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Stadler fordert Stellungnahme der Regierung zu BND-Aktivitäten

Der FDP-Innenpolitiker Max Stadler hat die Bundesregierung aufgefordert, zu den neuen Vorwürfen über eine Unterstützung des Irak-Krieges Stellung zu nehmen. Sollten sich die Berichte bewahrheiten, wonach deutsche Agenten irakische Verteidigungspläne an die USA weitergaben, wäre dies eine dramatische Wendung, betonte Stadler. Ob die FDP einen Untersuchungsausschuss fordert, werde die Fraktion dennoch wie geplant erst Anfang kommender Woche entscheiden.

Moderation: Elke Durak | 27.02.2006
    Elke Durak: Wieder einmal also ist die FDP in der Position, "Zünglein an der Waage" zu sein für den BND-Untersuchungsausschuss, das Ja oder Nein dazu hängt wahrscheinlich nur noch von der FDP ab. Für diese Entscheidung lassen sich die liberalen Bundestagsabgeordneten Zeit. Frühestens bis zum Donnerstag dieser Woche - da gibt es Fraktionsvorstandssitzung - will man sich Zeit nehmen, hieß es bis gestern Abend noch.

    Weshalb dies und wohin die FDP grundsätzlich tendiert und was er zu den neuen Informationen aus der New York Times sagt, darüber spreche ich jetzt mit Max Stadler. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Innenausschusses des Bundestages und auch mehrfach Untersuchungsausschuss-erfahren, schönen guten Morgen Herr Stadler.

    Max Stadler: Guten Morgen.

    Durak: Weshalb - kurz zu Beginn gefragt - macht es denn Ihre Fraktion so spannend mit einer Entscheidung?

    Stadler: Ich möchte einmal umgekehrt fragen: War es denn wirklich seriös, dass die Grünen am Freitag, also an dem Tag, an dem die Bundestagsabgeordneten den Bericht der Bundesregierung über diese Vorgänge bekommen haben, sofort eine Entscheidung getroffen haben? Wir nehmen für uns in Anspruch, dass wir sowohl den öffentlichen Bericht der Bundesregierung, als auch den nur für die Bundestagsabgeordneten zur Verfügung haben, auswerten wollen und dass wir dann in Ruhe entscheiden wollen, ob jetzt noch so viele Fragen offen sind, dass ein Untersuchungsausschuss lohnt, ob ein Untersuchungsausschuss dafür das geeignete Aufklärungsmittel ist, oder ob wir in dem Bereich sind, wo es um die Bewertung schon bekannter Tatsachen geht.

    Und ich bitte doch einmal auch um Verständnis: Die Entscheidung der FDP, einen Untersuchungsausschuss zu beantragen im Januar - damals haben die Grünen leider nicht zugestimmt, sonst hätten wir den Ausschuss längst - diese Entscheidung hat unsere Bundestagsfraktion getroffen und zwar einstimmig und die Bundestagsfraktion hat daher auch das Recht, alle weiteren Entscheidungen zu treffen. Sie tritt wieder zusammen, turnusgemäß am nächsten Dienstag. Es gibt am Montag aber auch schon eine Klausurtagung zu anderen Themen. Da werden wir die Entscheidung treffen und ich finde, das ist völlig ein angemessenes Verfahren, das ist auch zeitnah. Es ist überhaupt nichts verdorben, wenn man eine Woche einmal mit einer so weit reichenden Entscheidung wartet und im Übrigen wird am Donnerstag der Fraktionsvorstand diese Frage vorberaten. Jetzt sind die Karnevalstage am Mittwoch, am politischen Aschermittwoch sind die wichtigen Politiker in Passau, in Niederbayern...

    Durak: Vielleicht Herr Stadler - entschuldigen Sie, dass ich Sie hier unterbreche - haben die Politiker neben dem politischen Aschermittwoch noch etwas anderes zu tun. Wir haben ja darüber in diesen Morgenstunden mehrfach schon berichtet und das sollte wichtig sein für die Entscheidung, wird es einen BND-Untersuchungsausschuss geben oder nicht. Die Grünen hatten sich ja auf einen "U-Ausschuss light" verständigt, also BND-Aktivitäten und CIA-Flüge, nicht aber Mitwisserschaft der alten Bundesregierung. Das könnte sich jetzt ändern. Und wir wollen einmal hören, was unser USA-Korrespondent berichtet über die Meldung, dass die New York Times wissen will, dass die BND-Agenten, die im Irak waren doch weitaus stärker in diese, sagen wir mal Kriegsvorbereitungen der Amerikaner eingebunden waren, als bisher überhaupt geahnt:

