keine versteckte Agenda hat oder andere große Ziele. Deshalb denke ich, kann sich Malta als ehrlicher Makler anbieten. Malta wird Europa nicht neu gestalten, aber es kann alle näher zusammenbringen, weil man uns vertraut."
    Themen gibt es jedenfalls genug für diese EU-Ratspräsidentschaft. Von den Herausforderungen durch die großen Migrationsbewegungen über die lahmende europäische Wirtschaft bis hin zu Fragen der Terrorabwehr. Von anstehenden Brexit bis zur Zukunft des Mittelmeerraums. Den Europa-Politikern wird 2017 nicht langweilig werden.