Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Stahlbranche
Duisburgs Bürgermeister: Thyssenkrupp muss Chefsache werden

In der Diskussion um eine mögliche Zerschlagung des Thyssenkrupp-Konzerns hat Duisburgs Bürgermeister Sören Link den NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet dazu aufgerufen, sich persönlich stärker zu engagieren. Laschet dürfe "nicht ständig andere Minister vorschicken", sagte Link im Dlf.

Sören Link im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 21.07.2018
    Das Thyssenkrupp Stahlwerk Schwelgern in Duisburg-Marxloh steht in der Dämmerung da.
    "Hier geht es darum, für zigtausende Menschen sichere, zukunftsfähige Arbeitsplätze zu erhalten", mahnt Bürgermeister Sören Link (picture alliance / dpa / Bernd Thissen)
    Jürgen Zurheide: Herr Link, wie ist denn die Stimmung im Moment in der Stadt, angesichts des Chaos, was da in Essen herrscht? Anders kann man das ja wohl kaum bezeichnen.
    Sören Link: Das ist so ein Stück weit ein Wechselbad der Gefühle. Vor einigen Tagen, einigen Wochen ging ein Aufatmen durch die Belegschaft und weite Teile der Stadt, als die Fusion Thyssenkrupp Steel und Tata einen erfolgreichen Meilenstein erreicht hat. Insofern ist es jetzt umso bedenklicher, die Sorgen sind umso größer, wenn man nach Essen schaut und sich anschaut, was da im Thyssenkrupp-Konzern gerade stattfindet. Das betrifft nicht nur die Belegschaft und weite Teile der Stadtgesellschaft; auch mich als Oberbürgermeister.
    Zurheide: Gilt immer noch der alte Satz: Wenn es Thyssenkrupp in dem Fall gut geht, geht es der Stadt gut, und wenn es Thyssenkrupp schlecht geht, dann geht es der Stadt oder mindestens Stadtteilen schlecht, aber ich glaube, man kann sagen, dann geht es der ganzen Stadt, der Region schlecht. Ist der Satz immer noch richtig?
    Link: Ja. Wir sind nach wie vor Deutschlands und Europas größter Stahlstandort. Knapp 20.000 Menschen arbeiten direkt rund um das Thema Stahl und weitestgehend bei Thyssen. Insofern ist das natürlich so, dass der wichtigste Arbeitgeber hier am Platz eine ganz besondere Bedeutung für die Stadt Duisburg hat, auch was die Bedeutung für die Emotionen in der Stadt, was die Tradition der Stadt angeht. Das ist insofern etwas ganz Besonderes, auch wenn man natürlich sagen muss, dass Duisburg 2018 nicht nur Stahl ist. Wir haben über die Universität, über den Hafen natürlich viele, viele andere Arbeitsplätze in der Stadt. Aber Stahl ist nach wie vor etwas Besonderes.
    Stichwort Heuschrecken
    Zurheide: Welche Erwartungen haben Sie denn jetzt an die Führung in Essen, oder genau genommen, muss man ja sagen, an die Eigentümer? Und da fallen dann immer besonders die auf, die man so gerne als Heuschrecken bezeichnet. Welche Sorgen verbinden Sie auch mit diesem Begriff vielleicht?
    Link: Ich habe zunächst mal die Erwartung, dass alle verantwortlich handeln und sich ihrer Verantwortung überhaupt erst mal bewusst sind. Denn es geht ja nicht nur darum, für einige wenige kurzfristige Profite zu erzielen, sondern hier geht es darum, für zigtausende Menschen sichere, zukunftsfähige Arbeitsplätze zu erhalten. Und ich bin fest davon überzeugt, das gelingt am besten in einem integrierten Konzern, und insofern ist meine Erwartungshaltung, dass sich die Anteilseigner, die dem Wohl des Landes Nordrhein-Westfalen und dem Wohl der Standorte und der Beschäftigten in erster Linie verpflichtet sind – da ist zu nennen die Krupp-Stiftung, da ist zu nennen alle anderen, die jedenfalls nicht unter dem Stichwort Heuschrecken zusammenzufassen sind -, dass die sich jetzt zusammenschließen und mit den Arbeitnehmern verantwortliche Lösungen und verantwortliche Zukunftsperspektiven erarbeiten. Dazu ist zunächst mal Voraussetzung, dass diese Verantwortung auch wahrgenommen wird und auch gelebt wird.