    Die Zeitung begründet diese Einschätzung mit einer Geheimstudie des US-Militärs, aus der hervorgeht, dass zwei BND-Agenten in Bagdad in den Besitz einer Kopie des Verteidigungsplans für die irakische Hauptstadt gelangten, und diese Kopie einen Monat vor der US-geführten Invasion des Irak von einem deutschen Nachrichtendienstler amerikanischen Befehlshabern übergeben wurde. Dieser Plan habe den US-Militärs einen außergewöhnlichen Einblick in die Beratungen der irakischen Militärspitze gegeben, einschließlich der Einsatzpläne Saddam Husseins für seine zuverlässigsten Truppen, schreibt die Times auf der Webseite ihrer Montagsausgabe. Die Übergabe der Kopie habe im Februar 2003 in Qatar stattgefunden. Ihr Empfänger sei ein Mitarbeiter des Geheimdienstes des US-Verteidigungsministeriums gewesen, der im Hauptquartier von General Tommy Franks beschäftigt war.
    [Der Korrespondentenbericht von Siegfried Buschschlüter im Volltext]

    Durak: Herr Stadler, allein von diesen ersten Informationen - ich könnte auch noch einiges dazu geben - beschleunigt das oder besteht da nicht der Zwang zur Beschleunigung der Entscheidung über einen BND-Untersuchungsausschuss?

    Stadler: Also, noch einmal: Wir behalten uns selbstverständlich einen Untersuchungsausschuss vor. Heute ist Montag. Am Donnerstag tagt der Fraktionsvorstand. Ich finde, das ist eine zeitnahe Beratung, die durchaus angemessen ist. Da braucht es keine Beschleunigung.

    Aber wenn sich diese Informationen bestätigen, wäre das selbstverständlich eine dramatische Wendung in dem ganzen Geschehen, denn die Bundesregierung hat von einer solchen Übergabe eines Verteidigungsplans des Iraks bisher nicht berichtet. Ich finde daher, es ist Sache der Bundesregierung, dazu Stellung zu nehmen, möglicherweise zunächst einmal in einer Sondersitzung des parlamentarischen Kontrollgremiums und eines ist aber - ohne dass man jetzt den Wahrheitsgehalt dieser Meldung bewerten könnte - eines ist für mich seit Langem klar: Der Einsatz von BND-Mitarbeitern in Bagdad in Kriegszeiten war nicht, wie es anfangs geheißen hat, alleine dafür gedacht, dass man Kollateralschäden vermeidet, indem man die Amerikaner davor warnt, zivile Objekte zu bombardieren, sondern mit diesem Einsatz war man im Kriegsgeschehen natürlich involviert und dann stellt sich freilich auch die Frage: Wie hat die Bundesregierung die politischen Vorgaben für diesen Einsatz formuliert? Warum sind die nirgends schriftlich fixiert worden? Wie ist denn die Tätigkeit der BND-Mitarbeiter von der Bundesregierung überwacht worden? Und ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass die Grünen mit ihrem Beschluss vom letzten Freitag sich nur fokussieren auf die Tätigkeit von einzelnen BND-Mitarbeitern und ausblenden wollen, wie die politische Verantwortung für diesen Einsatz ausgesehen hat.

    Durak: Im Grunde stützt ja der Bericht aus dieser Zeitung Ihre Position, denn wenn man es genau verfolgt, es heißt, im Dezember 2002 haben sich die BND-Mitarbeiter diese Geheimpläne des Präsidenten beschaffen können, danach hätten die beiden das Material an ihre Vorgesetzten weitergeleitet und die saßen in Berlin oder in München, je nach dem.

    Stadler: Ja, noch einmal: Ich kann jetzt den Wahrheitsgehalt dieser Zeitungsmeldung nicht beurteilen. Wir haben ja erlebt, dass es auch aus einer anonymen amerikanischen Quelle hieß, die BND-Mitarbeiter hätten die Bombardierung eines Restaurants ermöglicht, weil man vermutet hatte, dort würde sich Saddam Hussein aufhalten. Diese Meldung, die ja die ganze Debatte ausgelöst hat, hat sich als unzutreffend erwiesen. Daher bin ich vorsichtig. Nur eines ist doch ganz klar: Ein Einsatz von Geheimdienstagenten in einem Krieg, den die damalige rot-grüne Bundesregierung abgelehnt hat, war von vorne herein eine Gratwanderung, denn es war ja unbestritten auch die Vereinbarung, dass man einen Informationsaustausch mit den Amerikanern pflegt. Wenn man dies schon macht, dann ist es für mich auch eine Notwendigkeit, dass die damalige Bundesregierung diesen Einsatz strikt überwacht hätte, damit er sich im Rahmen der politischen Vorgaben hielt. Und an dieser Überwachung hat es nach meiner Überzeugung gefehlt und darüber muss in der weiteren politischen Debatte diskutiert werden, egal in welchem Gremium auch immer, ob in einem Untersuchungsausschuss oder in anderen parlamentarischen Gremien.

    Durak: Dankeschön, Max Stadler war das, stellvertretender Vorsitzender des Innenausschusses des Bundestages und Mitglied der FDP, besten Dank, Herr Stadler, für das Gespräch.