Dienstag, 19. März 2024

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Städel Museum Frankfurt
Wiederentdeckung der Malerin Lotte Laserstein

Sie fiel als Frau und Malerin durch alle Raster, und wurde gleich zwei Mal vergessen: Weil Lotte Laserstein 1937 vor den Nationalsozialisten nach Schweden floh; und weil ihre Kunst nach dem Krieg als zu akademisch galt. In der Frankfurter Schau "Von Angesicht zu Angesicht" kann man sie jetzt wieder entdecken.

Anja Reinhardt im Gespräch mit Michael Köhler | 21.09.2018
    Das Gemälde in Öl auf Holz zeigt die Malerin in ihrem Atelier hinter einem liegenden, weiblichen Akt-Modell
    Lotte Lasersteins Gemälde "In meinem Atelier" (VG Bild-Kunst, Bonn 2018)
    Ein Bild, das Ruhe und Vertrautheit ausstrahlt: "In meinem Atelier" zeigt Modell und Malerin, das Modell schlafend auf einem Bett liegend, die Malerin mit ihrer Staffelei konzentriert sich auf ihre Leinwand, im Hintergrund sieht der Betrachter die verschneiten Dächer einer Stadt. Lotte Laserstein malt ihr Lieblingsmodell Traute Rose, die Freundin ist das Motiv zahlreicher Bilder. Eine selbstbewusste, androgyne Frau, die sich ganz offensichtlich in ihrem sportlichen Körper wohlfühlt. Ein Frauentypus, den auch die Künstlerin verkörpert.
    Lotte Laserstein, 1898 geboren, gehörte zu der ersten Frauengeneration, die an der Berliner Akademie Malerei studieren durften. Das erklärt, warum sie sich bei Szenen aus dem Berliner Alltag oder Portraits von Freunden oder sich selbst durchaus einer akademischer Tradition verpflichtet sah, statt diese zu verachten. Bei Erich Wolfsfeld wurde sie Meisterschülerin, nach ihrem Abschluss mit Auszeichnung baute sie eine Malschule auf, nahm an Ausstellungen teil und konnte Bilder verkaufen.
    Subtile Porträts in realistischer Manier
    Lasersteins Stil ist eigensinnig, nie gehört sie einer Schule an, ihr Stil ist realistisch, aber für die "Neue Sachlichkeit" fehlt ihr der politische Bezug, so wie Dix oder Grosz ihn immer wieder suchten. Die Bilder der Künstlerin zeichnen sich eher durch eine genaue Kenntnis der Kunstgeschichte aus, immer wieder entdeckt der Betrachter Parallelen zu Leonardo da Vinci, Michelangelo, Adolph Menzel oder Wilhelm Leibl. Sie studiert den menschlichen Körper ganz genau, ohne ihn dabei jemals dem Grotesken oder Lächerlichen preiszugeben. Die Malerin liebt ihre Modelle.
    Ein Gemälde in Öl auf Holz aus dem Jahr 1930 zeigt fünf Personen um einen Tisch, davon sitzen drei Personen. Der Tisch steht auf einem Balkon, im Hintergrund ist die Silhoutte von Potsdam zu sehen
    Abend über Potsdam von Lotte Laserstein (VG Bild-Kunst, Bonn 2018)
    Subtile politische Momente gibt es trotzdem, so wie in "Abend über Potsdam" aus dem Jahr 1930. Die Menschen hier scheinen das Unheil, das ab 1933 mit den Nationalsozialisten kommen wird, vorauszusehen, eine melancholische Stimmung liegt über dieser Gesellschaft, die nach der Weltwirtschaftskrise keinen Überfluss mehr kennt.
    Für die Nazis entartet, für die Nachkriegszeit zu wenig modern
    Mit der Machtübernahme Hitlers wird es auch für Lotte Laserstein zunehmend schwieriger, als Künstlerin zu arbeiten, 1937 gelingt ihr die Flucht nach Schweden, sie wird bis zu ihrem Tod 1993 nie wieder nach Deutschland zurückkehren. Kuratorin Elena Schroll:
    "Ich glaube, das ist einfach auch der blinde Fleck unserer kunstgeschichtlichen Perspektive, die sich nach dem Weltkrieg erst mal für die großen Innovationen und Avantgarden interessiert hat. Man hat versucht, prominente, von den Nationalsozialisten diffamierte Positionen zu rehabilitieren und dann ein Gegenbild zum sozialistischen Realismus zu schaffen. So dass auch die Neue Sachlichkeit bis in die 60er Jahre nicht so stark von Interesse war, und im Zuge auch der Entdeckung der neuen Sachlichkeit ist Lotte Laserstein mit ihrem akademisch traditionellen Stil wieder durch ein Raster gefallen."
    Dass ihr Werk nun "wiederentdeckt" wird, mag auch mit dem gesteigerten Interesse an der Weimarer Republik zu tun haben, mit dem Interesse an einer Zeit, die Parallelen zu heute aufweist. Alexander Eiling, Sammlungsleiter für die Kunst der Moderne am Städel Museum:
    "Man blickt so ein bisschen in diese doch fragile Demokratie der Weimarer Republik mit den aufkommenden Nationalismen, die sich ja wie im Brennglas dort fokussieren und man hat natürlich unterschwellig Angst, dass so was jetzt auch wieder passieren könnte, man sieht natürlich, wie in der Weimarer Republik die Demokratie von allen Seiten attackiert wird und wie darum gekämpft wird und sie schließlich zu Fall gebracht wird."
    Das Städel in Frankfurt zeigt in der Ausstellung "Von Angesicht zu Angesicht" eine Malerin, die durch alle Raster fiel: Von der Nationalsozialisten als "entartet" deklariert, für die jüdischen Künstlerverbände nicht jüdisch genug, für die Nachkriegszeit zu figürlich und, zynischerweise, nicht "entartet" genug. Die Wiederentdeckung der Malerin erzählt auch eine Geschichte über Museen und die Ausstellungspraxis, lieber nach dem nächsten großen Ding zu suchen.