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Ständige Brände und ungenehmigte Einlagerungen

Die Einlagerung geschah keineswegs professionell, wie ein Expertenbericht nahe legt. Denn vermutlich hatten schwere Sicherheitsmängel zu dem Brand im vergangenen Sommer geführt, wonach Abfälle miteinander in Berührung gekommen seien, die nicht zusammen hätten eingelagert werden dürfen.

Von Ralf Streck | 15.09.2003
    Wie ist die Schließung der Anlage in der Region aufgenommen worden und was soll nun mit dem eingelagerten Giftmüll weiter passieren?

    Ich werde es niemals zulassen, dass die Wittelsheimer ein Risiko eingehen. Stocamine muss geschlossen werden. Ich zähle auf euch alle in diesem Kampf.

    Vor fast genau einem Jahr hat der Wittelsheimer Bürgermeister Denis Riesemann, diese Worte auf einer Demonstration an die Bürger seiner Gemeinde gerichtet.

    Hier, wo die elsässische Weinstraße nahe Mulhouse auf das Kalibecken im Rheintal trifft, brannten unter der Erde vor einem Jahr 1800 Tonnen Giftmüll. Den Bürgern auf beiden Seiten des Rheintals war die Angst in die Knochen gefahren. Sie forderten die sofortige Schließung der Deponie. Das Ziel ist nun erreicht. Überraschend haben die Betreiber der Stocamine letzte Woche erklärt, das Projekt aufzugeben. Denis Riesemann ist erfreut:

    Die Entscheidung der Stocamine-Leitung die Einlagerung zu beenden ist vernünftig. Sie macht mich als Bürgermeister natürlich sehr zufrieden.

    Axel Mayer, Regionalgeschäftsführer des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Freiburg, sieht das ähnlich. Gemeinsam mit Umweltschützern aus dem Elsass hatte er jahrelang gegen die Deponie gekämpft. Er meint, ihr Betrieb hätte nie erlaubt werden dürfen und so hätte man der Umwelt und den Aktionären viel erspart:

    Die Betreiber haben sich gnadenlos selber blamiert. Eigentlich sollte der Giftmüll dort Hunderttausend Jahre sicher gelagert werden. Nach zwei bis drei Jahren hat es dort unten gebrannt, wo es eigentlich nicht brennen durfte und wo Stoffe waren, die eigentlich nicht brennbar waren. Es gab keine Feuermelder, es gab keine Sicherungsanlagen, die Firma hat auf Kosten der Sicherheit gespart und jetzt wird sie eigentlich für diese Nachlässigkeit bestraft.

    Es verwundert, dass die Betreiber, von denen keine Stellungnahme zu erhalten war, ihren Entschluss damit begründen, die Deponie in der ehemaligen Kalimine sei nicht rentabel. Nur mit 5000 Tonnen Sondermüll jährlich könnte Stocamine rechnen, mit 40.000 Tonnen hatte man einst kalkuliert. Ausgerechnet die billige Konkurrenz, vor allem aus Deutschland, sei dafür verantwortlich.

    Der Wittelsheimer Bürgermeister sieht auch andere Gründe für die Schließung:

    Natürlich ist da die Ökonomie, aber ich glaube, auch die Risiken spielen eine Rolle, die von dieser Firma für die Umwelt oder die Gesundheit der Bevölkerung ausgehen.

    Offenbar hat man auch in Paris dem Projekt die Unterstützung entzogen. Der Brand hat jedenfalls verdeutlicht, die Betreiber der Deponie können nicht mit Giftmüll umgehen. Noch ermittelt die Staatsanwaltschaft in einem Strafverfahren, das Endergebnis für die Ursachen steht noch aus. Ein vorläufiger Bericht nimmt an, illegal müssten entzündliche Stoffe eingelagert worden sein.

    Und hier drängt sich deutschen Ermittlern eine Parallele auf. Fast gleichzeitig mit Wittelsheim brannte im vergangenen August gleich zwei Mal Giftmüll in einer unterirdischen Deponie in Sachsen Anhalt. In Deutschland macht man dafür selbstentzündliche Abfälle der Firma Aluminium Rheinfelden verantwortlich. Und die hat ihren Sitz nur 50 Kilometer entfernt von Wittelsheim.

    Abgesehen von der strafrechtlichen Relevanz ist für den BUND klar was mit dem Müll in Wittelsheim geschehen soll. Axel Mayer erklärt:

    Der Müll der dort unten liegt, ist eine Hypothek für die Zukunft. Es ist eine Hypothek für das Grundwasser am Oberrhein, deswegen wäre es sicher gut diesen Müll dort unten auszuräumen.

    Doch darüber entscheiden die französischen Behörden erst in ein bis zwei Jahren. Derweil wird die Mine überwacht und Experten erstellen ein Gutachten darüber, was mit den 45.000 Tonnen Giftmüll passiert, die bisher im Wittelsheimer Kalisalz vergraben wurden, erklärt der Bürgermeister Denis Riesemann:

    Es gibt drei Möglichkeiten: Alles herauszuholen oder alles unten zu lassen und die Mine vollständig zu verschließen. Als Drittes wäre es möglich den Giftmüll unten zu lassen und ihn weitere 25 Jahre zu überwachen.

    Das letzte Wort ist also auch in Wittelsheim noch nicht gesprochen.