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Stadtentwicklung
Offenbach schüttelt sein Schmuddel-Image ab

Lange stand Offenbach im Schatten von Frankfurt. Doch die Zeiten, in der die Stadt vor allem von schmutziger Industrie lebte, sind vorbei. Der Umbruch konnte auch deswegen erfolgreich eingeleitet werden, weil man gezielt junge Kreative in die Stadt gelockt hat.

Von Ludger Fittkau | 07.09.2017
    Den Blick auf die Frankfurter Skyline (im Hintergrund) gibt es am 28.04.2017 in Offenbach (Hessen) von vielen Wohnungen im neuen Quartier am Hafen.
    Blick vom Hafen nach Frankfurt: Auch weil die Nachbarstadt boomt, profitiert der Offenbacher Immobilienmarkt. (dpa)
    "Ja, wir stehen jetzt hier momentan in Offenbach, am ehemals alten Ölhafen in Offenbach. Der jetzt seit knapp vier oder fünf Jahren umgewandelt wird in ein Wohn-und Gewerbegebiet."
    Peter Roser lässt den neuen Lampenmast nicht aus dem Blick, der am Offenbacher Hafen errichtet wird. Der Kran, der den Eisenträger am Haken hat, wird präzise per Fernsteuerung gelenkt. Peter Roser ist Elektromeister beim Offenbacher Energieversorger EVO. Sein Unternehmen ist für die neue LED-Beleuchtung zuständig, die im ebenfalls brandneuen, schicken Wohnquartier am alten Offenbacher Ölhafen errichtet wird. Manchmal reibt sich Roser immer noch die Augen, wenn er sieht, wie sich Offenbach im Augenblick wandelt. Denn bis vor ein paar Jahren hatte die Industriestadt am Main ein regelrechtes Schmuddel-Image:
    "Ja, Offenbach verändert sich momentan sehr stark, würde ich sagen. Viele Brachflächen, die jahrelang, jahrzehntelang gelegen haben, wo sich keiner drum gekümmert hat, werden jetzt auf einmal neu erschlossen. Das ist eine schöne Entwicklung für die Stadt Offenbach, finde ich. Mehr Einwohner, vielleicht auch mehr Gewerbetreibende mit mehr Gewerbeeinnahmen für die Stadt. Ich hoffe, dass das alles so funktioniert, dass das für die Stadt ein gutes Ergebnis gibt."
    Offenbacher Schmutz für die Nachbarn in Frankfurt
    Jahrzehntelang lebte Offenbach von oft sehr schmutziger Industrie, vor allem der Herstellung von Lederwaren. Es wird erzählt: Weil die Lederfabriken ihre Abwässer lange Zeit ungeklärt in den Main leiteten, war das nur wenige Kilometer flussabwärts gelegene Frankfurt am Main nicht gut auf Offenbach zu sprechen. Als Frankfurter zieht man nie und nimmer in die schmutzige Nachbarstadt, hieß es lange. Doch in den letzten Jahren ändert sich diese Haltung. Markus Frank, der Wirtschaftsdezernent von Frankfurt am Main:
    "Offenbach liegt uns Frankfurtern ja ganz besonders am Herzen. Deshalb haben wir den Offenbachern auch geholfen, ihre Hafenmole weiterzuentwickeln. Es ist ein Frankfurter Unternehmen, das dort die Häuser baut. Wir unterstützen das Umland. Klar, Frankfurt hat eine Fläche von 248 Quadratkilometern. Das ist überschaubar. Und da liegt es in der Natur der Sache, dass man dann eben auch die Kommunen am Rande der Stadt beteiligt."
    Eine alte Werkshalle ,ein paar hundert Meter von der Stelle am Offenbacher Hafen entfernt, an der die neuen Straßenlaternen errichtet wurden. Auch hier ist die Industrie längst verschwunden, gewerkelt wird hier seit einem Jahr nur noch von einem jungen Künstlerkollektiv. Performances und große Rauminstallationen sind die Spezialität der Gruppe, die gerne auch mit Frankfurter Kreativen zusammenarbeitet. Etwa mit der Theater-Performerin Anna Wagner, die gerne für Kunstaktionen von Frankfurt nach Offenbach kommt, weil es hier noch mehr Freiräume gibt, sagt sie:
    "Die Idee, dass Frankfurt und Offenbach nicht schon eine Stadt sind, aber einfach sehr, sehr naheliegende Städte sind, da hoffe ich, dass das noch viel stärker ins Bewusstsein rückt. Für mich, durch das permanente Hin-und Herfahren ist Offenbach ein Stadtraum, ein großes, urbanes Gebiet."
    Neue Dynamik in der Kreativ- und Immobilienbranche
    Seit Jahren hat die Stadt Offenbach viel getan, um gerade junge Künstler aus der großen Nachbarstadt anzulocken, die früher nach Ende ihres Studiums gerne schnell nach Berlin abgewandert sind. Man stellte etwa günstige Ateliers in alten Fabrikräumen zur Verfügung. Inzwischen hat diese aktive Kulturpolitik dazu geführt, dass einige hundert junge Kreative nach Offenbach gekommen sind. Darüber freut sich besonders Grete Steiner, die vor Jahren in der Stadt einen Verein für Kunstförderung gegründet hat. Hauptziel war es, regelmäßige Ausstellungs-Events zu organisieren, bei denen sich die Absolventen der Offenbacher Hochschule für Gestaltung und Absolventen weiterer Hochschulen der Region mit ihren kreativen Arbeiten präsentieren können:
    "Und das Projekt hat sicher dazu beigetragen, dass ganz viele Studierende Offenbach kennengelernt haben als Ort der Kunst, und wir ja eine Zuwanderung von jungen Künstlern hier in Offenbach haben, und junge Unternehmen, die gerade im Bereich der Kunst ihre Geschäfte entwickeln. Und ganz viele Intellektuelle und Künstler von Frankfurt nach Offenbach ziehen."
    Anton Holler, der zufällig auf dem neu-beleuchten Radweg an der Offenbacher Hafenmole Richtung Frankfurt am Main entlang radelt, fasst das zusammen, was hier viele denken:
    "Das die beiden Städte zusammenwachsen und dass Offenbach einen viel schlechteren Ruf hat, als es eigentlich ist. Ich komme aus der Immobilienbranche und es ist deutlich interessanter hier geworden als in Frankfurt."