    Zurheide: Jetzt könnte man natürlich sagen, die Fusion von Thyssenkrupp Stahl mit Tata macht Sie da ein Stück unabhängig. Oder sagen Sie: Nein, genau im Gegenteil, wir brauchen die Unterstützung auch eines starken Thyssenkrupp-Konzerns, in dem der Stahlanteil immer noch drin ist? Brauchen Sie das oder brauchen Sie das nicht?
    Link: Ich brauche das und wir brauchen das natürlich auch in der Zukunft. Es ist so, dass auch mit der Abspaltung des Stahlbereiches jetzt eine gewisse Eigenständigkeit vorhanden ist, aber natürlich gibt es weiterhin Beziehungen nicht nur finanzieller Art. Insofern ist mein Interesse als Europas größter Stahlstandort insbesondere darauf gerichtet, dass es weiterhin einen integrierten und vor allen Dingen auch handlungsfähigen und zukunftsorientierten Thyssenkrupp-Konzern gibt, der integriert ist. Und noch mal: Ich halte das a) für möglich. Ich nehme durchaus wahr, dass die Arbeitnehmer sehr konstruktiv hier sich bereits in den letzten Tagen verhalten und auch artikuliert haben. Es geht mir vor allen Dingen um die Menschen, die für sich eine Zukunftsperspektive brauchen und die auch ein Recht darauf haben, denn die haben in den letzten Jahren viel dazu getan, dass Thyssenkrupp heute so gut dasteht, wie es dasteht.
    Erwartungen an die Politik
    Zurheide: Welche Erwartungen haben Sie an die Politik? Sie haben die Krupp-Stiftung angesprochen. Da sitzt auch immer naturgemäß und traditionsgemäß der Ministerpräsident respektive die Ministerpräsidentin des Landes, in dem Fall jetzt Herr Laschet. Welche Erwartungen haben Sie an den? Die Landesregierung hat ja eine Zeitlang geeiert, unter der Überschrift "Wirtschaft findet in der Wirtschaft statt". Das hat sich jetzt ein bisschen gewandelt. Aber welche Erwartungen haben Sie?
    Link: Ich erwarte, dass der Ministerpräsident auch zur Person Thyssenkrupp zur Chefsache macht und da nicht ständig andere Minister vorschickt, sondern persönlich selber sich einbringt, vor den Kulissen und natürlich auch hinter den Kulissen, und klar und deutlich macht, dass er als Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen erwartet, dass hier Lösungen gefunden werden, die für eine Vielzahl von Menschen in Nordrhein-Westfalen von elementarer Bedeutung sind. Und das geht nur, wenn man sich da auch persönlich einbringt und die ganze Autorität des Amtes da auch in die Waagschale wirft und im Zweifel auch die Leute, die die Entscheidungen treffen, auch an den Tisch holt. Das kann er als Mitglied der Stiftung; das kann er aber auch als Ministerpräsident, so wie es andere vor ihm ja auch schon getan haben.
    Zurheide: Da sprechen Sie was an. In der Tat: Wolfgang Clement hat in der Fusionsphase als Ministerpräsident 1999, als es um die Übernahme von Thyssen zu Krupp und umgekehrt ging, die Sache wirklich von oben selbst geregelt, obwohl er kein Mandat hatte. Ist das das Beispiel, was Sie Herrn Laschet noch mal vor die Nase halten wollten?
    Link: Das ist ein Beispiel, was mir jedenfalls noch in guter Erinnerung ist. Ich bin Duisburger und habe die damalige Fusion natürlich hautnah mitverfolgt – erst recht, weil mein Papa bei Thyssen beschäftigt war. Insofern kann ich mich daran noch sehr gut erinnern, und das ist eine, wenn man so möchte, Blaupause, die ich auch Herrn Laschet jetzt sehr ans Herz legen möchte. Er ist gewählt von den Menschen in Nordrhein-Westfalen, hier Verantwortung für Nordrhein-Westfalen zu übernehmen, und dazu gehört auch, in so einer kritischen Phase für zigtausende Menschen jetzt verantwortlich zu handeln und die beteiligten Interessenvertreter an einen Tisch zu holen. Ich habe wahrgenommen, dass die Arbeitnehmer dazu sehr bereit sind. Ich gehe davon aus, dass die Krupp-Stiftung dem Wohl des integrierten Konzerns sich verpflichtet fühlt, so wie es auch in der Satzung festgeschrieben ist. Und ich gehe davon aus, dass auch weitere Aktionäre diesem Wohl verpflichtet sind, und insofern sollte es eine lösbare Aufgabe sein, wenn er sich darum kümmert und sich dieser Verantwortung stellt, und das erwarte ich von ihm.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.